Merkmale von Erziehung
Aufgaben:
1. Informieren Sie sich über den Begriff und die Merkmale von Erziehung.
2. Halten Sie die zentralen Inhalte in Form einer Mind-Map fest.
3. Finden Sie zum jeweiligen Merkmal mindestens eine Exemplifikation, an welcher Sie das Merkmal aufzeigen.
4. Reflektieren Sie die Bedeutung dieser Merkmale. Überlegen Sie, welchem Merkmal eine besondere Bedeutung zukommt.
Informationsmaterial
Folgt man der Frage, was Erziehung eigentlich ist, so stößt man bereits in grundlegenden fachlichen Werken schnell auf eine Fülle unterschiedlicher, mehr oder weniger komplexer Definitionsversuche.
Dem Lexikon der Pädagogik folgend, bezeichnet Erziehung das soziale Handeln von Erwachsenen, das sich auf das Lernen im Allgemeinen, auf eine dauerhafte Verhaltensänderung und auf die Entwicklung von Handlungs- und Urteilsfähigkeit der heranwachsenden Generation richtet.
(Jordan/Schlüter: Lexikon Pädagogik: Hundert Grundbegriffe. Reclam-Verlag, 2010)
In diesem Zusammenhang wird Erziehung vor allem als intentionale, d.h. bewusste Tätigkeit verstanden, die auf ein zuvor festgelegtes Erziehungsziel gerichtet ist.
(Einen alternativen, ebenfalls die zentralen Aspekte umfassenden Definitionsvorschlag finden Sie hier. Weitere, ausführliche Informationen zur Auseinandersetzung mit dem Begriff hier.)
Grundsätzlich kann dabei festgehalten werden, dass Erziehung als Prozess verstanden werden muss, in dem Erzieher und Zu-Erziehende wechselseitig lehren und lernen. Man spricht bewusst von „Erzieher“ und „Zu-Erziehendem“, um deutlich zu machen, dass diese Rollen nicht altersabhängig sind.
(Wiater: Erziehen und Bilden, Auer, 2013, S.21-22)
Der Erziehungsprozess ist insgesamt durch folgende Merkmale und Annahmen gekennzeichnet:
1. Erziehung initiiert Lernprozesse.
Ausgehend von mit der Erziehung verknüpften Zielsetzungen müssen von Erziehenden bei den Zu-Erziehenden Lernprozesse initiiert werden. Unter Lernen versteht man dabei ganz allgemein einen nicht direkt beobachtbaren, inneren Vorgang, der sich in Erlebens- und Verhaltensänderungen äußert (vgl. Lerngebiet 4).
Dabei gilt:
- Lernen umfasst den Erwerb neuer Verhaltensweisen als Folge von Übung und Erfahrung.
- Lernen bedeutet auch die Änderung bestehender Verhaltens- und Erlebensweisen durch Übung und Erfahrung.
Man spricht übrigens nur dann von Lernen, wenn die Änderungen bzw. der Neuerwerb im Erleben und Verhalten durch die Auseinandersetzung mit Umweltsituationen entstanden sind.
Exemplifikation:
Lernt ein Kind erstmals das Fahrradfahren, so handelt es sich um eine neue Verhaltensweise. Kann ein Kind schon Schreiben, lernt nun aber den Stift dabei anders zu halten, so ist dies eine Änderung einer Verhaltensweise.
Der Lernbegriff in der wissenschaftlichen Pädagogik ist damit weitergefasst als in der Alltagsvorstellung von schulischem Lernen. So geht es dabei nicht nur um das Lernen von Wissen, sondern vor allem auch um das Neu- und Umlernen von Erlebensweisen und Fähigkeiten.
Grundsätzlich beruhen die im Rahmen der Erziehung angeregten Lernprozesse dabei auf der Darbietung von Informationen, der Anregung von Diskussionen, dem Vormachen, dem Prüfen usw., wobei es letztlich immer nur ein Versuch sein kann, das Denken, Fühlen und Handeln des Zu- Erziehenden dauerhaft in eine bestimmte Richtung zu lenken. Ausgehend von den Möglichkeiten der Selbstbestimmung des Menschen kann dieser Versuch gelingen oder misslingen.
