Überlagerung von Bewegungen

Addition von Geschwindigkeiten

Eine Person bewege sich einmal mit, das andere mal gegen die Bewegungsrichtung eines Transportbandes (z.B. an einem größeren Flughafen). Offensichtlich spielen die Richtungen, mit denen sich Person und Transportband bewegen, eine ausschlaggebende Rolle. Die Ortsänderung \(\Delta x\) ist eine vektorielle Größe, und damit ist auch die Geschwindigkeit ein Vektor:

\(\boxed{\vec{v}=\frac{\Delta \vec{x}}{\Delta t}}\)

Für die Addition von Geschwindigkeiten gilt damit:

\( \boxed{\vec{v}=\vec{v}_1+\vec{v}_2} \;\;\;\;\;Vorsicht!!\;Vektoraddition!\)

Im obigen Beispiel ist die Vektoraddition relativ einfach, weil die Geschwindigkeitsvektoren der Person und des Transportbandes auf einer Linie liegen. Komplizierter wird es im Beispiel unten. Bei der Fahrt eines Bootes in einem fließenden Gewässer überlagern sich die Eigengeschwindigkeit des Bootes und die Fließgeschwindigkeit des Wassers.

Liegen die Vektoren der Eigengeschwindigkeit und des Wasser in einer Linie, genügt es, die Beträge der Geschwindigkeiten zu addieren oder zu subtrahieren, um den Betrag der resultierenden Geschwindigkeit zu ermitteln.

Bei der Fahrt gegen die Strömung ergibt sich:

\( v_{Res}=v_{Eigen}-v_{Wasser}=3,0\frac{m}{s}-2,0\frac{m}{s}=1,0\frac{m}{s}\)

Bei der Fahrt mit der Strömung ergibt sich:

\( v_{Res}=v_{Eigen}+v_{Wasser}=3,0\frac{m}{s}+2,0\frac{m}{s}=5,0\frac{m}{s}\)

Stehen die Vektoren senkrecht aufeinander, kann der Betrag der resultierenden Geschwindigkeit mit dem Satz des Pythagoras berechnet werden:

\( v_{Res}^2=v_{Eigen}^2+v_{Wasser}^2\)

\( v_{Res}=\sqrt{v_{Eigen}^2+v_{Wasser}^2}=\sqrt{(3,0\frac{m}{s})^2+(2,0\frac{m}{s})^2}=3,6\frac{m}{s}\)

Fährt das Boot so, dass es sich genau senkrecht zur Strömung bewegt, stehen die Vektoren auch senkrecht aufeinander:

\( v_{Eigen}^2=v_{Res}^2+v_{Wasser}^2\)

\( v_{Res}=\sqrt{v_{Eigen}^2-v_{Wasser}^2}=\sqrt{(3,0\frac{m}{s})^2-(2,0\frac{m}{s})^2}=2,2\frac{m}{s}\)

In allen anderen Fällen kann man den Cosinussatz verwenden oder man addiert die Vektoren grafisch, indem man die Vektorpfeile maßstäblich zeichnet.

Senkrechter Wurf nach oben

Eine Person, die sich in einem Aufzug mit der konstanten Geschwindigkeit v0 nach oben bewegt (rechts blau gezeichnet), beobachtet beim Loslassen eines Balls dessen freien Fall. Eine Person ausserhalb (rechts grün gezeichnet), beobachtet, wie der Ball zunächst steigt, bis seine Geschwindigkeit 0 beträgt, um sich dann wieder nach unten zu bewegen. Beim senkrechten Wurf überlagern sich also zwei Bewegungen:

a) Gleichförmig nach oben, also mit der konstanten Geschwindigkeit v0:

\(y=v_0 \cdot t \;\;\;\; v=v_0 \;\;\;\; a=0\)

b) Gleichmäßig beschleunigt nach unten (deshalb das Minuszeichen) mit der Beschleunigung g:

\(y=-\frac{1}{2}\cdot g \cdot t^2 \;\;\;\; v=-g \cdot t \;\;\;\; a=-g\)

Die Überlagerung beider Bewegungen wird daher beschrieben durch die Bewegungsgleichungen:

