Moderne Ansätze der Wohlstandsmessung

Umweltökonomische Gesamtrechnung

Seit dem Erdgipfel von Rio de Janeiro (1992) haben sich viele Nationen bereit erklärt, an der „nachhaltigen Entwicklung“ zu arbeiten. Man vereinbarte, dass die Entwicklungsmöglichkeiten künftiger Generationen nicht eingeschränkt werden dürften. Mit der umweltökonomischen Gesamtrechnung (UGR) versucht man, eine Informations- und Datengrundlage zur Verfügung zu stellen. Ziel ist es, die Wechselwirkungen zwischen wirtschaftlichem Handeln und der Umwelt darzustellen.

Die UGR ist ein Berichtssystem des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden, das folgende Themenbereiche enthält und die Ergebnisse sowohl in physischen als auch in monetären Größen darstellt:

Material- und Energieflüsse
 Z.B.: Rohstoffentnahme in Tonnen, Einfuhr in Tonnen, Düngemitteleinsatz in Tonnen, Luftemissionen,
Wasserentnahmen
 Nutzung von Fläche und Raum
 Z.B.: Betriebsfläche, Erholungsfläche, Landwirtschaftsfläche, Verkehrsfläche, Waldfläche, Wasserfläche,
Siedlungsfläche
 Umweltzustand
 Z.B.: Waldschäden nach Bundesländern und Schadensklassen sortiert, gefährdete Tiere und Pflanzen
nach Bundesländern und Gefährdungskategorien sortiert
 Umweltschutzmaßnahmen
 Z.B.: Umweltschutzausgaben für Abfallbeseitigung, Gewässerschutz, Lärmbekämpfung und Luftreinhaltung,
Gesamtaufkommen aus umweltbezogenen Steuern und Gebühren (Mineralölsteuern, Kfz-Steuer, Strom-
steuer, Abwasser- und Abfallgebühren)

Der Index für menschliche Entwicklung

Der von den Vereinten Nationen konzipierte Human Development Index (HDI) ist ein Beispiel für ein System, das sozioökonomische Kriterien zur Wohlstandsmessung einbezieht. Der seit 1990 existierende Index geht von drei wesentlichen Determinanten der menschlichen Entwicklung aus: Gesundheit, Bildung und Einkommen. Diese Determinanten werden über die mittlere Lebenserwartung, die Alphabetisierungsrate und die Schulbesuchsdauer sowie das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf gemessen und verdichtet. Für jeden Indikator werden die niedrigsten und höchsten beobachteten Werte als Enddimensionen einer Skala von 0 bis 1 gewählt. Der HDI-Index eines Landes bestimmt sich dann aus der Relation zu diesen Endpunkten.

Indikatorensystem der OECD

Das System der OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development) entwickelte soziale Indikatoren aus dem Begriff Lebensqualität. Gemessen werden nicht die Kosten eines Indikators, sondern das Ergebnis. So erhält man Verhältnisgrößen. Im Bereich der Gesundheit wird beispielsweise nicht gemessen, wie viel einzelne Medikamente kosten, sondern wie gut die Versorgung mit Medikamenten ist. Insgesamt kommen acht Bereiche von Indikatoren zum Tragen:

Gesundheit  Wirtschaftliche Situation und Kaufkraft
 Lernen und Ausbildung  Physische Umwelt
 Qualität des Arbeitslebens  Persönliche Sicherheit
 Freizeit und Zeiteinteilung  Soziale Beteiligungschancen


Problematisch bleibt innerhalb dieser Sozialindikatoren die Gewichtung der einzelnen Elemente.

Net Economic Welfare (NEW)

Paul Samuelson entwickelte ausgehend vom realen Bruttoinlandsprodukt das System des wohlfahrtsorientierten Nettoinlandsproduktes. Zunächst schließt das Konzept Teilbereiche des Bruttoinlandsproduktes aus, die nicht zur individuellen Wohlsfahrt beitragen. Anschließend werden einige wichtige Aspekte des Konsums im NEW berücksichtigt, die im Bruttoinlandsprodukt nicht enthalten sind.

Bruttoinlandsprodukt

abzüglich

Soziale Kosten: Umweltschäden, Ausgaben für die staatliche Verwaltung, Polizei und Verteidigung
zuzüglich
Private Dienste (Hausfrauenarbeit), immaterielle Werte (Freizeit)
ergibt
NEW (Wirtschaftlicher Nettowohlstand)


Die Problematik dieses Ansatzes liegt darin, allgemein akzeptierte Indikatoren zu finden, die hinzugezählt oder abgezogen werden sollen. Samuelson geht bei seinem Ansatz davon aus, dass die Leistungen der Polizei den Wohlstand nicht erhöhen. Es ist aber auch denkbar, dass Menschen die Polizeipräsenz subjektiv als Sicherheit empfinden, so dass sich deren Lebensqualität verbessert. Auch die Gewichtung der einzelnen Indikatoren ist schwierig, weil sie subjektiv unterschiedlich empfunden werden.

Weitere Indikatoren zur Wohlstandsmessung

Als Messinstrumente des Wohlstandes werden noch folgende Indikatoren diskutiert:

  • Wohnraum pro Person
  • Lebenserwartung
  • Scheidungsrate
  • Kindersterblichkeit
  • Zugang zu sauberem Wasser
  • Bildungsstand
  • Tägliche Freizeit
  • Nationaleinkommen pro Kopf

EXKURS:

Wohlstandsmessung kann auch anders geschehen, das Königreich Bhutan setzt auf das sog. Bruttonationalglück. Was man darunter versteht, können Sie im Video erfahren

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Moderne Ansätze der Wohlstandsmessung: Aufgaben

Testen Sie Ihr Wissen an folgenden Beispielen:

Aufgaben:

1 Erkundigen Sie sich auf der Seite des Statistischen Bundesamtes über nähere Einzelheiten der umweltökonomischen Gesamtrechnung (UGR) und stellen Sie die Aussagekraft dieser Statistik dar.

2 Erörtern Sie, ob der Indikator „Ärzte pro Einwohner“ ein geeigneter Indikator zur Wohlstandsmessung ist.

3 Erörtern Sie, ob der Indikator „Einkommen pro Kopf“ ein geeigneter Indikator zu Wohlstandsmessung ist.

Lösungen

Die Aussagekraft der UGR liegt in der Möglichkeit von Zahlenvergleichen. Man kann damit z.B. feststellen, ob der Schadstoffausstoß gestiegen oder gesunken ist.

Der Indikator „Ärzte pro Einwohner“ ist nur bedingt geeignet. Wenn ein Entwicklungsland diesen Indikator verbessert, kann man davon ausgehen, dass auch der Wohlstand gestiegen ist. Ist jedoch die Zahl der Ärzte pro Einwohner – wie in den Industrieländern – schon sehr hoch und steigt weiterhin, so muss bezweifelt werden, ob dadurch das Wohlbefinden der Menschen ebenfalls weiter ansteigt. Die hohe Zahl kann auch darauf hinweisen, dass sich der Gesundheitszustand der Bevölkerung verschlechtert hat.

Das Einkommen pro Kopf ist eine Durchschnittsgröße. Es sagt nichts darüber aus, wie gerecht das Einkommen verteilt ist. Man müsste dazu weitere Angaben ermitteln (z.B. auf wie viel Prozent der Einwohner wie viel Prozent des gesamten Einkommens entfallen).