Wirtschaftliche Grundsachverhalte

Der ökonomische Entscheid

Der homo oeconomicus ist prinzipiell ungesättigt, verfolgt mehrere Ziele, versucht gleichzeitig mehrere Bedürfnisse zu befriedigen und will deshalb vielerlei Güter besitzen. Je größer seine Besitzmenge eines bestimmten Gutes ist, um so geringer schätzt er eine zusätzliche Einheit. Er nutzt jede Chance, sein Wohlergehen zu vermehren, er sucht überall aktiv und unermüdlich seinen eigenen Vorteil. Wie das Wasser weicht er allen Hindernissen aus und sucht immer den kürzesten Weg zum Ziel. Er bleibt cool, überlegt, kalkuliert und handelt zweckgerichtet.

Verhalten Sie sich auch so? Entsprechen Sie dem Bild des homo oeconomicus? Welche Stelle wählen Sie aus, wenn Ihnen drei verschiedene Arbeitsplätze angeboten werden? Wählen Sie diejenige aus, die Ihr Ziel am besten zu erreichen hilft? Dann verhalten Sie sich ökonomisch rational. Sie können diese Entscheidung aber auch emotional, aus dem Bauch heraus oder durch das Los treffen, diese Möglichkeit wären Varianten zum homo oeconomicus.

Volkswirte nutzen Fernsehsendungen wie „Wer wird Millionär“, um die Rationalität und die Risikoneigung zu untersuchen. Die individuellen Ziele sind je nach persönlicher Neigung und Vorliebe natürlich sehr unterschiedlich und auch der Nutzen ist eine subjektive Größe, deren inhaltliche Bestimmung der einzelnen Person völlig freigestellt ist. Beim homo oeconomicus handelt es sich um ein Modell, das von individuellen Persönlichkeitsmerkmalen absieht. Wie alle anderen Wissenschaften ist auch die Volkswirtschaftslehre auf Abstraktion und Verallgemeinungen angewiesen, um die Komplexität in den Griff zu bekommen. Deshalb erklärt der homo oeconomicus eben kein Individualverhalten, sondern er soll ein Durchschnittsverhalten widerspiegeln, in welchem die wesentlichen Einflussfaktoren enthalten sind. Insofern ist das Modell des homo oeconomicus in einem gewissen Sinne gezielt unrealistisch.

Ein wichtiger Einflussfaktor ist das eigennützige Handeln. Das bedeutet, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Menschen dauernd Gutes für ihre Mitmenschen tun. Es bedeutet aber auch, dass die Menschen nicht nur danach trachten, anderen Böses zuzufügen. Die Menschen sind – von Ausnahmen abgesehen – weder Heilige noch Verbrecher. Eigennütziges Handeln bedeutet, dass der Mensch sich in der Regel nach seinen eigenen Interessen orientiert. Historische Ausnahmen wie Winkelried sind selten: Aus Heldenmut soll er bei der Schlacht von Sempach ein ganzes Bündel von Lanzen umarmt und sein Leben dabei gelassen haben, um seinen Mitstreitern einen Ausweg zu bahnen.

Natürlich weiß der homo oeconomicus, dass er nicht alleine lebt, dass er nur in einer Gesellschaft – zusammen mit anderen Individuen – leben kann. Soziale „Orientierung“ ist in seinem Interesse durchaus enthalten: Vertrauen, Solidarität, Stolz, Respekt oder Gerechtigkeit spielen in Gemeinschaften eine wichtige Rolle. So kann z.B. eine als gerecht bzw. ungerecht empfundene Lohnstruktur einen wesentlichen Einfluss auf die Arbeitsmoral und damit auf die Arbeitsleistung haben.

Es wäre zu einfach, den homo oeconomicus als vollständig rationalen Egoisten und blitzschnell maximierenden Automaten zu begreifen, bei dem nur das Geld zählt.

In vielen Experimenten offenbart sich der Wunsch des Menschen nach Fairness, die Bereitschaft, Gewinne zu teilen und miteinander zu kooperieren. Für die Ökonomie ist es wichtig, die wesentlichen Bestimmungsfaktoren des menschlichen Verhaltens zu kennen und in der Theorie zu berücksichtigen, andernfalls wird man unangenehme Überraschungen erleben, wenn man beispielsweise Drogen legalisiert, Studiengebühren erhöht, Biken auf Wanderwegen verbietet oder das schweizerische Bankkundengeheimnis abschafft. In erster Linie kommt es beim Modell „homo oeconomicus“ auf die Erklärungskraft von Menschen insgesamt auf Änderungen ihres Umfeldes an und nicht so sehr auf die detailgenaue Wirklichkeitsnähe. Die Ökonomie bemüht sich laufend, ihr Menschenbild zu erweitern, zu verfeinern und realitätsnah zu gestalten, um mit dem homo oeconomicus Vorgänge in Wirtschaft und Gesellschaft erklären zu können. Das Modell das homo oeconomicus dient als Arbeitshypothese, es enthält aber keineswegs Aussagen darüber, wie die Menschen sein sollten.