\(y=-\frac{1}{2}\cdot g \cdot t^2+v_0 \cdot t \;\;\;\; v=-g \cdot t + v_0\;\;\;\; a=-g\)

Im höchsten Punkt der Bahn ist die Geschwindigkeit des Körpers 0. Damit können wir die Steigdauer T berechnen, die der Körper benötigt, um den höchsten Punkt seiner Bahn zu erreichen:

\( 0=-g \cdot T + v_0\) und somit \( T=\frac{v_0}{g}\)

Setzen wir die Gleichung für die Steigdauer in die t-y-Gleichung ein, erhalten wir die Wurfhöhe H:

\(H=-\frac{1}{2} \cdot g \cdot T^2+ v_0 \cdot T=-\frac{1}{2} \cdot g \cdot (\frac{v_0}{g})^2+ v_0 \cdot (\frac{v_0}{g})=-\frac{1}{2} \cdot g \cdot \frac{v_0^2}{g^2}+ \frac{v_0^2}{g}\)

\(H=\frac{1}{2} \cdot \frac{v_0^2}{g}\)

Für die Bestimmung der Geschwindigkeit eines Körpers in Abhängigkeit von seiner Momentanhöhe stellen wir die t-v-Gleichung nach t um und setzen in die t-y-Gleichung ein:

\( t=\frac{v_0-v}{g}\)

\(y=-\frac{1}{2} \cdot g \cdot t^2 + v_0 \cdot t=-\frac{1}{2} \cdot g \cdot \left ( \frac{v_0-v}{g}\right )^2 + v_0 \cdot \left ( \frac{v_0-v}{g}\right )=-\frac{v_0^2-2 \cdot v_0 \cdot v + v^2}{2 \cdot g}+\frac{v_0^2-v_0 \cdot v}{g}\)

\( y= \frac{1}{2 \cdot g} \cdot (-v_0^2+2 \cdot v_0 \cdot v-v^2+2 \cdot v_0^2-2 \cdot v_0 \cdot v) \)

\(2 \cdot g \cdot y=v_0^2-v^2\)

\(v=\sqrt{v_0^2-2 \cdot g \cdot y}\)

Setzt man die Steigdauer in die t-v-Gleichung ein, so erhält man die Geschwindigkeit des Körpers, wenn er wieder an der Abwurfstelle vorbei kommt:

\( v=-g \cdot t + v_0=-g \cdot \left ( 2 \cdot \frac{v_0}{g}\right )+v_0=-v_0\)

Die Geschwindigkeit entspricht vom Betrag her der Anfangsgeschwindigkeit. Die Wurfbahn im t-y-Diagramm verläuft symmetrisch. Der zweite Teil des senkrechten Wurfes entspricht einem freien Fall aus der Höhe H.

Senkrechter Wurf – Beispiel

Eine Kugel wird mit der Anfangsgeschwindigkeit \( v_0 = 20,0 \frac{m}{s}\) senkrecht nach oben abgeschossen. Zeichnen Sie ein Diagramm, das die Höhe der Kugel in Abhängigkeit der Zeit darstellt. Welche Höhe erreicht die Kugel maximal? Berechnen Sie, wie lange es dauert, bis die Kugel wieder an die Abwurfstelle gelangt.

Lösung:

Für die Zeichnung verwenden wir die gefundene Bewegungsgleichung:

\(y=-\frac{1}{2} \cdot g \cdot t^2 + v_0 \cdot t = -\frac{1}{2} \cdot 9,8 \frac{m}{s^2} \cdot t^2+20,0\frac{m}{s}\)

Bevor wir das Koordinatensystem zeichnen, berechen wir die Wurfhöhe und den Zeitpunkt, zu dem die Kugel wieder an die Abwurfstelle gelangt:

\(H=\frac{1}{2} \cdot \frac{v_0^2}{g}=\frac{1}{2} \cdot \frac{\left ( 20,0\frac{m}{s} \right )^2}{9,8 \frac{m}{s^2}}=20,4\;m\)

\(t=2 \cdot T=2 \cdot \frac{v_0}{g}=2 \cdot \frac{20,0\frac{m}{s}}{9,8\frac{m}{s^2}}=4,1\;s\)

