Impuls und Impulserhaltungssatz
Einführung
Fünf gleiche Kugeln sind so in einer Reihe aufgehängt, dass sie sich berühren. Zunächst heben wir links eine Kugel an und lassen sie auf die anderen prallen.
Die rechte Kugel fliegt in diesem Fall nach rechts weg und erreicht die gleiche Höhe wie die linke. Die mechanische Energie bleibt also erhalten. Warum teilt sich die Energie aber nicht auf zwei oder alle anderen Kugeln auf? Wenn wir zwei Kugeln anheben fliegen rechts auch zwei Kugeln weg, ist das nicht noch merkwürdiger? Offensichtlich genügt der Energieerhaltungssatz in diesem Fall nicht, um das Beobachtete zu erklären oder vorherzusagen. In den nächsten Versuchen werden wir die Anzahl der Stoßpartner auf zwei beschränken.
Versuch 1: Versuchsbeschreibung
Auf einer Luftkissenfahrbahn befinden sich zwei Luftkissengleiter gleicher Masse. Der eine der beiden Gleiter wird angestoßen und bewegt sich auf den anderen, zunächst ruhenden Gleiter zu. An einem der Gleiter ist eine elastische Feder befestigt. Mit zwei Lichtschranken, die an zwei Kurzzeitmesser angeschlossen sind, kann die Geschwindigkeit der Gleiter ermittelt werden.
Versuch 1: Versuchsdurchführung
Versuch 1: Versuchsbeobachtung und -auswertung
Der linke, stoßende Fahrbahnwagen kommt vollständig zum Stehen, der rechte, gestoßene Fahrbahnwagen erhält genau den Geschwindigkeitsbetrag, den der stoßende Wagen vor dem Stoß hatte. Da beide Wagen die gleiche Masse besitzen, hat der linke Wagen seine gesamte Bewegungsenergie an den rechten Wagen abgegeben. Grundsätzlich beobachtet man bei solchen elastischen Stößen die Erhaltung der mechanischen Bewegungsenergie. Die mechanische Energie wäre aber auch dann erhalten geblieben, wenn der linke Wagen nur einen Teil seiner Bewegungsenergie an den rechten Wagen abgegeben hätte. Die restliche Energie wäre dann auf den zweiten Wagen übertragen worden. Wie im Versuch mit dem Stoßpendel reicht der Energieerhaltungssatz (\(\rightarrow\)LB3) nicht aus, um das Beobachtete im voraus zu berechnen. Autoscooter auf Jahrmärkten stoßen weitgehend elastisch, weil sie mit ihrer dicken Gummiumrandung aufeinander prallen, ohne Beulen zu hinterlassen. Herkömmliche Autos können sich bei schweren Zusammenstößen aber verformen oder sogar ineinander verkeilen. Für die Deformation der Fahrzeuge ist aber Energie nötig, diese muss von der Bewegungsenergie kommen. Im nächsten Versuch ahmen wir vollkommen unelastische Stöße nach.
Versuch 2: Versuchsbeschreibung
Auf einer Luftkissenfahrbahn befinden sich zwei Luftkissengleiter gleicher Masse. Im ersten Teilversuch wird der eine der beiden Gleiter angestoßen und bewegt sich auf den anderen, zunächst ruhenden Gleiter zu. Im zweiten Teilversuch werden beide Gleiter mit gleicher Geschwindigkeit aufeinander zubewegt. An den Gleitern ist Knetgummi befestigt, der dafür sorgt, dass die Wagen beim Stoß zusammenkleben, also unelastisch stoßen. Mit zwei Lichtschranken, die an zwei Kurzzeitmesser angeschlossen sind, kann die Geschwindigkeit der Gleiter ermittelt werden.
