Komplexe technische Systeme – großtechnische Energiewandlung

Primär- und Sekundärenergie

Primärenergieträger sind meist ungeeignet, um beim Endverbraucher in Nutzenergie umgewandelt zu werden. Deshalb werden sie in Wärmekraftwerken, beispielsweise einem Kohlekraftwerk, zunächst in Sekundärenergie umgewandelt, um die Wandlungsfähigkeit, die Transportfähigkeit und die Speicherfähigkeit der Energie im Vergleich zur Primärenergie zu verbessern. Ein Sekundärenergieträger, der zwei der oben angegebenen Kriterien in vorbildlicher Weise erfüllt, hat sich weltweit in allen entwickelten Ländern etabliert. Gemeint ist die elektrische Energie. (NEU)

Bedeutung der elektrischen Energie

Bei der Sekundärenergie Elektrizität überwiegen eindeutig die Vorteile gegenüber den Nachteilen.

Vorteile Nachteile
Die elektrische Energie lässt sich nahezu unbegrenzt mit besten Wirkungsgraden in andere Energieformen umwandeln. Die elektrische Energie· lässt sich nicht unmittelbar in größeren Mengen speichern, d.h. sie muss in dem Moment erzeugt werden, in dem sie verbraucht wird.
Sie ist beim Transport und bei der Umwandlung in Nutzenergie sehr umweltfreundlich (keine Schadstoffe; keine Entsorgung von Reststoffen). Sie wird zum überwiegenden Teil in Wärmekraftprozessen erzeugt, deren Wirkungsgrade naturgesetzlich niedrig sind.
Elektrische Energie lässt sich aus jeder Primärenergie erzeugen. Sie ist für die energietechnische Übertragung leitungsgebunden.
Sie ist masselos und nicht stoffgebunden. Elektrische Energie ist sowohl bei den Kraftwerken als auch den Leitungen außerordentlich kapitalintensiv.
Elektrische Energie lässt sich rasch, zuverlässig, sauber und mit geringen Verlusten bis zum Endabnehmer verteilen.
Sie lässt sich sehr gut messen, steuern, regeln und elektronisch verarbeiten.
Sie ist in der modernen Informationsübertragung und in der Datenverarbeitung unersetzlich.

Diese unverkennbaren Vorteile haben zu einem flächendeckenden Elektrizitätsversorgungssystem in ganz Europa und auch in anderen Ländern der Welt geführt. Die Industrie hat eine unglaubliche Vielfalt von elektrischen Geräten entwickelt, die dem Anwender alle möglichen Energiedienstleistungen zur Verfügung stellt. Die elektrische Energie hat sich aus diesen Gründen sowohl für den Einzelnen als auch für die gesamte Wirtschaft zu einer Schlüsselenergie entwickelt, ohne die die modernen Industriestaaten nicht mehr überlebensfähig wären. Das zeigt sich immer dann, wenn die Stromversorgung – was sehr selten vorkommt – für eine gewisse Zeit ausfällt.

Primärenergieträger bei der Stromerzeugung

In großen Kraftwerken – überwiegend Kohle- und Kernkraftwerke – wird aus Primärenergieträgern die Sekundärenergie Elektrizität erzeugt. Welche Primärenergieträger dabei in Deutschland zu welchen Anteilen eingesetzt werden, zeigt die nachfolgende Abbildung.

Datenquelle: AG Energiebilanzen e.V. Einsatz von Energieträgern zur Stromerzeugung 2016

Man erkennt, dass die Kohle und die Kernenergie den weitaus größten Anteil bei der Stromerzeugung haben. Als regenerative Energien werden im süddeutschen Raum die Wasserkraft und Photovoltaik und in Küstennähe  die Windkraft (offshore) genutzt. Die so gewonnene elektrische Energie wird über Höchst-, Hoch-, Mittel- und Niederspannungsnetze zum Endverbraucher transportiert. Dabei wird die Spannung umso höher gewählt, je größer die zu überbrückende Entfernung ist. Hohe Spannungen führen zu geringeren Übertragungsverlusten, die in Deutschland unter 10% der übertragenen elektrischen Energie liegen. Alle Kraftwerke sind europaweit an ein umfassendes Verbundnetz angeschlossen. Das hat die Vorteile, dass der Ausfall einer Leitung oder eines Kraftwerks sofort kompensiert werden kann, die Kraftwerke mit besonders niedrigen Kosten (wie z.B. die Wasserkraftwerke) stets voll genutzt werden können, bei Wartungsarbeiten und Reparaturen Kraftwerke vom Netz genommen und durch andere ersetzt werden können. Wegen der großen Bedeutung der elektrischen Energie für die Volkswirtschaft wird etwa ein Drittel der in Deutschland verbrauchten Primärenergieträger in elektrische Energie umgewandelt. Die Nachfrage nach elektrischer Energie ist starken tages- und auch jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen.

Obige Abbildung zeigt ein typisches Lastdiagramm für einen Winter- und für einen Sommertag. Diese Schwankungen treten aufgrund der Verbrauchsgewohnheiten der Abnehmer der elektrischen Energie auf. Die typische Mittagsspitze kommt zustande, da zu dieser Zeit in vielen Haushalten elektrisch gekocht wird. Das Nachttal rührt daher, weil nachts die meisten Industriebetriebe stillstehen und die Haushalte ruhen. Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) müssen auf diese Nachfrageschwankungen unmittelbar reagieren, da sich elektrische Energie nicht speichern lässt. Zwar wird z.T. mit entsprechender Tarifgestaltung (billiger Nachttarif, teurer Tagtarif) versucht, die Unterschiede in der Stromnachfrage zu glätten, jedoch gelingt das nur begrenzt. Es werden Pumpspeicherkraftwerke eingesetzt, bei denen nachts Wasser in die Hochbecken gepumpt wird.  Während der Tageslastspitzen lässt man das Wasser zu Tal strömen und erzeugt damit Strom zur Deckung der Spitzenlast.