Bewegung mit Anfangsgeschwindigkeit nach unten

Nachdem wir den senkrechten Wurf nach oben betrachtet haben, liegt es nahe, den senkrechten Wurf nach unten zu untersuchen. Die einzige Änderung gegenüber dem senkrechten Wurf nach oben ist die, dass die Anfangsgeschwindigkeit entgegengesetzt gerichtet ist. Es überlagert sich eine Fallbewegung (\(y = \frac{1}{2} \cdot g \cdot  t^2\)) mit einer gleichförmigen Bewegung (\(y = v_0 \cdot t\)). Damit erhalten wir für die Falltiefe und die Momentangeschwindigkeit die folgenden Gleichungen:

\(y=\frac{1}{2} \cdot g \cdot t^2+v_0 \cdot t\) und \(v=g \cdot t =v_0\)

Mit den Gleichungen können wir ausrechnen, welche Falltiefe und welche Momentangeschwindigkeit ein Körper zum Zeitpunkt \(t\) besitzt. Interessant wäre aber auch noch eine Gleichung, mit der die Momentangeschwindigkeit des Körpers in Abhängigkeit von der Falltiefe bestimmt werden kann. Wir gewinnen diese Gleichung, indem wir aus den beiden obigen Gleichungen die Zeit \(t\) eliminieren. Zu diesem Zweck stellen wir eine Gleichung nach \(t\) um und setzen in die andere Gleichung ein:

\(t=\frac{v-v_0}{g}\) in \(y=\frac{1}{2} \cdot g \cdot t^2+v_0 \cdot t\) ergibt

\(y=\frac{1}{2} \cdot g \cdot \left ( \frac{v-v_0}{g} \right )^2+v_0 \cdot \left ( \frac{v-v_0}{g} \right )\)

Ausmultipliziert wird daraus

\( y= \frac{1}{2 \cdot g} \cdot \left ( v^2-2\cdot v \cdot v_0 + v_0^2 \right ) +\frac{1}{g} \cdot \left ( v_0 \cdot v-v_0^2 \right ) | \cdot 2g\)

\( 2 \cdot g \cdot y = v^2-2 \cdot v \cdot v_0 +v_0^2 + 2 \cdot v_0 \cdot v -2 \cdot v_0^2 \)

Ausgerechnet ergibt dies

\( 2 \cdot g \cdot y=v^2-v_0^2\) und letztendlich

\(v^2=2 \cdot g \cdot y +v_0^2\)

Allgemeine Bewegungsgleichungen bei konstanter Beschleunigung

Was wäre, wenn wir den Körper nicht auf der Erde, sondern auf dem Mond abgeworfen hätten? Es ist leicht einzusehen, dass wir den Betrag für die Fallbeschleunigung auf der Erde durch den Betrag für die Fallbeschleunigung auf dem Mond ersetzen müssten. Wir können aber noch weiter verallgemeinern. Die Gleichungen für Ort und Geschwindigkeit eines beschleunigten PKW unterscheiden sich von denen des senkrechten Wurfs nach unten auch nur durch den Betrag der Beschleunigung. Wir ersetzen die Fallbechleunigung \(g\) durch die Beschleunigung \(a\):

\( \boxed{a(t)= const.} \;\;\;\;konstante \; Beschleunigung \; zu \; jedem \; Zeitpunkt \)

\( \boxed{v(t)= a \cdot t + v_0} \;\;\;\;Geschwindigkeit \; zu \; jedem \; Zeitpunkt \)

\( \boxed{s(t)= \frac{1}{2} \cdot a \cdot t^2 + v_0 \cdot t +s_0} \;\;\;\;Ort \; zu \; jedem \; Zeitpunkt \)

\( \boxed{v^2-v_0^2= 2 \cdot a \cdot (s-s_0)} \;\;\;\;zeitunabhängige \; Bewegungsgleichung \)

\(s_0\) entspricht der Koordinate des Körpers zum Zeitpunkt \(t=0\).

\(v_0\) entspricht der Geschwindigkeit des Körpers zum Zeitpunkt \(t=0\), also der Anfangsgeschwindigkeit.

\(a\) ist die konstante Beschleunigung, die der Körper während der Bewegung erfährt.

