Interessenverbände

Aufgaben und Organisation

In der Bundesrepublik sind nur wenige Bürger Mitglied in einer Partei, dagegen sind sehr viele Mitglieder eines Vereins oder eines Verbandes. 2010 waren 165175 Vereine mit 25,4 Millionen Mitgliedern registriert (Quelle: Statistisches Jahrbuch 2011) für die Bundesrepublik Deutschland. Ca. 8500 Verbände sind mit der Verfolgung der Interessen ihrer Mitglieder beschäftigt, dies sind die Interessenverbände, ihre Spitzenverbände mit bundespolitischen Zielen, 2011 waren dies 2125, haben sich in eine Liste eintragen lassen, die beim Präsidenten des Deutschen Bundestages seit 1972 geführt wird („Lobbyliste„).
Solche Vereinigungen existieren für fast alle Bereiche der Gesellschaft.

Man kann sie nach ihren Tätigkeitsfeldern in folgende Gruppen einteilen:

  • Vereinigungen im Wirtschaftsleben und in der Arbeitswelt (Unternehmer- und Selbständigenverbände: Bundesverband der Deutschen Industrie, Deutscher Industrie- und Handelstag;
  • Gewerkschaften: Deutscher Gewerkschaftsbund, Beamtenbund; Verbraucherverbände);
  • Vereinigungen mit sozialen Zielen (Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Rotes Kreuz, Mieterbund);
  • Vereinigungen im Bereich Freizeit und Erholung (Deutscher Sportbund);
  • Vereinigungen in den Bereichen Kultur und Wissenschaft (PEN-Club, Verband der Historiker   Deutschlands);
  • Vereinigungen mit ideellen und gesellschaftspolitischen Zielsetzungen (amnesty international, Internationale Gesellschaft für Menschenrechte, Kinderschutzbund).

Funktionen der Interessenverbände

Die Politik regelt in der Industriegesellschaft das Wirtschaftsleben und auch unsere sozialen Verhältnisse. Der einzelne Bürger muss sich mit anderen zusammenschließen, wenn er seine Interessen wahrnehmen will. Die Verbände übernehmen diese Aufgabe. Sie fassen die unterschiedlichen Interessen ihrer Mitglieder zusammen, sie formulieren konkrete Forderungen und versuchen, ihre Ziele mit wirkungsvollen Mitteln durchzusetzen. Die Ziele dieser Einflussnahme sind die Parteien, die Parlamente, Regierung und Bürokratie und die Öffentlichkeit.

Rechtliche Regelungen: Der Bundestag und die Bundesregierung sehen ausdrücklich die Mitwirkung der Interessenverbände vor. Interessenvertreter wirken in Ausschüssen des Bundestages durch Stellungnahmen mit und sie können in öffentlichen Anhörungen Auskunft geben. Ministerien ziehen bei der Vorbereitung von Gesetzen auch Vertreter der Spitzenverbände hinzu. Auf diese Weise wird der Sachverstand der Verbände regelmäßig durch das Parlament in Anspruch genommen. Damit soll verhindert werden, dass Gesetze unvollständig oder fehlerhaft sind. Aufgrund immer komplexer werdender Wirtschaftsstrukturen und Themenfelder, die den Gesetzgeber vielfach in seinen Möglichkeiten überfordern (vgl. Finanzkrise), haben Lobbygruppen eine wichtige Funktion durch das Wissen in Spezialbereichen. Regierungen und Parlamente in Europa suchen daher mittlerweile offen das Gespräch mit Wirtschaftsvertretern, Verbänden und Lobbyisten, um sich vor einer Entscheidung umfassend über die wirtschaftlichen und rechtlichen Aspekte eines Vorhabens zu informieren.

Tarifautonomie: Eine besondere Stellung haben die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände. Knapp ein Drittel der Arbeitnehmer ist gewerkschaftlich organisiert. Der Staat hat den Vereinigungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Regelung der Arbeitsverhältnisse übertragen. Als Tarifpartner handeln sie unabhängig (autonom) von politischen Maßgaben  Löhne und Arbeitsbedingungen aus, sie besitzen die so genannte Tarifautonomie. Ihre tariflichen Vereinbarungen sind für die Mitglieder der rechtswirksam und können bei Arbeitsgerichten eingeklagt werden.

Einflussnahme der Verbände im politischen System: „Lobbyismus“

Kritik am Lobbyismus

Lobbyismus wird auch als „Fünfte Gewalt“ bezeichnet (vgl. „Vierte Gewalt“, die Medien)  da die Interessenverbände Einfluss auf die Staatsgewalt nehmen.  Interessenvertreter unterliegen aber kaum  gesetzlichen Regelungen. Lobbyismus kann bis zur Korruption und damit unerlaubten Einflussnahme führen. „Informationsveranstaltungen“ für Politiker mit kostenloser Verköstigung sind die harmlosen Beispiele.  Aber natürlich wird das Ziel verfolgt, Politiker für eigene Interessen zu gewinnen. Es gibt es auch Bemühungen, diese Art von Korruption zu verhindern. So sind zum Beispiel die Mitglieder der EU-Kommission dazu verpflichtet, Geschenke ab einem Wert von 150 Euro anzugeben. Lobbyismus steht also im Spannungsfeld zwischen einer berechtigter Interessenvertretung und möglicher Gefährdung demokratischer Grundprinzipien.