Opportunitätskosten

Die rationale Entscheidung des homo oeconomicus erfordert ein Abwägen der Vor- und Nachteile verschiedener Möglichkeiten. Nehmen wir zum Beispiel an, Sie überlegen sich, wie Sie den Samstagabend gestalten sollen: Mit Freunden Karten spielen, ins Kino gehen, ein Buch lesen, lernen, sich in der Disco amüsieren, eine Einladung zum Abendessen annehmen, … sind einige von mehreren Möglichkeiten. Nehmen wir weiter an, dass Sie die Einladung zum Abendessen annehmen. Was kostet Sie dieser Entscheid? Wenn Sie jetzt antworten: Nichts, ich werde ja schließlich eingeladen, liegen Sie falsch, dann haben Sie die Rechnung ohne den Volkswirt gemacht. Zumindest kostet dieser Entscheid den Verzicht auf den Nutzen der nicht gewählten Alternative. Diesen Verzicht bezeichnen die Ökonomen mit Opportunitätskosten. Warum sind gute bezahlte Manager gehetzt und chronisch übermüdet? Bei ihnen sind die Opportunitätskosten einer alternativen Zeitverwendung besonders hoch. Da jede Entscheidung gleichzeitig einen Verzicht beinhaltet, entstehen eben auch bei jedem Entscheid Opportunitätskosten, gleichgültig ob es sich dabei um die Wahl eines Getränks, eines Ferienortes, eines Autos oder eines Partners handelt. Auch ein geschenktes Abendessen ist eben nicht gratis, weil dafür mindestens Zeit aufgewendet und damit auf eine andere Aktivität verzichtet werden muss. Die wichtigste Erkenntnis aus dem Opportunitätskostenprinzip ist, dass nichts gratis ist. Können wir uns heute treffen? Sicher haben Sie auf eine solche oder ähnliche Antwort reagiert: Tut mir leid, ich habe keine Zeit! Diese Antwort verschleiert den wahren Grund Ihrer Absage, eine ehrliche Antwort wäre: Tut mir Leid, die Opportunitätskosten sind mir zu hoch! Erinnern Sie sich daran, wenn Sie das nächste Mal „keine Zeit“ zu hören bekommen oder selbst zur Antwort geben.

Solche Opportunitätskosten-Überlegungen sind für wirtschaftliche Entscheidungen äußerst relevant, weil sie der höchstmöglichen Bedürfnisbefriedigung bzw. Gewinnmaximierung dienen.

Kosten-Nutzen-Analyse

Um beispielsweise den Nutzen des Ausbaus eines Autobahnabschnittes beurteilen zu können, sollte bekannt sein, wieviel Zeitersparnis dadurch gewonnen bzw. wieviel Staukosten vermieden werden können. Gemäß der neuesten Erhebungen bleiben Autofahrer in der Schweiz jährlich knapp 33,6 Mio. Stunden auf Straßen im Stau stecken. Für die verlorene Zeit hat das verantwortliche Bundesamt Kosten von 1,2 Mrd. Franken berechnet, die in erster Linie auf verpasste produktive Zeit für Arbeit zurückzuführen sind.

Eine kleine „wahre“ Geschichte zum Abschluss: Ein Student – kein Ökonomiestudent – fragt sich spätabends, wie er am besten nach Hause kommt. Mit dem Taxi? Zu teurer! Er bestellt sich den Pizza – Kurier, der ganz in der Nähe seiner Wohnung ein Geschäft betreibt, fragt ihn beim Ausliefern der Pizza freundlich, ob er ihn nicht mitnehmen könnte. Während der Fahrt genießt er seine Pizza und wird dann unmittelbar vor seiner Wohnung abgesetzt.

(vergleiche: https://agrokaufmann.files.wordpress.com/2012/02/der-c3b6konomische-entscheid-und-die-opportunitc3a4tskosten.pdf)