Theorie des Lernens durch Versuch und Irrtum (Edward Lee Thorndike)

Lernsituation „Tina, lern was draus!“

Die 17-jährige Tina geht am Sonntag, entgegen den Bedenken ihrer Eltern, auf eine Party. Da Tina viel Zeit braucht, um sich aufzustylen, bleiben die Vorbereitungen für den nächsten Schultag auf der Strecke.

Am Montag Morgen sitzt die Schülerin dann völlig übermüdet im Unterricht. Zu allem Pech wird sie dann auch noch abgefragt und kassiert aufgrund der mangelnden Vorbereitung nur  2 Punkte. Tina ist von sich selbst sehr enttäuscht und fürchtet sich ebenso vor dem „Donnerwetter“ der Eltern. Doch überrraschender Weise runzelte der Vater nur die Stirn und spricht mit strenger Stimme: „Ich hoffe, du lernst etwas daraus!“

Tina denkt ernsthaft über die Worte des Vaters nach und überlegt, wie sie Schule und Freizeit besser unter einem Hut bekommt, damit ihr so ein Ergebnis zukünftig erspart bleibt. 

Während die Theorie des klassischen Konditionierens der Frage nachgeht, wie bestimmte Reize verbunden werden können, um eine bestimmte Reaktion auszulösen, betrachtet die Theorie des operanten Konditionierens die Konsequenzen bestimmter Reize. Konkret geht es um die Frage, wie sich die Auftretenswahrscheinlichkeit eines Verhaltens erhöht oder reduziert.

Aufgaben:

1. Informieren Sie sich über die Grundannahmen des Lernens durch Versuch und Irrtum nach Edward Lee Thorndike.

2. Fassen Sie die zentralen Erkenntnisse schriftlich zusammen. Gehen Sie dabei auch auf das Urexperiment „Katzenkäfig“ ein.

3. Veranschaulichen Sie die Grundannahmen der Theorie des Lernens durch Versuch und Irrtum an einem selbstgewählten Beispiel aus Ihrem (beruflichen) Alltag.

Informationstext zum Lernen durch Versuch und Irrtum

1. Grundlagen

Der amerikanische Psychologe Edward Thorndike interessierte sich für die Intelligenz von Tieren. Er untersuchte in seinen Versuchen mit Katzen die Auswirkungen von Verhaltenskonsequenzen auf das Verhalten selbst. Ihm ging es also nicht wie Pawlow nur um die Reiz-Reaktions- Verbindung, sondern auch um die Konsequenzen des Verhaltens, und wie sich diese auf das weitere Verhalten auswirken. Die Erkenntnisse seiner Studien liefern wichtige Erkenntnisse für den Behaviorismus, weswegen er als ein zentraler Vorläufer bekannt ist.

2. Das Ur-Experiment von Thorndike

Thorndike schloss eine hungrige Katze in einen mit vielen Hebeln und Schnüren ausgestatteten Käfig. Vor den Käfig stellte er eine Schüssel mit Futter. Die hungrige Katze versuchte aus dem Käfig herauszukommen. Dazu lief sie zunächst wirr und orientierungslos umher, drückte auf die Hebel, zog an den Schnüren etc. bis sie zufällig den Hebel drückte, der die Tür des Käfigs öffnete. Die Katze kam ins Freie und konnte fressen. Nach mehreren Durchgängen dieses Versuchs, beobachtete Thorndike, dass die Katze die Verhaltensweise, die sie aus dem Käfig befreite, häufiger und auch schneller zeigte. Er zog aus seinen Beobachtungen die Erkenntnis, dass die Katze gelernt hatte, den Käfig durch Drücken eines bestimmten Hebels zu öffnen. Die übrigen Verhaltensweisen (Herumlaufen, Drücken anderer Hebel) zeigte die Katze immer seltener.

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3. Wissenschaftliche Erklärungsansätze

Die Katze versuchte sich nur deshalb aus dem Käfig zu befreien, weil sie Hunger hatte. Hätte Thorndike die Katze gefüttert, bevor er sie in den Käfig sperrte, hätte sie das Bedürfnis nach Futter nicht gehabt und hätte nicht versucht aus dem Zwinger zu kommen, um zu fressen.

