Die Geldmenge

Das Geldmengenkonzept der Europäischen Zentralbank

Das Geldangebot wird durch das Bankensystem bestimmt. Es besteht aus der Europäischen Zentralbank (EZB), den privaten Geschäftsbanken und Geldmarktfonds.

Zur Geldmenge einer Volkswirtschaft gehört die umlaufende Bargeldmenge in Form von Münzen und Banknoten. Die Banknoten werden von der EZB ausgegeben und gelten als unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel. Banknoten müssen in jeder beliebigen Höhe angenommen werden. Das Ausgaberecht von Münzen liegt im europäischen Währungssystem bei den Mitgliedsstaaten. Sie verkaufen die Münzen an die EZB, die sie bei Bedarf in Umlauf bringt. Da der Metallwert geringer ist als der aufgedruckte Wert der Münzen (Scheidemünzen), entsteht bei Gutschrift der Münzen durch die EZB ein Gewinn für die Mitgliedsstaaten, der in den Haushalt einfließt. Münzen müssen von Gläubigern nicht in unbeschränkter Höhe angenommen werden. Niemand ist verpflichtet, bei einem Zahlungsvorgang mehr als fünfzig Münzen anzunehmen.

Die Wirtschaftssubjekte verfügen über Guthaben auf Girokonten bei den privaten Geschäftsbanken, über die sie jederzeit verfügen können. Man nennt diese Guthaben Sichteinlagen, weil die Geschäftsbanken sie auszahlen müssen, wenn „sie den Kunden sehen“. Diese Erklärung der Wortbedeutung ist historisch zu sehen, weil sie entstand, als es noch keinen bargeldlosen Zahlungsverkehr gab. Da die Sichteinlagen täglich fällig werden können, werden sie auf die gleiche Stufe wie das Bargeld gestellt. Bargeld und Sichteinlagen zusammen ergeben die sog. Geldmenge M1. Die Geldbestände der Banken werden nicht zur Geldmenge gezählt, weil man davon ausgeht, dass dieses Geld nicht so schnell nachfragewirksam wird.

M1 = Bargeldumlauf (ohne Kassenbestände der Geschäftsbanken) + Sichteinlagen inländischer Nichtbanken

Zur Geldmenge gehören auch die Termineinlagen bei den privaten Geschäftsbanken. Darunter versteht man Geldeinlagen, über die innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nicht verfügt werden kann. Deshalb können sie auf dem Gütermarkt nicht nachfragewirksam werden. Gleiches gilt für die Spareinlagen, die im Regelfall eine Kündigungsfrist von drei Monaten haben.

M2 = M1 + Termineinlagen inländischer Nichtbanken mit einer Befristung bis zu zwei Jahren
+ Spareinlagen mit einer Kündigungsfrist bis zu drei Monaten

Privatleute können ihr Geld auch außerhalb der privaten Geschäftsbanken u.a. bei Fondsgesellschaften oder in Schuldverschreibungen anlegen. Diese Geldanlagemöglichkeiten werden in der Geldmenge M3 berücksichtigt. Zur Geldmenge M3 zählen auch Geldmarktpapiere (Schatzwechsel des Staates mit einer Laufzeit von drei bis zu sechs Monaten) und Repo-Papiere, das sind kurzfristige Wertpapiere mit einer Rückkaufsvereinbarung, die zwischen Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen gehandelt werden.

M3 = M2 + Geldmarktpapiere + Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit bis zu zwei Jahren

Entwicklung und Zusammensetzung der Geldmenge

Der Monatsbericht der Europäischen Zentralbank informiert regelmäßig über die Entwicklung der Geldmengen. Die Angaben sind soweit nicht anders angegeben in Milliarden Euro. Im April 2019 betrug die Geldmenge M3  12.566 Mrd. Euro.

Quelle: https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Schule_und_Bildung/geld_und_geldpolitik.pdf?__blob=publicationFile

Im Europäischen Währungsgebiet setzt sich die Geldmenge M3 im Februar 2020 aus folgenden Komponenten zusammen:

Die geldpolitischen Entscheidungen der EZB hängen ganz wesentlich von der umlaufenden Geldmenge ab. Eine optimale Geldversorgung der Wirtschaft ist eine Voraussetzung für ein angemessenes Wachstum der Wirtschaft. Eine zu starke Ausweitung der Geldmenge bedeutet eine unerwünschte Inflation. Die Steuerung bezieht sich in der Regel auf die Geldmenge in der Abgrenzung M3.

Geldmengenwachstum

Die im Nationaleinkommen erfassten Güter und Dienstleistungen müssen bezahlt werden. Deshalb müssen die Güter und die Geldmenge immer übereinstimmen.  Wenn die Geldmenge geringer ist als die Gütermenge, herrschen in einer Volkswirtschaft deflationäre Tendenzen. Ist die Geldmenge größer als die Gütermenge, so werden die Güter teurer. Es herrscht Inflation. Beide, Inflation und Deflation, haben negative Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft und sind deshalb zu vermeiden.

