Therapeutische Techniken nach dem klassischen Konditionieren

Aufgaben:

1. Betrachten Sie vorab das Ausgangsexperiment „Little Albert“ (siehe Informationstext!). Verdeutlichen Sie die Entstehung der Angstreaktion bei „Little Albert“ mithilfe relevanter Kenntnisse des klassischen Konditionierens nach I.P. Pawlow.

2. Informieren Sie sich über die therapeutischen Techniken nach dem klassischen Konditionieren.

3. Erstellen Sie eine tabellarische Übersicht zu den Therapiemöglichkeiten. Verwenden Sie die Ihnen bereits bekannte Struktur. Halten Sie in der letzten Spalte fest, inwiefern die jeweilige Möglichkeit bei „Little Albert“ sinnvoll bzw. gut umsetzbar erscheint. Begründen Sie Ihre Entscheidung.

4. Reflektieren Sie die Durchführung dieses Experiments.

Informationstext zu den Therapiemöglichkeiten nach dem klassischen Konditionieren

Nur wenige Reize rufen bei Menschen von Geburt an eine explizite emotionale Reaktion hervor (z.B. Schreckreaktion bei einem lauten Geräusch). Jedoch zeigen Erwachsene später eine Vielzahl an emotionalen Reaktionen auf alle möglichen Reize. Watson und Rayner konnten 1920 mit dem nachfolgend beschriebenen Experiment zeigen, dass sich zahlreiche emotionale Reaktionen des Menschen mit vorangegangenen Lernprozessen begründen lassen.

1. Das Ausgangsexpiment: Die Geschichte vom kleinen Albert und der weißen Ratte („Little Albert“)

Der bekannteste Humanversuch einer klassischen Konditionierung ist der Versuch, den Watson und Rayner 1920 mit dem kleinen Albert durchführten.  Auch wenn das Experiment Watsons ethisch nicht zu vertreten ist, sind seine Ergebnisse heute Grundlage vieler therapeutischer Vorgehensweisen zum Abbau von Phobien.

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Interesse geweckt? Nähere Informationen zum kleinen Albert finden Sie hier: https://www.nscpsychology.com/blog/who-was-little-albert.

2. Therapiemöglichkeiten

2.1 Systematische Desensibilisierung

Die Desensibilisierung ist vielen Menschen vom Gang zum Arzt bekannt. Allergiker werden desensibilisiert und die Reaktion auf Pollen o.Ä. nimmt aufgrund der Therapie (hoffentlich) ab. Ähnliches gilt für die im Folgenden dargestellte therapeutische Technik im Sinne des klassischen Konditionierens, welche ihren Einsatz häufig bei der Behandlung von Patienten mit Phobien, d.h. Angstreaktionen auf bestimmte Situationen bzw. Objekte, findet.

Zu Beginn der Therapie werden angstauslösende Situationen im Gespräch gesammelt. Diese verschiedenen Situationen werden nach ihrer spezifischen Angstintensität geordnet. Man spricht in diesem Zusammenhang vom Aufstellen einer Angsthierarchie. Danach wird beim Patienten ein Entspannungszustand herbeigeführt – z.B. mit Hilfe der progressiven Muskelentspannung nach Jacobson. Im Zustand der Entspannung soll sich der Patient in die am wenigsten angstauslösende Situation hineinversetzen. Durchlebt er die Situation mehrfach angstfrei, soll er sich in die nächst höhere angstauslösende Situation hineinversetzen. Das geht dann so weiter, bis er sich in die am stärksten angstauslösende Situation hineinversetzen kann, ohne in Panik zu geraten. Meist kommt im Laufe der Therapie zur gedanklichen Konfrontation die reale Konfrontation hinzu. Die Konfrontation mit den angstauslösenden Reizen kann somit gedanklich, oder aber auch real erfolgen – sofern es die Angstreaktion zulässt.

Exemplifikation anhand einer gegebenen Situation: Im Fall des kleinen Albert würde dies bedeuten, dass die weiße Ratte zunächst sehr weit von Albert entfernt sitzen würde. Diese Situation hätte man so lange aufrechterhalten, bis Albert sie mit Hilfe einer Entspannungstechnik angstfrei erleben kann. In einem nächsten Schritt hätte man das Tier weiter zu Albert gebracht – aber nur so weit, dass immer noch ein gewisser Abstand vorherrschend gewesen wäre. Entspannungstechniken würden auch hier dafür Sorge tragen, dass Albert die Situation als erträglich empfindet. Diesen Vorgang würde man wiederholen bis Albert die Ratte angstfrei berühren kann (zunächst gedanklich, später real). 