2. Erziehung lebt von der sozial-emotionalen Beziehung zwischen Erzieher und Zu-Erziehendem.
Erziehungsprozesse sind stets ein wechselseitiges Zusammenwirken von Erziehenden und Zu-Erziehenden. In beständigen Interaktionsprozessen versucht der Erzieher Einfluss in Richtung seiner Erziehungsziele zu nehmen, auf was der Zu- Erziehende wiederum reagiert. Im Rahmen dieser Beziehung entsteht jeweils auch ein gewisser Grad der Emotionalität, der den weiteren Erziehungserfolg maßgeblich beeinflusst. Aus Studien der Bindungsforschung und anderen theoretischen Einflüssen ist bekannt, dass bereits die ersten Lebensmonate bzw. -jahre von entscheidender Bedeutung sind:
Erfährt das Kind in dieser Zeit eine beständige positive emotionale Zuwendung, regelmäßige Versorgung mit Nahrung, Kleidung, etc., Geborgenheit, Sicherheit und eine zuverlässige Bezugsperson, so entsteht Urvertrauen und damit verbunden eine positive Lebensgrundeinstellung. Auf dieser Grundlage kann das Kind eine positive Einstellung zu sich selbst (z.B. Selbstvertrauen, Fähigkeit glücklich zu sein), zu seinen Mitmenschen (z.B. Toleranz, Hilfsbereitschaft) und zur Lebenswelt (Umweltbewusstsein, Leistungsbereitschaft) entwickeln.
Erfährt das Kind diese positive Zuwendung nicht, sondern wird es nur unregelmäßig versorgt, erfährt Unsicherheit, Liebesentzug, Ablehnung und Unzuverlässigkeit der Bezugsperson, so entsteht ein Urmisstrauen und damit verbunden eine negative Lebensgrundeinstellung. Hierunter leiden dann sowohl die Einstellung gegenüber der eigenen Person, als auch gegenüber der das Kind umgebenden Umwelt. Wichtige Lernerfahrungen bleiben aus.
Ein Beispiel dafür, welche Auswirkungen fehlende emotionale Zuwendung haben kann, stellt der kindliche Hospitalismus dar.
Somit ist festzuhalten, dass der Grad der gegebenen emotionalen Zuwendung einen entscheidenden Einfluss auf die körperliche, seelische und geistige Entwicklung des Kindes hat. Vertiefende Ausführungen finden Sie hier.
3. Erziehung hat immer ein Ziel und ist somit intentional.
Vor allem Eltern ist des oftmals wichtig, den Kindern sowohl die eigenen Wertvorstellungen zu vermitteln als auch einen Beitrag zur individuellen Persönlichkeitsentwicklung des Kindes zu leisten.
Neben derartigen individuellen Zielsetzungen ist aber auch zu betonen, dass Erziehung stets auch ein gesellschaftlich bedingtes Handeln ist. Schließlich ist es auch ein Anliegen der Gesellschaft, dass sich die Kinder zu Bürgern entwickeln, die sich an die rechtlichen Vorgaben halten und den gegebenen Wertekatalog praktisch umsetzen. Diese Forderungen finden in Form von Erziehungs- und Bildungsplänen vor allem Eingang in die an der Erziehung beteiligten Institutionen (z.B. Kindertagesstätten, Schulen) und beeinflussen neben dem dort tätigen Personal auch die Eltern in ihren Erziehungsbemühungen. Beobachtbar ist dies unter anderem daran, wie sich die Zielsetzungen der Eltern nicht selten mit dem herannahenden Schuleintritt und den ersten Grundschuljahren verändern (> von der individuellen Persönlichkeitsentwicklung hin zur Anpassung an das Schulwesen und seine Anforderungen).
In seinem Lehrwerk fasst Hobmair hinsichtlich der Intentionalität der Erziehung zusammen, dass der Zu-Erziehende also von einem „Ist-Zustand“ in einen „Soll-Zustand“ gebracht werden soll, den der Erziehende vor Augen hat.
(Hobmair: Pädagogik/ Psychologie für die Berufliche Oberschule. Band 1.Bildungsverlag EINS, 3. Auflage, 2012, S. 119ff.)
Exemplifikation:
Ein Kind im Kindergarten soll lernen, mit Messer und Gabel zu essen. Der Ist-Zustand ist, dass das Kind mit den Fingern ist. Der Soll-Zustand ist, dass das Kind sicher mit dem Besteck umgeht und ordentlich essen kann. Die Erzieherin führt bewusst beim Mittagessen Situationen herbei, in denen das Kind mit Besteck essen darf und hilft ihm dabei, indem sie es vormacht, das Kind lobt etc.
Unabhängig davon, welche Zielsetzung im Fokus des erzieherischen Handelns steht, muss es das oberste Gebot sein, dass sich die Erziehung in ihrem Verlauf überflüssig macht, denn „Overprotection“ führt zur Lebensuntüchtigkeit.
Stangl: Grundlegende Merkmale von Erziehung und Unterricht. WWW: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/WISSENSCHAFTPAEDAGOGIK/ErzwissInhalte.shtml (2018-08-13)
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Quelle: https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/quarks-und-co/video-erziehung—wie-eltern-alles-richtig-machen-100.html