Versuch 2: Versuchsdurchführung
Versuch 2: Versuchsbeobachtung und -auswertung
Im ersten Teilversuch bewegen sich beide Wagen nach dem Stoß mit dem halben Geschwindigkeitsbetrag weiter. Vorgriff: Die mechanische Bewegungsenergie bleibt nicht erhalten, nach dem Stoß ist nur noch die halbe Bewegungsenergie vorhanden. Die restliche Energie wurde bei der Verformung des Knetgummis in Wärmeenergie umgewandelt. Genauer gesagt: Damit die beiden Körper zusammenbleiben können, muss ein (maximaler) Anteil an Bewegungsenergie in Verformung und letztendlich in Wärme umgewandelt werden. Bei vollkommen unelastischen und auch bei teilelastischen Stößen gilt also der Satz von der Erhaltung der mechanischen Energie nicht (\(\rightarrow LB3\)). Bestätigt wird dies nochmals im zweiten Teilversuch, hier wird die gesamte mechanische Bewegungsenergie in Wärmeenergie umgewandelt. Wieder können wir, mit den uns im Augenblick zur Verfügung stehenden Mitteln, keine Aussage über die Geschwindigkeit nach dem Stoß machen. Wir sehen deshalb zunächst von energetischen Betrachtungen ab und überlegen uns, was während eines Stoßes mit den aufeinander wirkenden Kräften passiert.
Herleitung des Impulserhaltungssatzes:
Zusammenfassung
Das Produkt aus Geschwindigkeit und Masse eines Körpers wird in der Physik als Impuls bezeichnet. Es wird definiert:
Unter dem Impuls \(\vec{p}\) eines Körpers mit der Masse m und dem Geschwindigkeitsvektor \(\vec{v}\) versteht man die Vektorgröße
\(\vec{p}=m \cdot \vec{v}\) mit der Einheit \([p]=1 \; \frac{kg \cdot m}{s}=1 \; Ns\)
Unabhängig davon, wie zwei oder mehrere Körper miteinander wechselwirken, bleibt die Summe der Impulse in einem geschlossenen System erhalten. Dies folgt aus dem dritten Newton’schen Gesetz (actio = reactio).
\(\vec{p}_1+\vec{p}_2=\vec{p}’_1+\vec{p}’_2 \;\;\; Impulserhaltungssatz\)
\(„Impulse\;vorher\;=\;Impulse\;nachher“\)
Der Impulserhaltungssatz gilt für die vektorielle Größe \(\vec{p}\) des Impulses, d.h. er besitzt nicht nur einen Betrag („Impulskoordinate“) sondern auch eine Richtung. Weiter unten auf der Seite werden nochmals die Impulsdiagramme der eindimensionalen Versuche 1, 2a und 2b dargestellt und beschrieben.
Der Kraftstoß
Die Einheit \([p]=1\;Ns\) für den Impuls ist besser zu verstehen, wenn man den Begriff des Kraftstoßes einführt. Nimmt man an, dass sich bei einer Krafteinwirkung die Geschwindigkeit eines Objekts gleichmäßig über das Stoßzeitintervall \(\Delta t\) verändert, so gilt:
\(F=m \cdot a \rightarrow F=m \cdot \frac{\Delta v}{\Delta t}\)
Nun bringt man \(\Delta t\) auf die linke Seite:
\(F \cdot \Delta t = m \cdot \Delta v \;\;\;\;\;Kraftstoß=Impulsänderung\)
Übt man über einen Zeitraum \(\Delta t\) eine Kraft \(F\) auf einen Körper aus, so erzeugt man eine Impulsänderung \(\Delta p = m \cdot \Delta v\).
Der Kraftstoß \(F \cdot \Delta t \) mit der Einheit \(1 \; Ns\) ist also identisch mit der Impulsänderung \(\Delta p\) mit der Einheit \([p]=1 \; \frac{kg \cdot m}{s}\).
Beispiel: Man möchte die Kraft abschätzen, die auf einen Golfball beim Abschlag wirkt. Die höchsten Abschlagsgeschwindigkeiten eines Golfballs der Masse \(m \approx 46\;g\) liegen bei etwa \(v \approx 340 \frac{km}{h} \approx 94\frac{m}{s}\).
