Grundlagen der personenzentrierten Theorie

Aufgaben:

1. Informieren Sie sich über die zentralen Grundlagen der personenzentrierten Theorie nach Carl Rogers.

2. Verdeutlichen Sie diese anhand des ehrgeizigen und zielstrebigen VIBOS-Schülers (siehe Ausgangssituation).

3. Überlegen Sie, in welchen weiteren Lebensbereichen Ihre persönliche Tendenz der Aktualisierung zum Vorschein kommt. Wie förderlich/ hemmend bewerten Sie dabei die gemachten Erfahrungen?

Informationstext

Die Persönlichkeitstheorie von Carl Rogers kann als Produkt seiner jahrzehntelangen therapeutischen Praxis betrachtet werden. Bei seiner Arbeit in der Erziehungsberatung und als klinischer Psychologe erprobte Rogers therapeutische Techniken, die er zur klientenzentrierten Therapie zusammenfasste. Aus den gesammelten Erfahrungen mit seiner Therapiemethode und und seiner Theorie der Persönlichkeit entwickelte Rogers Jahre später die klientenzentrierte Therapie zur personenzentrierten Theorie der Persönlichkeit weiter.

Die Aktualisierungstendenz

Die Grundlage seiner Persönlichkeitstheorie bildet die Aktualisierungstendenz Sie ist das grundlegende Motiv für das Tätigwerden des Menschen, um Autonomie und Selbstständigkeit zu erlangen. Dieses Bestreben wird häufig auch Tendenz zur Selbstverwirklichung genannt.

Rogers geht davon aus, dass der Mensch eine ihm innewohnende positive Tendenz besitzt, alle seine Fähigkeiten so zu entwickeln, dass sie den Organismus erhalten oder vervollkommnen. Der Mensch ist bestrebt, durch positive Selbsterfahrung sein Bewusstsein und Selbstbewusstsein zu bilden und zu erweitern. In seinem aktiven Streben nach Selbstverwirklichung ist das Individuum bestrebt, eine innere Ordnung, ein inneres Wertesystem zu errichten bzw. aufrechtzuerhalten und sein Verhalten und seine Gefühle mit diesem Konzept in Einklang zu bringen.

Rogers Beispiel eines kleinen Kindes, welches laufen lernt:

„…trotz Beulen, Fehlschlägen und Frustrationen nähert es sich einer Bewegungsweise, die seine Möglichkeiten erweitert und bereichert. Ist ein angemessenes Klima für persönliches Wachsen gegeben, dann kann man sich auf die Tendenz verlassen, dass der Organismus weiter aktualisiert wird, auch Hindernisse und Schmerzen überwunden werden“

(Rogers, Carl, R.: Die klientzentrierte Gesprächspsychotherapie, übersetzt von Erika Nosbüsch, Frankfurt a. M., Fischer 1996)

Die zentrale Energie des Menschen, die angeborenen Tendenz zur Aktualisierung (= Erfahrungen machen wollen), aktiviert alle Möglichkeiten im Sinne der Erhaltung und Entfaltung des Organismus.

Aspekte dieser Aktualisierungstendenz des Organismus sind:

  • sich aus einer einfachen Struktur komplex zu entfalten
  • Streben von der Abhängigkeit zur Unabhängigkeit
  • Verlassen der Starrheit zugunsten der Veränderung und Freiheit

Der organismische Bewertungsprozess

Rogers geht weiterhin davon aus, dass der Mensch die Erfahrungen, die er macht, in Beziehung zu dem grundlegenden Streben nach Selbsterhaltung und Selbstverwirklichung setzt. Damit werden die Erfahrungen, die eine Person macht vom Organismus fortwährend bewertet und in Hinblick auf die Aktualisierungstendenz abgeglichen. Dies wird von Rogers als organismischer Bewertungsprozess bezeichnet. Das bedeutet, dass Erfahrungen, welche der  Aktualisierung einen Nutzen bringen und damit die Selbstverwirklichung ermöglichen, werden positiv eingeordnet und weiterhin angestrebt.  Diejenigen Erfahrungen, welche die Aktualisierung hemmen oder gar verhindern werden als negativ bewertet und gemieden.

Mit dem organismischen Bewertungsprozess meint Rogers somit also

  • den Prozess des Organismus, Erfahrungen aufzunehmen und dahin gehend zu bewerten, inwieweit sie das Streben nach Selbstverwirklichung fördern bzw. einschränken.

Exemplifikation

Herr Reißer hat die Erfahrung gemacht, dass er trotz seiner Weiterbildung und Spezialisierung nicht in seinem gewünschten Tätigkeitsbereich arbeiten kann. In Folge des organismischen Bewertungsprozess stellt Herr Reißer fest, dass diese Erfahrung sein Bedürfnis nach Selbstverwirklichung und nach den Bestreben mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten verhindert wird. Seine Aktualisierungstendenz wird gehemmt. Demnach wird er es nun meiden sich beruflich weiter zu spezialisieren.