2.4 Einfluss auf die Reaktionsgeschwindigkeit
Reaktionsgeschwindigkeit
Aus dem Alltag sind zahlreiche Reaktionen mit höchst unterschiedlicher Reaktionsgeschwindigkeit bekannt. So verlaufen Explosionen mit rasantem Tempo. Beispiele sind etwa die Explosion von Sprengstoff oder die Verbrennung von Benzin in einem Otto-Motor. Das Rosten von Eisen nimmt dagegen sehr viel mehr Zeit in Anspruch. Vergleichsweise langsam verlaufen auch viele biochemische Reaktionen, etwa Verdauungsvorgänge, Gärungen etc.
Bei der Suche nach einer sinnvollen Definition des Begriffs Reaktionsgeschwindigkeit muss man eine Größe finden, die sich im zeitlichen Verlauf der Reaktion ändert. Geht man von einem Reaktionsgefäß mit definiertem Volumen aus, so ändert sich die Zahl der darin befindlichen Teilchen. Dies betrifft Ausgangs- wie Endstoffe gleichermaßen. Die Zahl der Teilchen aber lässt sich auch als Stoffmenge n (in mol) angeben. Die Stoffmenge bezogen auf ein bestimmtes Volumen wird als Stoffmengenkonzentration bezeichnet: c = n/V.

© Belinda Flemming: Teilchenanzahl für 1 mol eines Elementes bzw. einer Verbindung, CC BY-SA
Als sinnvolle Definition der Reaktionsgeschwindigkeit bietet sich daher die Konzentrationsänderung in einem bestimmten Zeitabschnitt an.
Für eine allgemeine Reaktion A + B → AB verändern sich die Konzentrationen von Ausgangs- und Endstoffen folgendermaßen:

© Belinda Flemming: Reaktionsverlauf einer chemischen Reaktion, CC BY-SA
Die Reaktionsübersichten für die Bildung von Wasser aus den Elementen Wasserstoff und Sauerstoff (exotherme Reaktion) und die Bildung von Stickstoffmonoxid aus den Elementen Stickstoff und Sauerstoff (endotherme Reaktion) zeigen den Bezug zur Stoffmenge (in mol) und der Teilchenanzahl der reagierenden Elemente. Die Vorzeichen der jeweiligen Bildungsenthalpie ΔH (kJ/mol) der beiden Reaktionen geben eindeutig vor, welcher Reaktionstyp hinsichtlich der Reaktionsenergie vorliegt. Bei einer exothermen Reaktion ist der Wert negativ, ein positiver Wert deutet auf eine endotherme Reaktion hin.

© Belinda Flemming: Vergleich der Stoffmengen bei der Bildung von Wasser aus den Elementen (exotherme Reaktion), CC BY-SA

© Belinda Flemming: Vergleich der Stoffmengen bei der Bildung von Stickstoffmonoxid aus den Elementen (endotherme Reaktion), CC BY-SA
Faktoren zur Beeinflussung der Reaktionsgeschwindigkeit
Stoffart
Ein einfacher Versuch kann dies belegen: Unedle Metalle lösen sich in Säuren unter Wasserstoffentwicklung auf. Versetzt man ein Stück Magnesium mit verdünnter Salzsäure, so ist eine heftige Gasentwicklung zu beobachten. Wiederholt man den Versuch mit einem Stück Zink, so ist die Gasentwicklung nur gering. Es dauert wesentlich länger, bis sich das Zink vollständig aufgelöst hat.
Zerteilungsgrad
Man wiegt ein Stück Zink und die gleiche Menge Zinkpulver ab. Nun versetzt man beides mit jeweils der gleichen Menge Salzsäure. Die Gasentwicklung im Falle des Zinkpulvers ist deutlich höher, da hier die Zinkkörnchen insgesamt eine viel größere Oberfläche besitzen als ein massives Stück Zink. Die Säure findet also eine größere Angriffsfläche. Die Reaktion läuft schneller ab.
Temperatur
Diese Abhängigkeit lässt sich ebenfalls leicht zeigen. Eine Lösung des Salzes Natriumthiosulfat (Na2S2O3 . 5 H2O) wird hergestellt und ein bestimmtes Volumen davon in einer Petrischale auf einen Tageslichtprojektor gestellt. Nun wird die farblose Lösung mit einigen Millilitern verdünnter Salzsäure versetzt. Es kommt eine Reaktion in Gang, bei der elementarer Schwefel ausfällt. Schwefel ist in Wasser unlöslich und trübt daher die Lösung. Nach einiger Zeit wird der Inhalt der Petrischale vollkommen undurchsichtig. In der Projektion erscheint dies als Schwärzung. Man erwärmt jetzt in einem zweiten Versuch die Lösung um ca. 10°C, arbeitet aber ansonsten mit gleichen Stoffmengen. Es zeigt sich, dass jetzt die Trübung viel rascher einsetzt. Genaue Messungen zeigen, dass sich die Reaktionsdauer etwa halbiert. Die Reaktionsgeschwindigkeit hat sich also nahezu verdoppelt.
Dieser Zusammenhang tritt bei vielen Reaktionen auf und ist als RGT-Regel (Reaktionsgeschwindigkeit-Temperatur-Regel) bekannt:
Konzentration
Konzentrationen lassen sich für Gase angeben und für Lösungen. Den Zusammenhang zwischen Reaktionsgeschwindigkeit und Konzentration kann man mit der Landoltschen Zeitreaktion zeigen. Zwei farblose Lösungen A und B werden zusammengegossen. Lösung A enthält im wesentlichen Natriumsulfit (Na2SO3) und Stärke. Lösung B enthält Kaliumiodat (KIO3). Die Chemie dieser Reaktion ist verwickelt. Es greifen drei Reaktionen ineinander. Sobald alles Sulfit aufgebraucht ist, reichert sich Iod in der Lösung an. Dies reagiert mit der Stärke, und es bildet sich der tiefblaue Iod-Stärke-Komplex. Die Lösung wird nach einer gewissen Zeit schlagartig blau. Wiederholt man den Versuch mit einer Kaliumiodatlösung doppelter Konzentration, so verringert sich die Reaktionszeit, also die Zeit bis zur Blaufärbung, auf die Hälfte.
Für eine Reaktion A + B → C + D zeigt sich eine direkte Proportionalität zwischen Reaktionsgeschwindigkeit und der Konzentration der Ausgangsstoffe: RG ~ c(A) . c(B) oder RG = k . c(A) . c(B) (k wird als Geschwindigkeitskonstante bezeichnet).
Die Zahl der Teilchen in einem bestimmten Volumen entspricht der Stoffkonzentration. Je größer diese wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für Zusammenstöße der Teilchen. Teilchenkollisionen sind jedoch die Voraussetzung für erfolgreiche Reaktionen. Je mehr Zusammenstöße also pro Zeiteinheit stattfinden, desto größer ist die Reaktionsgeschwindigkeit. Man erkennt, dass sowohl die Erhöhung der Konzentration eines Ausgangsstoffes als auch beider zu einer Zunahme der Kollisionen führt.
Einsatz eines Katalysators
Für zahlreiche Reaktionen ist die Aktivierungsenergie zu hoch, als dass sie mit einer merklichen Reaktionsgeschwindigkeit ablaufen könnten. Katalysatoren senken die Aktivierungsenergie und beschleunigen bzw. ermöglichen dadurch oft erst den Ablauf chemischer Reaktionen.
Brennbare Stoffe, wie Papier oder Benzin, können im Kontakt mit Sauerstoff aufbewahrt werden, ohne zu reagieren. Die Aktivierungsenergie schützt vor Selbstentzündung.