Demonstrationen
Begriff und Recht
Unter dem Begriff „Demonstration“ versteht man eine Handlung, die öffentlich auf einen Sachverhalt oder eine Meinung hinweisen möchte. Im politischen Bereich bezeichnen sie insbesondere öffentliche Versammlungen, Aufzüge und Kundgebungen, die das Interesse der Öffentlichkeit wecken und deren Unterstützung erreichen möchten. Zumeist haben Demonstrationen in einer pluralistischen Demokratie oppositionellen Charakter und dienen als Ausdrucksmittel für diejenigen, die mit den Leistungen des politischen Systems unzufrieden sind. In autoritären Staatsformen dienen Demonstrationen dazu, mit Massenaufmärschen die Einheit von Regierenden und Regierten zu symbolisieren.
Demonstrationen der Bürgerinitiative gegen „Stuttgart 21“
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Von Jacques Grießmayer – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Link
2011 setzte sich die vieldiskutierte Bürgerinitiative gegen „Stuttgart 21“ für den Baustopp am neuen Bahnhof in Stuttgart ein. Die breite mediale Diskussion und die heftige politische Auseinandersetzung mit großen Demonstrationen, in denen es zu Zusammenstößen mit der Polizei kam, trug nach allgemeiner Einschätzung auch zum Sturz der Landesregierung in Baden Württemberg und zur Wahl der ersten Grün-Roten Landesregierung bei. Die Grünen, die die Bürgerinitiative stark unterstützt hatten, stellen nun den ersten Ministerpräsidenten in einem Bundesland.
Demonstrationen von Gewerkschaftsmitgliedern

Bild links: Hier demonstrieren Gewerkschaftsmitglieder der Gewerkschaft ver.di gegen die 40-Stunden-Woche im März 2006 in Erlangen. Der Demonstrationszug endete mit einer Rede des Gewerkschaftvorsitzenden Frank Bsirske. Die Demonstration fand in der lokalen Presse und im Rundfunk ein breites Echo.
Video: Mehr als 1.000 Versicherungsbeschäftigte folgten dem Aufruf der Gewerkschaft ver.di in Stuttgart und legten für mehrere Stunden die Arbeit nieder. Die Arbeitnehmer demonstrieren für deutliche Verbesserungen im Manteltarifvertrag und gegen die Ausweitung der Samstagsarbeit.
Im Grundgesetz ist das Demonstrationsrecht im Zusammenhang mit mehreren anderen Freiheitsrechten zu sehen, dies sind im einzelnen:
- die Handlungsfreiheit (Artikel 2 GG),
- die Meinungsfreiheit (Artikel 5,1 GG,
- die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9,1 GG),
- das Petitionsrecht (Artikel 17 GG),
- die Versammlungsfreiheit (Artikel 8,1 GG)
- das Demokratieprinzip (Artikel 20,1+2 GG).
Diese Rechte sichern den Bürgern eine direkte demokratische Artikulationsmöglichkeit; im Zentrum steht dabei das Versammlungsrecht. Solche kollektiven Willensäußerungen bzw. Meinungsäußerungen unterliegen allerdings einer grundsätzlichen Bedingung: Sie müssen „friedlich und ohne Waffen“ (Artikel 8,1 GG) durchgeführt werden. Ansonsten wird dieses Recht wegen der herausragenden Bedeutung für die Demokratie sehr großzügig gehandhabt; an Anträge, Demonstrationen einzuschränken oder gar zu verbieten (z.B. Verbotsantrag durch die Verwaltung), werden durch die Gerichte hohe Anforderungen gestellt.
Wirkungen von Demonstrationen in der pluralistischen Demokratie

Demonstrationen in der Geschichte der Bundesrepublik
Erst in der zweiten Hälfte der 50er Jahre kam es in der Bundesrepublik zu großen Demonstrationen im Zusammenhang mit der Wiederbewaffnung. In den 60er Jahren waren die Demonstrationen im Zusammenhang mit der Spiegel-Affäre 1962 und gegen die Notstandsgesetze 1968 herausragende Bespiele, bei denen Studenten eine besondere Rolle spielten. Die studentischen Demonstrationen z.B. gegen den Vietnamkrieg, gegen die Unterdrückung der Dritten Welt durch die industrialisierten Länder entfalten eine neue Kultur des Protestes in der Bundesrepublik: mit Sit-ins, Go-ins und Teach-ins werden Vorstellungen von einer radikalen Demokratie an die deutsche Öffentlichkeit getragen. Zu weiteren Massendemonstrationen kommt es in den 70er und 80er Jahren vor allem im Zusammenhang mit der Atomkraft und der Friedensthematik.