Daraus leitete Thorndike das Gesetz der Bereitschaft ab, das besagt, dass nur dann gelernt wird, wenn ein Bedürfnis vorliegt. Bedürfnisse können das Herstellen eines angenehmen Zustands oder das Beenden eines unangenehmen Zustands sein.

Exemplifikation: 
Die Katze versuchte im ersten Durchgang durch eine Vielzahl an Handlungen aus dem Käfig zu kommen. Dies liegt daran, dass Katzen nicht gerne eingesperrt sind und die Versuchskatze eben das Bedürfnis hatte, in Freiheit/aus dem Käfig zu gelangen. Dies ist für sie ein unangenehmer Zustand, der beendet werden muss. Sie möchte den angenehmen Zustand, sich frei bewegen zu können, erreichen.

Wichtig ist, dass dieses Ausprobieren von Verhaltensweisen auf der Basis von Versuch und Irrtum (Trail & Error) verläuft. Dieses Prinzip besagt, dass ein Ausprobieren verschiedener Vorgehensweisen verfolgt. Hierbei handelt es sich um keine Gesetzmäßigkeit, sondern lediglich um ein Prinzip, auf dessen Basis die Verhaltensweisen zu erklären sind.

Exemplifikation: 
Die Katze gelangte also nicht mit der ersten Verhaltensweise zum Ziel, sondern probierte mehrere Optionen aus.  So lief sie wirr umher, drückte auf die Hebel, zog an den Schnüren etc. bis sie zufällig den Hebel drückte, der die Tür des Käfigs öffnete. Diese Vielzahl an Tätigkeiten, Optionen kann man als Probieren, Testen bzw. Herausfinden der erfolgsbringenden Verhaltensweisen bezeichnen. Die Katze agiert nach dem Prinzip „Trail & Error“.

Folglich formulierte Thorndike das Gesetz der Auswirkung (Effektgesetz, „law of effect“), welches besagt, dass diejenige Verhaltensweise, die in einer vorangegangenen Problemsituation zu einem positiven Effekt (Belohnung) geführt hat, gefestigt wird, d.h. sich ihre Auftretenswahrscheinlichkeit erhöht. Die Verhaltensweisen, die ohne Erfolg geblieben sind, werden abgelegt und nicht mehr gezeigt.

Exemplifikation: 
Die Katze zeigte mit der Zeit das planlose Umherlaufen, Ziehen an den Schnüren etc. nicht mehr. Dies waren die Verhaltensweisen, die den gewünschten Effekt nicht erbracht haben und damit erfolglos waren. Das Drücken des passenden Hebels zeigte die Versuchskatze aber vermehrt, da sich durch dieses Drücken der gewünschte Erfolg, nämlich die Öffnung der Türe zum Futter, eingestellt. Da die Katze genau dies erreichen wollte, wird dieses Verhaltensweise in der Folge gefestigt und die Auftretenswahrscheinlichkeit dieses Verhaltens durch die angenehme Konsequenz erhöht.

Exkurs: In einer späteren Überarbeitung des Effektgesetzes machte Thorndike darauf aufmerksam, dass das positive Verstärken (Belohnung) eines Verhaltens dieses beachtlich verstärkt, das Bestrafen eines Verhaltens aber nur zu einer geringen Reduktion dessen führt.

Nach vielen Durchgängen lernte die Katze, sofort nachdem sie in den Käfig gesperrt wurde, den richtigen Hebel zu drücken und zu fliehen. Sie hat durch Übung gelernt, sich sofort aus dem Käfig zu befreien. Daraus formulierte Thorndike das Gesetz der Übung (Frequenzgesetz, „law of exercise“) nach welchem durch Übung bzw. Wiederholung das Verhalten erlernt wird, das zum Erfolg führt. Fehlt die Übung, so wird das erfolgreiche Verhalten wieder abgebaut, also verlernt.

Exemplifikation: 
Die Katze wurde mit zunehmender Anzahl der Versuchsdurchgänge schneller und flinker. Sie unterließ die erfolglosen Verhaltensweisen zunehmend und drückte den richtigen Hebel zügiger. Somit hat sie durch die Wiederholung genau diese Verhaltensweise erlernt und die anderen abgebaut.