Gesellschaftlicher Wandel heute
Der Wandel der bundesrepublikanischen Gesellschaft
Unter dem Titel „Leben in Deutschland“ veröffentlichte Theo Sommer in der „Zeit“ vom 02.10.2003 einen Artikel über die Veränderungen der bundesdeutschen Gesellschaft in den letzten 50 Jahren. Er beginnt seinen Artikel mit den zentralen Fragen, die sich auf den Wandel der deutschen Gesellschaft in den letzten 50 Jahren beziehen:
„Wer sind wir Deutschen – und was sind wir? Wie wurden wir, was wir heute sind? Und wohin geht es?“ Die wenigsten Zeitgenossen wissen die Antworten. Auf beunruhigende Weise gewahren wir, dass wir im beschleunigten Wandel der Zukunft entgegenwirbeln. Aber wir können weniger Verlässliches über die Zukunft sagen als alle früheren Generationen. Wer heute in Deutschland 50 Jahre alt ist, kam 1953 auf eine ganz andere Welt als jene, in der wir heute leben. Es war eine Welt, in der – kaum ein Jahrzehnt nach Kriegsende – scheinbar die mühsam wieder gewonnenen Unverrückbarkeiten der großväterlichen Lebensumstände erneut selbstverständliche Geltung besaßen. Der Mensch, so er Mann war, hatte eine vorhersehbare Vollbeschäftigungsbiografie; die Frau sorgte sich um Kinder und Küche. Das Fahrrad war das schnellste Fortbewegungsmittel der meisten, auf deutschen Straßen fuhren erst eine halbe Million Personenwagen (heute sind es fast 100-mal mehr ). Das Fernsehen, damals gerade ein Jahr alt, drang in kaum ein Wohnzimmer. Nach Krieg und Vertreibung – neun Millionen Flüchtlinge aus dem Osten – war jeder glücklich, Wurzeln schlagen und sein Häuschen bauen zu dürfen. Man heiratete früh, wurde mit 25 Vater oder Mutter; Kinder kamen nach Lust und Laune der Natur, Scheidung blieb ein peinliches Missgeschick. Der Kirchgang am Sonntagvormittag war so selbstverständlich wie der Familienspaziergang am Nachmittag. Die Microsoft-Kultur des Bill Gates war nicht einmal eine ferne Ahnung; noch klapperte in den Büros die Schreibmaschine. Diese Welt von 1953 ist dahin. Lebensformen, -führung und -verläufe haben sich seitdem massiv verändert. An die Stelle der Lebensläufe aus einem Guss sind Bastelbiografien getreten, und Patchwork-Verhältnisse an die der übersichtlichen Beziehungsmuster. Die Vita der Menschen zersplittert. Im Beruflichen wie im Privaten wird sie zunehmend aufgespalten in Teilzeit-Etappen, die das Arbeitsleben in eine Abfolge von Durchgangsjobs verwandeln. Lebensgefährten werden zu Lebensabschnittsbegleitern in einem System konsekutiver Polygamie, die alte Haushaltsfamilie wird zum „multilokalen Beziehungsnetzwerk“. Die Kirchen haben an Mitgliedern wie sinnstiftendem Einfluss verloren, die Philosophen finden wenig Gehör. Sieben Trends haben die Entwicklung unserer Gesellschaft im zurückliegenden halben Jahrhundert bestimmt, die in der folgenden Grafik genauer erläutert werden sollen.
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