Der Zusammenhang der Geld- und Gütermengenübereinstimmung wird in der Fisher’schen Verkehrsgleichung ausgedrückt und gilt unbestritten:

M · V = P · X

mit:

M = Geldvolumen
V = Umlaufgeschwindigkeit des Geldes
P = Preisniveau
X = gesamtwirtschaftliche Produktionsmenge

Die Gleichung enthält die beiden Größen Gütermenge und Geldmenge. Dazu kommen zwei weitere Größen, die Umlaufgeschwindigkeit und das Preisniveau. Die Umlaufgeschwindigkeit ist für die Geldmenge deshalb von Bedeutung, weil man mit einem 50-Euro-Schein innerhalb einer Periode mehrmals bezahlen kann. Je höher die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes ist, desto geringer muss die Geldmenge sein. Da die Zentralbank die Geldmenge steuern kann, muss sie sich darüber Gedanken machen, welche Geldmenge in Zukunft zur Verfügung gestellt wird. Es interessiert also nicht die absolute Größe der Geldmenge, sondern ihre Veränderungsrate.

Die erste Ableitung der Fisher’schen Verkehrsgleichung ergibt die Steigerungsraten der Teilkomponenten.

M + V = P + X

mit:

M = Veränderung des Geldvolumens
V = Veränderung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes
P = Veränderung des Preisniveaus
X = Veränderung der Produktionsmenge

M =  P + X – V

 nach Umformung

Die untere Gleichung zeigt, von welchen Komponenten die Veränderung der Geldmenge abhängig ist. Ein steigendes Preisniveau, eine steigende Gütermenge und eine sinkende Umlaufgeschwindigkeit bedingt eine Erhöhung der Geldmenge.

Um die Wachstumsrate der Geldmenge M3 zu bestimmen, schätzt die Zentralbank die Werte P, X und V.

Beispiel

Für das nächste Jahr geht die Zentralbank von folgenden Veränderungen aus:

P  + 1,5 % Die EZB rechnet mit einer unvermeidlichen Inflationsrate. Diese ist
erforderlich, um Wachstum zu ermöglichen, das über die reine Erhöhung der
Gütermenge hinausgeht. Es handelt sich um eine Erhöhung der Geldmenge,
die ermöglichen soll, dass neue, höherwertige Produkte auf den Markt
gebracht werden können, um ein Voranschreiten der Wirtschaft zu
ermöglichen. Wenn die EZB die Inflationsrate auf Null halten würde, so wäre
es den Unternehmen, die technisch fortschrittliche Produkte auf den Markt
bringen, nicht möglich, einen höheren Preis für diese Güter zu verlangen als
für ältere. Da die Forschungs- und Entwicklungskosten jedoch in der
Kalkulation zu berücksichtigen sind, müssen auch höhere Preise
verlangt werden können.
X  + 2,0 % bis + 2,5 %
Rechengröße + 2,25 %
Die EZB geht bei ihrer Prognose der Veränderung der Gütermenge vom
erwarteten Wachstum des Produktionspotenzials aus. Dabei schließt sie
konjunkturelle Veränderung aus, indem sie sich am Trend orientiert und
damit zugleich antizyklisch handelt.
V  – 0,5 % bis – 1,0 %
Rechengröße – 0,75 %
Derzeit geht die EZB von einer Verringerung der Umlaufgeschwindigkeit aus.

Setzt man die Schätzwerte der Rechengröße in die erste Ableitung der Fisher’schen Verkehrsgleichung ein, so erhält man das Wachstumsziel der Geldmenge – den Referenzwert des Geldmengenwachstums der EZB:

M =  P + X – V M = 1,5 % + 2,25 % – (-0,75 %) = 4,5 %

Bei der Einführung des Euro hat der EZB-Rat den Referenzwert auf eine Jahreswachstumsrate der Geldmenge von 4,5 Prozent festgelegt und ihn seither nicht verändert.

Die Geldmenge: Übung

Entscheiden Sie, ob die folgenden Aussagen richtig oder falsch sind.

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Die Geldmenge: Aufgaben

Testen Sie Ihr Wissen an folgenden Beispielen:

Aufgaben:

1 Welche Geldart hat im Durchschnitt der letzten Monate den höchsten Anteil an der Geldmenge M3?

2 Welche Arten von Banken zählt man zu den monetären Finanzinstituten?

3 Überlegen Sie, weshalb man drei Arten der Geldmenge unterscheidet; berücksichtigen Sie dabei ein bekanntes Bilanzgliederungsprinzip aus dem Rechnungswesen.

4 Weshalb ist die Kenntnis der Geldmenge für die EZB von entscheidender Bedeutung?

5 Damit ein Wachstum stattfinden kann, muss auch die Geldmenge wachsen. Aus welchem Grund weitet die EZB die Geldmenge nicht unendlich aus?

Lösungen

Der Anteil der Sichteinlagen an der Geldmenge M3 ist mit etwa 50 % der bedeutsamste.

Zu den monetären Finanzinstituten zählen die EZB, die Geschäftsbanken und die Fondsgesellschaften.

Den drei Geldmengenkonzepten liegt der Gedanke der Liquiditätsnähe zu Grunde. Die Geldmenge M1 wird am schnellsten nachfragewirksam, während die später hinzu kommenden Komponenten erst mit einem gewissen Aufwand oder nach einer gewissen Zeit aufgelöst werden können.

Die EZB baut auf den Zahlen der Geldmenge ihre geldpolitischen Entscheidungen auf. Damit die Wirtschaft funktionieren kann, ist eine ausreichende Versorgung mit Geld notwendig.

Eine zu starke Ausdehnung der Geldmenge bedeutet, dass die Gütermenge wahrscheinlich nicht im gleichen Ausmaß wächst. Dieser Zustand bedeutet, dass die Preise zu stark steigen. Es entsteht eine unerwünschte Inflation.