Beschreibung von Bewegungen – Wissen anwenden

Komplexe Bewegungen

Um die Prinzipien komplexer Bewegungen zu verdeutlichen, wird weltweit an Hochschulen ein spezieller Versuch gezeigt: Der sogenannte „Affenschuss“ oder, im englischen, „Shoot the Monkey“. Dieser Versuch ist ideal, um mehrere Erkenntnisse zum Thema Bewegungen zu erhalten.

Die erzählte Geschichte hinter dem Versuch ist dabei stets die Gleiche:
Ein Jäger zielt mit einem Gewehr auf einen an einem Ast hängenden Affen. Der Affe lässt allerdings exakt zu dem Zeitpunkt den Ast los, an dem der Jäger seinen Schuss abfeuert. Die Frage die der Versuch beantworten soll lautet also: „Kann der Affe durch das Loslassen des Astes dem Schuss ausweichen oder wird er unglücklicherweise doch getroffen?“

Sehen Sie sich hier den aufgezeichneten Versuch der Harvard University an:

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Wie Sie feststellen konnten, wurde im Versuch der Stoffaffe tatsächlich im freien Fall getroffen.
Um die Bewegungen bei diesem speziellen Versuchsaufbau genau analysieren zu können, wird Ihnen hier ein maßstabsgetreues Analyseprogramm zur Verfügung gestellt:

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Analyse der Bewegungen im Affenschuss-Versuch

In diesem Geogebra-Programm wird der Affe durch eine fallende Kugel (Fallkugel) ersetzt. Es wird nun beobachtet, ob sich Geschosskugel und Fallkugel im Flug/Fall treffen.

Die Analyse mit diesem Programm soll auf der einen Seite möglichst viele Freiheiten bieten, andererseits viele Lerninhalte umfassend darbieten. Nehmen Sie sich deshalb genügend Zeit und arbeiten Sie die folgenden Punkte gewissenhaft nacheinander ab:

Aufgaben:

1. Drücken Sie auf den Knopf [Reset] und setzen Sie den Haken beim Kästchen [Animation Ein/Aus].
Beschreiben Sie das gewählte Bezugssystem sowie die Bewegungen der beiden Objekte im Koordinatensystem.

2. Nehmen Sie die Haken bei [y-Geschwindigkeit] und [Resultierende Geschwindigkeit] heraus. Erläutern Sie, wie sich der Geschwindigkeitspfeil (Vektor) des Geschosses in x-Richtung verhält.

Wiederholen Sie die Vorgehensweise für jeden Geschwindigkeitsvektor.

3. Schalten Sie die Funktion [Stroboskop] ein. Als Stroboskop bezeichnet man in der Physik Lichtblitze, die in bestimmten Zeitintervallen aufleuchten und einen kurzen Zeitpunkt eines Experiments als Bild darstellen. Hält man jedes Bild fest, z.B. durch Fotografieren, so erhält man eine Stroboskopaufnahme (ähnlich einer Serienaufnahme beim Fotografieren). Erläutern Sie die hier entstehende Stroboskopaufnahme.

4. Klicken Sie auf [mehr Einstellmöglichkeiten] . Die Werte für die einzelnen Geschwindigkeiten werden nun angezeigt. Erläutern Sie die beobachteten Zahlenwerte.

5. Nutzen Sie den Knopf [Stroboskopbild für x- und y-Achse getrennt darstellen] und sehen sich nochmals an, wie die Bewegung des Geschosses eine Überlagerung aus einer konstanten Geschwindigkeit in x-Richtung und einer beschleunigten Bewegung in y-Richtung darstellt (siehe Aufgabe 2)).

6. Drücken Sie [Reset] und setzen Sie die Abschussgeschwindigkeit auf 8 m/s (bzw. 20 m/s). Tipp: Verändern Sie bei Bedarf das Zeitintervall des Stroboskops sinnvoll. Experimentieren Sie, ob es eine Abschussgeschwindigkeit gibt, bei der das Geschoss die Fallkugel nicht trifft.

7. Drücken Sie [Reset]. Beachten Sie, dass die Abschussgeschwindigkeit nun wieder 13 m/s beträgt. Berechnen Sie die Gleichung der Parabelbahnkurve p(x), die das Geschoss durchläuft.

8. Verändern Sie den Abschusswinkel der Geschosskugel. Ermitteln Sie, ob sich die beiden Kugeln durch eine geeignete Abschussgeschwindigkeit trotzdem treffen können.

9. Überlagerung der Geschwindigkeiten bei der Geschosskugel:

Bitte ändern Sie die Abschussgeschwindigkeit auf 9 m/s.

