Grenzen des Sozialstaats
Anspruchshaltung der Bevölkerung gegenüber dem Staat
Der heute in Deutschland bestehende Sozialstaat mit der Institutionalisierung und Regulierung des Arbeitsmarktes, der sozialen Sicherung gegen die Standardlebensrisiken und anderen Bereichen einer Politik des sozialen Ausgleichs ist das Ergebnis eines langen historischen Prozesses. Die Menschen in Deutschland haben sich allerdings zum Teil sehr an die staatlichen Sozialleistungen gewöhnt. Dies mündet inzwischen in einen fast grenzenlosen Anspruch an den Staat. Umfragen belegen, dass ein sehr großer Teil der Deutschen die Verantwortung für die soziale Sicherung beim Staat sieht. Diese Anspruchshaltung kann zu einer Lähmung von Leistungsbereitschaft und Eigeninitiative führen.
Fehlanreize
Als eine Hauptursache für die Anspruchshaltung der Bevölkerung wird die fehlende Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung gesehen, wie das bei einer solidarischen Finanzierung der Fall ist. So gibt es zum Beispiel keinen Anreiz eine Arbeit aufzunehmen, wenn das Arbeitslosengeld zu hoch ist oder gesetzlich krankenversicherte Patienten medizinische Leistungen nachfragen, ohne dass ihnen die Kosten bekannt sind. Sie könnten versuchen, so lange Gesundheitsleistungen nachzufragen, bis sie das Gefühl haben, die in Anspruch genommenen Leistungen entsprechen den von ihnen erbrachten Beiträgen.
Finanzierungsprobleme bei den Sozialversicherungen
Das deutsche Sozialversicherungssystem setzt einen hohen Beschäftigungsstand und geringe Arbeitslosigkeit voraus, sonst nimmt einerseits die Zahl der Bezieher von Arbeitslosengeld zu, während andererseits das Beitragsaufkommen zu den Sozialversicherungen abnimmt. Wesentliche Ursachen für die Finanzierungsprobleme bei den Sozialversicherungen sind die lange andauernde, relativ hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland, die Abhängigkeit der Sozialversicherungsbeiträge von der Höhe des Arbeitsentgelts und die paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanzierten Sozialversicherungsbeiträge.
Wettbewerb mit dem Ausland
Die im Zuge der Globalisierung zunehmende Bedeutung internationaler Beziehungen bringen auch für den traditionell national geregelten Sozialstaat neue Herausforderungen mit sich. Zu den sozialstaatlich relevanten Folgen der Globalisierung gehört der Druck auf die Sozialausgaben, deren Reduzierung eine Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit verspricht. Dieser Druck muss nicht zwingend zum Abbau von Leistungen führen, er kann auch einen Umbau zum aktivierenden und vorsorgenden Sozialstaat mit positiven Effekten für die Wirtschaft fördern. Das Verhältnis von Sozialpolitik und Wirtschaft ist vielschichtig. Es gibt hemmende wie fördernde Tendenzen. So verbraucht der Sozialstaat Ressourcen, die er über Steuern und Beiträge dem Wirtschaftssystem entzieht; zugleich stellt er aber über sein Bildungs- und Gesundheitswesen Arbeitskräfte zur Verfügung. Der Sozialstaat vermindert auch soziale Spannungen und Konflikte zwischen Kapital und Arbeit. Weil der Sozialstaat hauptsächlich über Beiträge finanziert wird, beeinflussen Veränderungen in den Beschäftigungs- und Entlohnungssystemen seine Leistungsfähigkeit ganz unmittelbar.
Zu den neuen Rahmenbedingungen des nationalen Sozialstaates gehört die Europäische Union, die mit ihren Regulativen und Vorgaben in die Sozialpolitik einwirkt, zugleich aber auch gegen den Druck der Globalisierung abpuffert.
Lösungsansatz
Die traditionelle Antwort auf mehr wirtschaftliche Ungleichheit ist mehr monetäre staatliche Umverteilung. Wirklich effizient ist allerdings eine solche Lösung in der Regel nicht. Alle Steuer-Transfer-Systeme haben Risiken und Nebenwirkungen. Die Arbeitslosigkeit nimmt zu, das wirtschaftliche Wachstum leidet. Oft ist diese konventionelle Form der staatlichen Umverteilung effizienzverschlingend. Die Logik demokratischer Ordnungen verhindert, dass in erster Linie von „Reich zu Arm“ umverteilt wird. Der politische Wettbewerb erzwingt primär eine Umverteilung in der Mittelklasse von den nicht ganz Reichen zu den nicht ganz Armen. Das Grundübel liegt darin, dass zumeist Ergebnisgleichheit angestrebt wird. Der Zielkonflikt kann allerdings verringert werden, wenn verstärkt Chancengleichheit das Ziel wird. Das richtige Instrument ist mehr soziale Mobilität, also Aufstiegschancen. Setzt man an den wichtigsten Stellen der sozialen Mobilität an (zum Beispiel Bildung), sinkt die Ungleichheit und das wirtschaftliche Wachstum steigt.
Grenzen des Sozialstaats: Aufgabe
Testen Sie Ihr Wissen an folgendem Beispiel:
Aufgabe
Analysieren Sie nachfolgende Grafik mit Blick auf eine gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung sowie die Grenzen der Umverteilung.

© Thomas Plaßmann/Baaske Cartoons