Das Grundgesetz

Überblick

Die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes ist eng verbunden mit der Geschichte Deutschlands im 19. Jahrhundert und insbesondere mit der Lage nach dem 2. Weltkrieg: Die westlichen Besatzungsmächte gaben den Impuls, in ihren Besatzungszonen eine neue Verfassung auszuarbeiten, die die Prinzipien von Demokratie und Föderalismus berücksichtigen sollte. Die Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder wurden aufgefordert, eine Nationalversammlung einzuberufen, die diese Aufgabe erledigen sollte.

Statt einer Nationalversammlung wurde dann ein Expertengremium aus 65 Mitgliedern eingesetzt, das den Entwurf der neuen Verfassung in Bayern auf der Insel Herrenchiemsee (daher wurde das Gremium als „Herrenchiemsee-Konvent“ bezeichnet) erarbeitete. Entscheidenden Anteil an der Ausarbeitung des Grundgesetzes hatte Carlo Schmid (SPD), der Vorsitzende des Hauptausschusses. Präsident des Parlamentarischen Rates war Konrad Adenauer (CDU). Auch der spätere Bundespräsident Theodor Heuss (FDP) gehörte dem Gremium an. Die wichtige Rolle der neu entstandenen Länder führte zu einer starken Betonung des föderalen Gedankens.

Hauptsächlich ging es aber darum, aus dem Scheitern der liberalen Weimarer Verfassung von 1919 verfassungspolitische Konsequenzen zu ziehen. War es Hitler möglich, auf verfassungsrechtlich legalem Weg 1933 an die Macht zu kommen, sollte das Grundgesetz  eine Beseitigung der Demokratie per Mehrheitsentscheid unmöglich machen. Generell kann man im Grundgesetz wegen dieser historischen Erfahrung eine gewisse Skepsis gegenüber plebiszitären Elementen feststellen.

Daher wurde in den Artikeln 1 und 20 in Verbindung mit Artikel 79 Abs. 3 des Grundgesetzes folgender Verfassungskern als unabänderlich (auch nicht durch Mehrheitsbeschluss, sog. „Ewigkeitscharakter“ dieser Artikel) festgeschrieben:

Zentrale Werte der politischen Grundordnung

Mit diesen zentralen Werten wurde eine freiheitliche und demokratische Grundordnung konstituiert, die sich zu einer klaren Wertgebundenheit bekennt, die der Weimarer Verfassung fehlte. Eine Volksabstimmung sollte die neue Grundordnung nach dem Willen der westlichen Besatzungsmächte in Kraft setzen. Weil die Verfassungsväter aber fürchteten, die Teilung Deutschlands staatsrechtlich zu besiegeln, wenn nur in den drei westlichen Besatzungszonen abgestimmt würde (die Sowjetunion lehnte eine solche Abstimmung ab), nannten sie den Entwurf Grundgesetz. Damit sollte betont werden, dass es sich um eine Zwischenlösung bzw. um ein Provisorium handelte; eine endgültige Verfassung wollte man nach der erhofften Wiedervereinigung des unter den Siegermächten geteilten Deutschlands formulieren.

Nach mehrfachen Korrekturen durch die Besatzungsmächte konnte der Entwurf des Parlamentarischen Rates dann am 08.05.1949 in dritter Lesung verabschiedet werden. Am 23.05.1949 wurde das Grundgesetz verkündet.

Erst 42 Jahre später, nämlich am 23.08.1990, wurde die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten möglich, als die neu gewählte Volkskammer der DDR den Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 23 GG beschloss.

Nach der Wiedervereinigung fanden Reformen nur in geringem Umfang statt. Die Mehrheit der Parteien war sich einig, dass am bewährten Grundgesetz so weit wie möglich festgehalten werden sollte.
Eine Volksabstimmung über eine neue Verfassung, die in der politischen Diskussion insbesondere in Ostdeutschland eine Rolle spielte, wurde mehrheitlich abgelehnt.
Die Aufnahme von plebiszitären Elementen, die in allen Landesverfassungen Aufnahme gefunden hat, blieb ebenfalls unberücksichtigt.