Erstellen Sie je eine Wertetabelle für die Momentangeschwindigkeitskoordinaten der x-Richtung und y-Richtung der Geschosskugel, wobei nach oben bzw. rechts positive Werte und nach unten negative Werte verwendet werden. Erstellen Sie ebenfalls eine Wertetabelle für den Betrag der resultierenden Geschwindigkeit der Geschosskugel.

Zeichnen Sie alle drei t-v-Diagramme für das Zeitintervall 0\:s\leq t\leq 1\:s. Erklären Sie anhand der Graphen, wie x-Geschwindigkeitskoordinate, y-Geschwindigkeitskoordinate und resultierende Geschwindigkeit miteinander verknüpft sind.

10. Erstellen Sie zusätzlich eine Wertetabelle für den Betrag der Momentangeschwindigkeitskoordinate der Fallkugel.

Zeichnen Sie die Graphen für die Beträge der resultierenden Geschwindigkeiten der Geschosskugel und der Fallkugel in ein gemeinsames t-v-Diagramm für das Zeitintervall 0\:s\leq t\leq 1\:s.

Ermitteln Sie aus dem Diagramm die zurückgelegten Gesamtwege der beiden Kugeln und deren mittlere Geschwindigkeiten.

11. Verwenden Sie das t-v-Diagramm aus der Lösung von Aufgabe 10 und drücken Sie auf . Stellen Sie eine Abschussgeschwindigkeit von 5,0 m/s und einen Abschusswinkel von 90° ein. Erklären Sie das entstehende Bild.

Lösungen

Die Geschosskugel bzw. die Kanone stehen im Ursprung des Koordinatensystems. Die Richtungen oben und rechts sind positiv gewählt, links und unten negativ.
Die Fallkugel befindet sich im freien Fall. Sie startet von der Ruhelage aus und beschleunigt mit der Erdbeschleunigung g=9,81 \: m/s^2. Das Geschoss beschreibt einen schiefen Wurf und befindet sich auf einer Parabelbahn. (Nachzulesen auf https://www.leifiphysik.de/mechanik/waagerechter-und-schrager-wurf)

Der Geschwindigkeitsbetrag in x-Richtung bleibt stets konstant, deswegen verändert der Geschwindigkeitsvektor auch seine Länge nicht. Auf das Geschoss wirkt in x-Richtung keine Kraft, weswegen es keine Beschleunigung/Verzögerung in diese Richtung erfährt.

Auf beide Objekte wirkt in y-Richtung die Schwerkraft. Durch diese Kraft erfahren beide Objekte eine Beschleunigung mit g=9,81 \: m/s^2 nach unten. Die Fallkugel beschleunigt aus der Ruhe heraus nach unten.  Das Geschoss beginnt mit einer Anfangsgeschwindigkeit nach oben, wird bis zum Stillstand verzögert und beschleunigt dann ebenfalls nach unten.
Die resultierende Geschwindigkeit des Geschosses ist eine Überlagerung der konstanten Geschwindigkeit in x-Richtung und der beschleunigten Bewegung in y-Richtung.

In Zeitintervallen von \Delta t=0,05 \: s wird der jeweilige Ort der sich bewegenden Körper festgehalten. Während beim Geschoss die Parabelbahn erkennbar wird, ist bei der Fallkugel der freie Fall zu sehen: Da die Geschwindigkeit bei der beschleunigten Bewegung immer größer wird, nehmen auch die Abstände zwischen zwei aufeinanderfolgenden Bildern zu.

Die Werte für die Geschwindigkeiten sind als Beträge angegeben, sie sind also stets positiv. Sie entsprechen der Länge der jeweiligen Vektorpfeile. Eine Geschwindigkeit in der Physik besteht immer aus den beiden Komponenten Geschwindigkeitsbetrag und Richtung, weswegen die Geschwindigkeit durch einen Vektorpfeil repräsentiert wird. Bei Rechnungen muss man beachten, dass Geschwindigkeiten in negative Richtung (meist nach links oder unten) auch mit negativen Zahlenwerten eingesetzt werden müssen.
Beispiel: Die Fallkugel besitzt nach 1 Sekunde die Geschwindigkeit v_y=-9,81 \: m/s, da das Koordinatensystem nach unten negative Werte aufweist.
In jedem Stroboskopbild besitzen die Objekte eine sogenannte Momentangeschwindigkeit, also eine nur exakt für diesen Zeitpunkt geltende Geschwindigkeit.

siehe Aufgabe 2

Visiert man die Fallkugel an, im Experiment also mit dem Abschusswinkel 23°, so treffen sich Geschosskugel und Fallkugel bei jeder Abschussgeschwindigkeit (>0 m/s).
Erklärung: Ohne Schwerkraft würde das Geschoss in gerader Linie auf das Ziel zufliegen. Die Beschleunigung durch die Erdanziehung wirkt allerdings auf beide Kugeln gleichermaßen und überlagert den geradlinigen Zielanflug gleichmäßig. Beachte: Ein mitbewegter Beobachter sieht das Geschoss also auf gerader Linie fliegen. Dies ist im YouTube-Video erkennbar: Aus der Perspektive des Stoffaffen fliegt das Geschoss in gerader Linie auf die Kamera zu (Bei Zeitindex 52 Sekunden).