In einem Zeitlupenvideo wird beschrieben, dass bei einer Kamera mit 22000 Bildern pro Sekunde etwa 10 Bilder der Schlageinwirkung zu sehen sind. Dies entspricht also einer Aufprallzeit von \(\Delta t=\frac{10\;Bilder}{22000\frac{Bilder}{Sekunde}} \approx 0,45\;ms\).
Daraus ist die Krafteinwirkung berechenbar: \(F=m \cdot \frac{\Delta v}{\Delta t}=0,046\;kg \cdot \frac{94\frac{m}{s}}{0,00045\;s}=9609\frac{kg\;m}{s^2}\approx 9,6\;kN\).
Erläuterungen zu den Impulsdiagrammen
Der Impuls \(\vec{p}\) eines Objekts ist eine vektorielle Größe, er besitzt also eine Länge und eine Richtung. Dies kann man sich zunutze machen, um auch komplexe Stoßvorgänge zweier Körper darzustellen. Hier werden zunächst nochmals die Impulspläne der eindimensionalen Stoßvorgänge der Versuche 1, 2a und 2b vorgestellt. Im folgenden Kapitel sollen dann auch zweidimensionale Stöße (z.B. Billardstoß) behandelt werden.
Versuch 1: Nimmt man für beide Fahrbahngleiter eine Masse von \(m=100\;g\) und berechnet die Geschwindigkeit des linken Gleiters zu \(v_1=\frac{1\;cm}{20\;ms}=0,5\frac{m}{s}\), so berechnet sich der Impuls des linken Gleiters vor dem Stoß zu \(p_1=0,1\;kg \cdot 0,5\frac{m}{s}\). Hier bietet sich ein Maßstab von \(0,01\;Ns\;\widehat{=}\;1\;cm\):

Der Impuls des linken Gleiters entspricht dem Gesamtimpuls bei diesem Stoß. Besitzen die Stoßpartner gleiche Massen, so geht beim vollelastischen Stoß der Impuls komplett auf den zweiten Stoßpartner, hier den rechten Gleiter, über.
Versuch 2a: Auch hier gilt der Impulserhaltungssatz \(„Impulse\;vorher\;=\;Impulse\;nachher“\). Der Gesamtimpuls dieses Stoßes steckt in der Bewegung des linken Gleiters mit \(p_1=0,05\;Ns\) (siehe oben). Nach dem Stoß bewegen sich beide Gleiter gemeinsam weiter und besitzen zusammen denselben Gesamtimpuls von \(p’=0,05\;Ns\). Rechnerisch gilt also:
\(m_1 \cdot v_1 + m_2 \cdot v_2 =(m_1+m_2) \cdot u\)
mit \(v_2=0\) und der gemeinsamen Geschwindigkeit \(u\) beider Gleiter nach dem Stoß.
Also: \(0,05\;Ns=0,2\; kg \cdot u\).
Somit berechnet sich die Geschwindigkeit nach dem Stoß zu \(u=\frac{0,05\;Ns}{0,2\;kg}=0,25\frac{m}{s}\).
Vektoriell gilt:

Versuch 2b: Diesmal steckt der Gesamtimpuls vor dem Stoß in den Bewegungen beider Gleiter. Im Impulsdiagramm ist sichtbar, dass die beiden Gleiter entgegengesetzte und vom Betrag her gleich große Impulse besitzen. Durch die Knetmasse handelt es sich um einen vollkommen unelastischen Stoß und die beiden Gleiter bleiben nach dem Stoß zusammen. Es gilt also:
\(p_1+p_2=p_{ges}\)
\(m_1 \cdot v_1 + m_2 \cdot v_2 =(m_1+m_2) \cdot u\)
Mit \(p_1=0,05\;Ns\) (siehe oben) und \(p_2=-0,05\;Ns\) (Minus-Zeichen!) berechnet sich der Gesamtimpuls zu
\(0,05\;Ns+ (-0,05\;Ns)=p_{ges}=0\;Ns=(0,1\;kg+0,1\;kg) \cdot u\).
Somit ist schon rein rechnerisch gezeigt, warum sich in diesem Versuch beide Gleiter nach diesem unelastischen Stoß nicht mehr bewegen.