Aus diesen Protesten hat sich ein Wandel der politischen Kultur in der BRD ergeben. Alternative Formen der Beteiligung drangen in den politischen Alltag ein und etablierten sich. Aus den Reihen der Demonstranten und Bürgerinitiativen und aus dem Umfeld der Neuen Sozialen Bewegungen bildete sich Ende der siebziger Jahre die Partei „Die Grünen“.
Im Zusammenhang mit den Demonstrationen um „Stuttgart 21“ zeigte sich allerdings auch ein neuer Typus des demonstrierenden Bürgers: der „Wutbürger“ – wie er in der Presse vielfach genannt wurde. Stark interessiert an Themen, die ihn persönlich betreffen, ist er bereit, auf die Straße zu gehen und sich vehement für seine Anliegen einzusetzen. Der Blick auf das gesamtgesellschaftliche Ganze geht dabei häufig verloren. In einem Kommentar der Süddeutschen Zeitung ist die Rede vom Ich-Bürger, der Bürgerbeteiligung als Korrektiv hoch schätzt, aber die Verpflichtung, die aus diesem Recht folgt, nicht sieht.
Bürgerproteste in der DDR
Auch in der DDR gab es solche Protestbewegungen schon seit den späten siebziger Jahren. Allerdings äußerten sie sich aufgrund der anderen politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht in dem Maße öffentlich wie in der pluralistischen Bundesrepublik. Oppositionelle aus sehr unterschiedlichen Richtungen – undogmatische Marxisten, Reformsozialisten, Liberale, Konservative und Christen – schlossen sich in informellen Zirkeln zusammen, um gegen staatliche Unterdrückung und Bevormundung zu protestieren. Während der „Wende“ 1989 waren sie ein wichtiges Element des Widerstands gegen das SED-Regime; insbesondere sind hier die „Montags-Demonstrationen“ in Leipzig zu nennen, die besonders aus dem kirchlichen Umfeld kamen. Nicht zuletzt diese Proteste leiteten das Ende der SED-Herrschaft in der DDR ein.
Beispiel für Protest: STOP ACTA
Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement, kurz ACTA, (deutsch: Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen) war als multilaterales Handelsabkommen auf völkerrechtlicher Ebene geplant . Die teilnehmenden Nationen bzw. Staatenbünde wollten mit ACTA internationale Standards im Kampf gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen einführen.
Stop-ACTA-Demonstration in Wien, Februar 2012
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Von Haeferl – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Link
Europäische Protesttage
gegen ACTA
In vielen europäischen Ländern, z.B. in Polen, Tschechien, Slowakei, Lettland, Slowenien, Deutschland und anderen fanden 2012 Anti-ACTA-Proteste in vielen Städten statt. In Deutschland protestierten in über 50 Städten Tausende gegen das Gesetzesvorhaben und es gab europäische Protesttage im Februar und Juni 2012. In Deutschland, Frankreich, Polen, Groß-britannien, Bulgarien, Portugal, Österreich, der Schweiz und weiteren Ländern protestierten viele, vor allem junge Menschen unter dem Motto
„ACTA ad acta“.
Wirkungen der Demonstrationen gegen ACTA
Die EU-Kommission sah zunächst trotz der Massenproteste keinen Grund, von der ACTA-Gesetzgebung Abstand zu nehmen und erklärte die Demonstrationen mit „unzureichender Informationspolitik“ der EU.
Dann aber wurde der Vertrag von mehreren EU-Staaten, darunter Deutschland, auf Eis gelegt. Letztendlich zeigten die Proteste von Millionen Internet-Nutzern und Datenschützern im Juli 2012 Wirkung:
Das Europäische Parlament stoppte das internationale Acta-Abkommen. Ein zunächst als sicher geglaubtes politisches Vorhaben der EU war gescheitert, eine breite Mehrheit der Abgeordneten in Straßburg hatte gegen den Vertrag gestimmt, den die EU-Kommission mit den USA und neun anderen Ländern ausgehandelt hatte. Die Süddeutsche Zeitung kommentierte die Entscheidung des EU-Parlaments so:
„Das Scheitern des Acta-Vertrages ist der erste große Sieg von Internetaktivisten auf europäischer Ebene. Und es ist das zweite Mal, dass die Abgeordneten internationale Verträge scheitern lassen, weil Bedenken bestehen, dass diese in die Freiheitsrechte der Bürger eingreifen. Anfang Februar 2010 hatten sie bereits das Swift-Abkommen über die Weitergabe von EU-Bankdaten an die Vereinigten Staaten gestoppt.“ SZ, 5.7.2012