Mit den obigen Gleichungen können wir die unterschiedlichsten Bewegungsvorgänge beschreiben, wir müssen allerdings darauf achten, \(s_0\), \(v_0\) und a vom Betrag und vom Vorzeichen her richtig einzusetzen.

Allgemeine Bewegung – Beispiel

Ein PKW fährt mit der konstanten Geschwindigkeit \(v = 54 \frac{km}{h}\) einen Berg mit der Steigung \(\alpha = 8,8^{\circ}\) hinauf. Zum Zeitpunkt \(t=0\) kuppelt der Fahrer aus, wodurch der PKW jetzt den Berg hinauf den Weg \(x\) rollt. Dabei erfährt der PKW eine abbremsende Beschleunigung von \(a=-1,50\frac{m}{s^2}\).

Zeichnen Sie das t-a-, t-v- und das t-x-Diagramm für den gegebenen Fall im Intervall von 0 s bis 25 s. Lesen Sie aus den Diagrammen ab, zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort der Wagen die Geschwindigkeit \(v=0\) besitzt. Die Reibung sei bei dieser Aufgabe vernachlässigbar.

Lösung:

Vor dem Auskuppeln waren die Kraft des Motors und die Hangabtriebskraft vom Betrag her gleich groß, aber entgegengesetzt gerichtet. Wäre das nicht der Fall gewesen, wäre der PKW nicht mit konstanter Geschwindigkeit gefahren, sondern hätte eine Beschleunigung erfahren. Nach dem Auskuppeln fällt die Kraft des Motors weg und der Wagen wird durch die Hangabtriebskraft abgebremst. Dieses Abbremsen ist gleichbedeutend mit einer Geschwindigkeitsabnahme, deshalb sagt man auch, der Wagen wird negativ beschleunigt. Die Beschleunigung berechnet sich zu (vgl. Kapitel über Kräfte):

\( a=-\frac{F_H}{m}=-\frac{m \cdot g \cdot sin(\alpha)}{m}=-g \cdot sin(\alpha)=-9,8\frac{m}{s^2} \cdot sin(8,8^{\circ})=-1,50\frac{m}{s^2}\)

Da die Beschleunigung konstant ist, brauchen wir im t-a-Diagramm nur eine waagrechte Linie einzeichnen.

Die Geschwindigkeit besitzt zum Zeitpunkt \(t=0\) den Betrag \(\frac{54}{3,6}\frac{m}{s} = 15,0 \frac{m}{s}\). Anschließend nimmt wegen der negativen Beschleunigung der Betrag in jeder Sekunde um den Wert \(1,50 \frac{m}{s}\) ab:

\( v=a \cdot t +v_0\)

\(v=-1,50 \frac{m}{s^2} \cdot t + 15,0 \frac{m}{s}\)

Den Graphen im t-v-Diagramm können wir zeichnen, indem wir von \(v_0\) aus eine Gerade mit der Steigung \(-1,5 \frac{m}{s^2}\) antragen, oder indem wir mit Hilfe der obigen Gleichung eine Wertetabelle erstellen, in der wir die Geschwindigkeit des PKW für verschiedene Zeiten eintragen. Der Ort, an dem sich der Wagen befindet, berechnet sich zu:

\(x(t)= \frac{1}{2} \cdot a \cdot t^2 + v_0 \cdot t +x_0\)

\(x(t)= \frac{1}{2} \cdot \left( -1,5\frac{m}{s^2} \right ) \cdot t^2 + 15\frac{m}{s} \cdot t +0\;m=\)

\(=-\frac{1}{2} \cdot 1,5\frac{m}{s^2} \cdot t^2 + 15\frac{m}{s} \cdot t\)

Zu welchem Zeitpunkt der Wagen die Geschwindigkeit \(v=0\) besitzt, können wir leicht aus dem t-v-Diagramm ablesen: \(t = 10,0\;s\)

Die Strecke, die der Wagen bis dahin zurückgelegt hat, ermitteln wir aus dem t-x-Diagramm. Zum Zeitpunkt \(t = 10,0\; s\) besitzt \(x\) den Wert 75 m. Nach diesem Zeitpunkt nimmt \(x\) wieder ab, d.h. der Wagen rollt dann rückwärts immer schneller den Berg hinunter.