2.2 Gegenkonditionierung

Die Gegenkonditionierung ist eine weitere Möglichkeit, eine Angstreaktion zu therapieren. Dabei kann man den Begriff durchaus wörtlich nehmen, denn es wird eine Konditionierung durchgeführt, die der Ursprünglichen entgegensteht. Durch diese Möglichkeit soll die gelernte Reiz-Reaktions-Verbindung gelöscht und durch eine neue Reiz-Reaktions-Verbindung ersetzt werden. Dazu wird der CS zusammen mit einem UCS gekoppelt, dessen Reaktion stärker ist, als die des CS. Ist die Verbindung angstbesetzt, so wird man versuchen, eine positive Koppelung herzustellen. Voraussetzung ist eine intensive Anamnese, welche UCS beim Patienten welche Reaktion in welcher Intensität hervorrufen. Zu groß ist sonst die Gefahr, dass der neu hinzugefügte UCS am Ende ebenfalls angstbesetzt ist.

Exemplifikation: Der kleine Albert sitzt auf dem Teppich und hat Angst vor den Ratten. Nutzt man die Wirkungsweise der Gegenkonditionierung, dann bekommt Albert seine Lieblingsspeise und auch körperliche Zuwendung/Nähe, während sich langsam die Ratte nähert. Während sich das Tier nähert, sitzt die Bezugsperson direkt bei Albert, streichelt und füttert ihn. Anfangs hat Albert zwar noch Angst, wenn die Ratte in seiner Nähe ist, aber aufgrund der Darbietung des angenehmen Reizes (Nahrung/Zuwendung) im Beisein der Ratte, baut er eine neue Reiz-Reaktions-Verbindung (hier: Ratte-Zuwendung/Lieblingsspeise) auf.

2.3 Extinktion (= Löschung)

Von einer Löschung spricht man dann, wenn der bedingte Reiz längere Zeit nicht mehr mit dem unbedingten Reiz auftritt. Das heißt, dass zwischen den beiden Reizen keine Verbindung mehr hergestellt wird und damit dann auch die bedingte Reaktion nicht mehr gezeigt wird.

Exemplifikation: Im Falle von Albert wäre die Löschung dann eingetreten, wenn die Ratte längere Zeit nicht mehr mit einem lauten Geräusch (Schlag auf die Metallstange) gekoppelt worden wäre. Das bedeutet, dass die Ratte (CS) nicht mehr mit dem lauten Knall (UCS) in Verbindung getreten wäre. Man hätte Albert die Ratte ohne das Geräusch präsentiert und er hätte nach einer gewissen Zeit keine Verbindung mehr hergestellt.

2.4 Flooding (=Reizüberflutung)

Die Vorgehensweise dieser Therapiemöglichkeit ist genau umgekehrt wie bei der Methode der systematischen Desensibilisierung: die betroffene Person wird von Anfang an mit den stark angstauslösenden Reizen konfrontiert wird. Dabei soll sie die Erfahrung machen, dass die verspürte Furcht nicht begründet ist. Der CS (z.B. ein Hund bei einem Hundephobiker, die Spinne bei einem Spinnenphobiker) wird ununterbrochen und in voller Reizstärke dargeboten, bis die bedingte Reaktion (Furchtreaktion) allmählich zurückgeht. Dabei muss darauf geachtet werden, dass der UCS nicht auftritt, d.h. der Hund darf den Betroffenen nicht beißen. Wichtig ist, dass diese Form in Begleitung und unter Anleitung eines Therapeuten durchgeführt wird!

Exemplifikation: Albert würde ununterbrochen mit der angstauslösenden Ratte konfrontiert werden. Dabei wäre es nicht nur eine Ratte gewesen, sondern sogar zwei, drei oder noch mehr. Unmittelbar auf Alberts Schoß platziert, würde das Tier dort ununterbrochen dargeboten werden, bis die angstauslösende Reaktion bei Albert abgenommen hätte.

In diesem Zusammenhang ist zwingend auf die Frage der Sinn- und Zweckhaftigkeit der Therapiemöglichkeiten hinzuweisen. Es muss immer die Persönlichkeit des Betroffenen, dessen Angstreaktion UND auch das Alter Berücksichtigung finden!

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