Errata: Die letzte Gleichung muss mit Einheiten wie folgt lauten:

\(y(x) \approx 0,424 \cdot x – 0,034 \frac{1}{m} \cdot x^2\)

Setzt man nun einen Wert \(x\) in Metern ein, so erhält man auch einen Wert \(y\) in Metern.

Ein genau mittiger Treffer ist ausschließlich mit dem Abschusswinkel 23° erreichbar, wenn also die Fallkugel direkt anvisiert wird. Ist der Winkel zu weit von 23° entfernt, können sich die beiden Kugeln auch bei veränderter Abschussgeschwindigkeit niemals treffen.

Die Koordinaten (Zeitpunkt in s, Geschwindigkeit in m/s) entnehmen Sie aus dem Experiment oder aus diesen Diagrammen: Mit diesem Link in separatem Fenster öffnen

Die Geschwindigkeit in x-Richtung bleibt beim Geschoss stets konstant. In y-Richtung ist die Geschwindigkeit zuerst positiv (nach oben), bremst dann bis zu 0 m/s ab und wird danach negativ (nach unten). Es ist eine komplexe überlagerte Bewegung zu erkennen, bei der die Kugel auf ihrem Parabelflug durch die Erdbeschleunigung zuerst nach oben abgebremst und anschließend nach unten beschleunigt wird – dabei nimmt die resultierende Geschwindigkeit zuerst ab und steigt anschließend wieder. Wenn die y-Geschwindigkeit den Wert 0 m/s annimmt, ist der Betrag der resultierenden Geschwindigkeit und die x-Geschwindigkeit der Geschosskugel identisch.

Die Koordinaten (Zeitpunkt in s, Geschwindigkeit in m/s) entnehmen Sie aus dem Experiment oder aus diesen Diagrammen: Mit diesem Link in separatem Fenster öffnen

Die Beträge der Momentangeschwindigkeiten beider Kugeln ändern sich zu jedem Zeitpunkt. Bei der Fallkugel ist eine ideale beschleunigte Bewegung aus der Ruhe heraus erkennbar, bei der der Geschwindigkeitsbetrag linear mit der Steigung 9,81 m/s² zunimmt. Bei der Geschosskugel ist eine komplexe überlagerte Bewegung zu erkennen, bei der die Kugel auf ihrem Parabelflug durch die Erdbeschleunigung zuerst nach oben abgebremst und anschließend nach unten beschleunigt wird – dabei nimmt die resultierende Geschwindigkeit zuerst ab und steigt anschließend wieder.

Die Fläche unter dem Graphen im t-v-Diagramm repräsentiert den gesamten zurückgelegten Weg der jeweiligen Kugel. Die Fallkugel besitzt beim Start eine Momentangeschwindigkeit von 0 m/s und beschleunigt innerhalb einer Sekunde gleichmäßig auf 9,81 m/s. Es ist ersichtlich, dass der Betrag ihrer Durchschnittsgeschwindigkeit deshalb \bar_F=\frac=4,905\frac\approx 4,91\frac  beträgt. In dieser einen Sekunde legt sie deshalb auch 4,91 Meter zurück.

Umgekehrt berechnet sich die Flächenmaßzahl beim Graphen für die Geschosskugel bei Standardeinstellungen zu 8,85. Das bedeutet, dass die Parabelbahn des Geschosses 8,85 Meter lang ist. Da dieser Weg genau in einer Sekunde zurückgelegt wurde ist der Betrag der Durchschnittsgeschwindigkeit der Geschosskugel auch \bar_G=\frac=8,85\:\frac.

Die Geschosskugel wird senkrecht nach oben abgeschossen. Der Betrag ihrer Momentangeschwindigkeit reduziert sich beim Aufsteigen zuerst auf 0 m/s und vergrößert sich beim Herunterfallen wieder. Wäre die Erdbeschleunigung g genau 10 m/s², so würde die Geschosskugel bei einer Startgeschwindigkeit von 5,0 m/s genau eine halbe Sekunde steigen (1,25 Meter hoch -> Nachrechnen!) und wieder eine halbe Sekunde fallen. Durch g=9,81 \: m/s^2ist der Vorgang nicht ganz symmetrisch.