Im Einigungsvertrag von 1990 wurde nun ohne Einschränkungen festgestellt, dass „sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben“ habe. „Die Deutschen in den Ländern haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk.“

Was sind Grundrechte?

Als der Parlamentarische Rat die Grundrechte formulierte, stellte er sie an die Spitze des Grundgesetzes. Durch diese herausragende Stellung sollte die fundamentale Bedeutung dieser Rechte betont werden. Sie sind die Basis unserer Rechtsordnung.

Grundrechte sind verfassungsrechtlich gesicherte Rechte, die als Freiheitsrechte individuelle Freiheit vor dem Zugriff des Staates schützen oder als Gleichheitsrechte rechtliche Gleichheit sichern. Sie sind die Folge der in Artikel 1 Abs. 1 GG zum obersten Rechtsprinzip erhobenen Unantastbarkeit der Menschenwürde und binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht (Artikel 1 Abs. 3 Grundgesetz).

Zentrale Werte des Grundgesetzes

Grundrechte werden außer durch das Grundgesetz auch durch die Verfassungen der Länder gewährleistet. Soweit die Landesverfassungen mit denen des Grundgesetzes übereinstimmen, bleiben sie in Kraft. Soweit sie darüber hinausgehen, gelten sie insoweit, als sie nicht gegen Bundesrecht verstoßen; sie dürfen insbesondere Grundrechte nicht stärker einschränken, als es nach dem entsprechenden Grundrecht des Grundgesetzes zulässig ist.

Besonders wichtig ist, dass jedem, der in seinen Grundrechten, verletzt wird, der Rechtsweg offen steht (Artikel 19 Abs. 4 GG). Darüber hinaus kann wegen einer Grundrechtsverletzung Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt werden (Artikel 93 Abs. 1 Nr. 4a GG), im Allgemeinen erst nach Ausschöpfung anderer Rechtsmittel.

Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Grundrechten als Menschenrechten (z. B. Artikel 3 Abs. 1 GG: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“) und Grundrechten als Bürgerrechten (z. B. Artikel 12 Abs. 1 GG: „Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen“), je nachdem, ob sie jedermann oder nur deutschen Staatsbürgern zustehen.

Die Grundrechte sind hauptsächlich Abwehrrechte des Individuums gegen Eingriffe des Staates. Zugleich sind sie Grundentscheidungen, durch die das staatliche Handeln gebunden ist. So ergibt sich z. B. aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG („Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“) nicht nur ein Abwehranspruch des Einzelnen gegen staatliche Maßnahmen, die sein Leben bedrohen, sondern zugleich eine Verpflichtung der Staatsgewalt, das Leben der Bürger zu schützen.

Soziale Grundrechte (z.B. Recht auf Arbeit oder Recht auf Wohnung) enthält das Grundgesetz – im Unterschied zu einigen Landesverfassungen – keine. Der Gesetzgeber ist aber aufgrund von Artikel 20 Abs.1  (Sozialstaatgebot)  verpflichtet, die Voraussetzungen zu schaffen, die eine Inanspruchnahme der Grundrechte ermöglichen. Allerdings steht eine solche Verpflichtung unter dem Vorbehalt des wirtschaftlich und politisch Möglichen. Einklagbare Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen ergeben sich aus diesen Bestimmungen nicht.

Die Grundrechte sind nicht schrankenlos, Grenzen sind dort gezogen, wo sie mit einem Gesetzesvorbehalt versehen sind, durch den der Gesetzgeber ermächtigt wird, Einschränkungen vorzunehmen (z.B. Artikel 8 Abs. 2 GG). Die Grundrechtsbegrenzung ist nur insoweit zulässig, als sie dem Schutz anderer wichtiger Rechtsgüter dient. Sie muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, d.h. die Vorteile (Schutz des anderen Rechtsguts) müssen die Nachteile (Einschränkung des Grundrechts) insgesamt überwiegen. In keinem Fall darf das einschränkende Gesetz den Wesensgehalt des Grundrechts antasten (Artikel 19 Abs. 2 GG).

Grundrechte im Grundgesetz

Die Grundrechte: Artikel 1 bis 19

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