Das Zusammenwachsen der EU

Der Vertrag von Maastricht 1992

Mit dem Vertrag von Maastricht wurde die Struktur der Europäischen Union verändert. Ein Bild, das hier häufig benutzt wird, ist das des europäischen Hauses, das auf drei Säulen ruht. Dieser Aufbau wurde mit den Verträgen von Amsterdam und Nizza nur geringfügig verändert. Wesentlich an diesem Modell war, dass die Europäische Union (EU) kein eigenständiges Rechtssubjekt war, sondern nur eine Dachorganisation für die Einzelstaaten darstellte, die vertragliche Regelungen miteinander hatten.

Die EU ist hier als Rahmen zu verstehen, der die verschiedenen Komponenten der europäischen Integration lediglich zusammenfasste. Im Säulenmodell wird dies durch das Dach repräsentiert, das im Wesentlichen aus den „Gemeinsamen Bestimmungen“ (Art. 1-7 EU-Vertrag) und den „Schlussbestimmungen“ (Art. 46-53 EU-Vertrag) besteht.

1. Säule:
EG als Sammelbegriff für die drei ursprünglichen Europäischen Gemeinschaften, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG, die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl EGKS und EURATOM, sowie die Erweiterungen

2. Säule:
Zusammenarbeit im Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)

3. Säule:
Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS).

Die Handlungsmöglichkeiten der einzelnen EU-Organe in den drei Säulen waren unterschiedlich ausgeprägt. Hiervon war vor allem die Rechtsetzung betroffen, so hatten Parlament und Kommission den größten Einfluss im Bereich der ersten Säule; die beiden anderen Bereiche wurden stärker durch den Rat dominiert.

Das Säulenmodell der EU

Der Vertrag von Lissabon 2009

Mit dem Vertrag von Lissabon wurde das Drei-Säulen-Modell auf der Basis des Maastrichter Vertrags weitgehend abgeschafft.
Wesentliches Ziel des Vertrags von Lissabon war eine Reform des politischen Systems der EU. Die Zusammenarbeit und Koordinationsmechanismen zwischen den Mitgliedsstaaten sollten verstärkt und die Vetomöglichkeiten einzelner Staaten reduziert werden, um die EU nach der Osterweiterung 2004 auf insgesamt 27 Mitgliedsstaaten handlungsfähig zu halten. Daneben sollten auch die Rechte des Europäischen Parlaments gestärkt werden, um die demokratische Legitimation der EU zu erhöhen.
Die EU ist nunmehr als ein einheitlicheres Gebilde anzusehen, die Aufteilung in EG, GASP und PJZS besteht nicht mehr. Die Europäische Union erhielt einen neuen einheitlichen Rechtsrahmen und erhielt als eigenständiges Rechtssubjekt eigene Vollmachten. Vor allem im Bereich PJZS gelten jetzt supranationale Entscheidungen und Entscheidungsverfahren, die die EU in ihrer Handlungsvollmacht stärken.
Lediglich im Bereich GASP gelten noch besondere nationale Vorbehalte, weil die Nationalstaaten im Bereich der Außen- und Verteidigungspoltik wenig Breitschaft zeigen, nationale Kompetenzen abzugeben.
Die Entscheidungsverfahren sind hier noch weitgehend auf nationale Zustimmungen angewiesen.

Wichtige Änderungen durch den Vertrag von Lissabon waren beispielsweise:

  • eine Ausweitung der gesetzgeberischen Zuständigkeiten des Europäischen Parlaments, das nun in den meisten Politikbereichen dem Rat der Europäischen Union (Ministerrat) gleichgestellt wurde;
  • die Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen im Rat der Europäischen Union und die Einführung der doppelten Mehrheit als Abstimmungsverfahren (ab 2014), um die Möglichkeit eines einzelstaatlichen Vetos zu reduzieren;
  • das neue Amt des Präsidenten des Europäischen Rates, der für je zweieinhalb Jahre vom Europäischen Rat ernannt wird, um eine größere Kontinuität in dessen Aktivitäten zu sichern (Art. 15 EU-Vertrag);
  • die Einführung eines „EU-Außenministers“ (unter der Bezeichnung Hoher Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik), der vom Europäischen Rat ernannt wird und zugleich Vorsitzender des Außenministerrats und Vizepräsident der Kommission ist (Art. 18 EU-Vertrag);
  • die Einrichtung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes, der sich aus Beamten der Kommission, des Ratssekretariats und der diplomatischen Dienste aller Mitgliedstaaten zusammensetzt;
  • die Formulierung eines Kompetenzkatalogs, der die Zuständigkeiten der EU deutlicher als bisher definiert;
  • die Institutionalisierung der Verstärkten Zusammenarbeit, durch die eine Gruppe von Mitgliedstaaten untereinander weitergehende Integrationsschritte verwirklichen kann, auch wenn andere sich nicht daran beteiligen;
  • die Ausweitung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP), unter anderem durch den Ausbau der Europäischen Verteidigungsagentur
  • die Ausstattung der EU mit eigener Rechtspersönlichkeit (bislang der EG vorbehalten);
  • den Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 6 EU-Vertrag);
  • die Einführung der Europäischen Bürgerinitiative;
  • eine Verschärfung der EU-Beitrittskriterien;
  • die Regelung des freiwilligen Austritts von Mitgliedstaaten aus der EU.