Bindungstypologien

Bei Kleinkindern im Altern von 12 bis 18 Monaten kann man in der so genannten „Fremden Situation“,  die Bindungsqualität bzw. das Bindungsmuster feststellen. Eine sichere Bindung bildet das sogenannte psychologische Basislager („home base“) des Kindes. Durch sie kann es prosoziales Verhalten lernen. Es ist bereit sich in neuartige Situationen vorzuwagen und die Welt zu entdecken, sowie auch mögliche Risiken einzugehen und  es kann Intimität mit anderen Personen zulassen und ein starkes Selbstwertgefühl herausbilden. Die Vorteile der sicheren Bindung wirken in das weitere Leben hinein und können zu Wohlbefinden führen.

Fremde-Situation-Test („strange situation test“, Mary Ainsworth et.al1978)

In dem von Mary Ainsworth entwickelten Fremde-Situations-Test  wird die Bindungsqualität beurteilt. Diese wird dadurch gemessen, in dem die Mutter-Kind-Interaktion, insbesondere während der Wiedervereinigung, beobachtet wird. Von Interesse ist:

  • wie das Kind die Bindungsperson als sichere Basis für sein Erkundungsverhalten einsetzt
  • ob es in Belastungssituationen Trost bei ihr sucht
  • welche Art von Trost das Kind den bei der Bindungsperson erhält
  • sowie die Reaktionen des Kindes auf eine freundliche, aber fremde Person

Der Test besteht aus einem standardisierten Ablauf von Episoden bei dem sich die Mutter und das Kleinkind in einem fremden Raum mit altersgerechten Spielzeug befinden. Zwei Trennungen und zwei Wiedervereinigungen mit der Mutter zeigen, welche Bindungssicherheit vorliegt.

Ablauf:

  1. Kind wird in ein Zimmer mit altersgerechten Spielsachen gebracht
  2. Kind wird von Mutter zum Spielen ermutigt
  3. fremde Person betritt den Raum und spricht mit der Mutter
  4. fremde Person wendet sich dem Kind zu – Mutter verlässt währenddessen unauffällig den Raum
  5. Trennung
  6. nach kurzer Trennung kehrt Mutter zurück, fremde Person verlässt den Raum (1.Wiederkehr)

 Zweiter Durchlauf:

  1. Mutter verlässt den Raum erneut und lässt Kind allein
  2. Trennung
  3. fremde Person tritt ein und wendet sich dem Kind zu
  4. Mutter kehrt zurück, fremde Person geht unauffällig (2.Wiederkehr)

Bindungstyp (Bindungsmuster) Verhalten der Bindungsperson Verhalten des Kindes Auswirkungen auf späteres Alter
Sicheres Bindungsmuster

 

(„B-Typ“)

feinfühlig, verlässlich, stets erreichbar, Nähe, Körperkontakt Exploration: die Mutter ist   sichere Basis

Trennung: emotionale Belastung , Weinen

Wiedersehen:  Mutter wird aktiv begrüßt , Kind möchte getröstet werden und sucht Körperkontakt,  lässt sich schnell beruhigen und exploriert schnell wieder

gute Emotionsregulation

feinfühlig, interessiert, offen, selbstsicher, kooperativ, belastbar
Ablehnend -unsicheres Bindungsmuster

 

(„A“-Typ)

weniger feinfühlig, weniger Körperkontakt, zurückweisend, eher ablehnend Exploration: keine emotionale Orientierung zur Mutter , Explorationsverhalten überwiegt

Trennung: Nichtbeachtung der Mutter, zeigt keine Belastung

scheint entspannt und stressresistent (ist es aber nicht, vgl. Herzschlag), verhält sich zurückhaltend, zeigt wenig Signale nach außen

Wiedervereinigung: Kontakt wird generell vermieden (Blickvermeiden, Vermeiden von Körperkontakt, Wegdrehen des Körpers von der Bezugsperson), auf Spielsachen fokussiert

Stresshormon Kortisol ist erhöht

weniger stressresistent, kaum kritikfähig, verschlossen, unsicher
Ambivalent-unsicheres Bindungsmuster

 

(„C-Typ“)

Wechsel zwischen feinfühlig und zurückweisend, wenig verlässlich, widersprüchliches Verhalten Exploration: wenig/ kaum, Kind ist hoch belastet beim Betreten des Versuchsraumes

Trennung: stark beunruhigt, Angst und Weinen,

Wiedervereinigung: Kind zeigt widersprüchliches Verhalten, , (will in den Arm genommen werden und stößt mit Füßen), Kinder können sich entweder aktiv-ärgerlich oder passiv ggü. der Mutter verhalten,

lässt sich schwer beruhigen

Stresshormon Kortisol ist erhöht

ängstlich, erleben häufig Stress, kaum belastbar, geringes Selbstwertgefühl, geringe Sozialkompetenz
Desorganisiert-unsicheres  Bindungsmuster

 

(„D-Typ“)

unsicher, von eigenen Ängsten gesteuert, Übertragung der Ängste auf Säugling Exploration: spezifische Verhaltensweisen, welche von der Angst vor der Bezugsperson und Konflikten gekennzeichnet sind

Trennung:  Angst

Wiedervereinigung: Bindungsperson wird nicht als Sicherheitsperson empfunden, Anwesenheit verstärkt Angst,

Emotionsregulation kaum möglich

Stresshormon Kortisol ist erhöht

Anm.: Diese Gruppe wird häufig als Risikokind (misshandelte, vernachlässigte Kinder) betrachtet und wird v.a. für klinische Studien herangezogen.

vgl. Verhalten der Bindungsperson (häufig: psychotherapeut. Unterstützung nötig)