Allgemeine Energietechnik – ganzheitliche Bilanzierung

Vorüberlegungen

Unsere derzeitigen Energieversorgungssysteme sind zum überwiegenden Teil  auf erschöpflichen Energievorräten aufgebaut und belasten im hohen Maße die Umwelt. Die unterschiedlichen Energieversorgungssysteme müssen deshalb danach beurteilt werden, ob sie einer nachhaltigen Energieversorgung dienen, d.h., ob sie ohne Raubbau an der Natur und nicht auf Kosten nachkommender Generationen betrieben werden können.

Beispielsweise ist nicht von vornherein klar, ob die Stromerzeugung mit Solarzellen diesem Ziel gerecht wird: Es muss vielmehr erst untersucht werden, ob die bei der Herstellung der Siliciumzellen benötigte Energie während des Lebenszyklus der Zellen wieder gewonnen werden kann und ob die Schadstoffemission bei der Herstellung, beim Transport usw. nicht zu hoch ist. Was mit den Zellen am Ende ihres Lebensweges wird, muss ebenfalls in die Bilanz einbezogen werden. Auch bei der Entscheidung, ob jemand Otto- oder Dieselmotor benutzt, werden häufig nur wirtschaftliche Aspekte gesehen. Man überlegt, welche Variante weniger Kraftstoffkosten verursacht oder wie es mit den Kosten für Steuer und Versicherung steht. Das alles sind wichtige Entscheidungsfaktoren, aber im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung stellen sie nur Teilaspekte dar. So werden die ökologischen Gesichtspunkte meist unzureichend bei einer Kaufentscheidung berücksichtigt.

Dass solche Untersuchungen quantitativ durchgeführt werden müssen, zeigt die obige Abbildung sehr deutlich. So sind die kumulierten CO2-Emissionen pro Energieeinheit bei Photovoltaik-Anlagen (PV) höher als bei der Stromerzeugung durch Kernkraftwerke, was an den hohen energetischen Aufwendungen bei der Herstellung der Solarzellen liegt. Bei den fossilen Kraftwerken entstehen die meisten Emissionen im Betrieb, bei den anderen beim Bau der Anlagen. Auch der Einsatz von Eisen pro erzeugter Energieeinheit (also bei Materialaufwendungen) ist bei Photovoltaikanlagen sehr hoch im Vergleich zu anderen Kraftwerken.

Natürlich sind die exemplarisch abgebildeten Diagramme keineswegs ausreichend, um die genannten Energiewandlungssysteme in Bezug auf ihre Nachhaltigkeit beurteilen zu können. Erst eine ganzheitliche Bilanzierung liefert die notwendigen Vergleichszahlen.

Ganzheitliche Bilanzierung

Bei der Methode der ganzheitlichen Bilanzierung werden alle Stoff- und Energieströme während des gesamten Lebenszyklus eines Produktes (Herstellung, Nutzung und Entsorgung) erfasst und in die Bilanz einbezogen. Es handelt sich um ein sehr aufwendiges Verfahren, mit einer enormen Datenmenge, die nur computergestützt bewältigt werden kann. Nach der Erfassung der Input- und Outputflüsse (Sachbilanz) müssen diese einer Wirkungsanalyse unterzogen werden. Beispielsweise muss bewertet werden, wie hoch die Umweltbelastung der einzelnen emittierten Stoffe einzuschätzen ist.

Die Wirkungsanalyse schließlich führt zu der ökologischen Bewertung des Produkts bzw. Systems, weshalb man statt von ganzheitlicher Bilanzierung auch häufig von einer Ökobilanz spricht.

Sachbilanz

Der erste Schritt bei der ganzheitlichen Bilanzierung, nämlich die Sachbilanz, erfordert das Erfassen einer breiten Datenbasis, die mit Hilfe von Berechnungen, Messungen, Schätzungen und Statistiken gewonnen werden muss. Dazu müssen alle in das Produkt einfließenden und von diesem ausgehenden Mengen quantitativ erfasst werden. Die Sachbilanz für unterschiedliche Systeme zur Stromerzeugung ist in der nachfolgenden Tabelle wiedergegeben.

Bilanzgröße Einheit Braunkohle Steinkohle Kernkraft Photovoltaik Windkraft
Staub mg/kWh 222 64 25 124 18
CO2 g/kWh 1054 838 17 334 36
CmHn mg/kWh 94 4716 0 908 166
NOx
mg/kWh
830 696 48 443 49
SO2
mg/kWh
401
275
73
507
68
Rn-222
kBq/kWh
17
C-14
kBq/kWh
31
Radioaktivität
10-12 PersSv/kWh
7 12 4656 1693 27
Entnahme an Bauxit
mg/kWh
19 20 27 2041 44
Eisen
mg/kWh
2102 2306 420 5346 5212
Kupfer
mg/kWh
8 2 6 241 65
Kalkstein
mg/kWh
20302 12837 806 10523 2493

Die Sachbilanz gibt in obiger Tabelle jeweils die kumulierten Werte aus dem Bau, dem Betrieb und dem Abriss der entsprechenden Anlage wieder. Alle Größen sind auf 1 kWh erzeugter elektrischer Energie bezogen. Nur so ist ein Vergleich der Zahlenwerte möglich. Die Sachbilanz ergibt vergleichsweise hohe Werte für Photovoltaikanlagen, diese ergeben sich nicht aus dem Betrieb, sondern in erster Linie aus der Herstellung der Solarzellen. Wegen der geringen Energiedichte erfordern sie einen hohen Materialeinsatz pro erzeugter Kilowattstunde. Dieser Herstellungsprozess treibt auch die Werte für die Emissionen nach oben. Diese Sachbilanz macht bereits deutlich, dass hier umweltschonendere Herstellungsprozesse und Produkte erforderlich sind. Mit amorphen Siliciumzellen (oben sind die Werte für polykristalline angegeben) ist man bereits auf dem richtigen Weg.

Wirkungsanalyse

Nach dem Aufstellen der Sachbilanz ist zu bewerten, in welchem Maße die erfassten Energie- und Stoffströme auf die Umwelt einwirken, welche Schäden sie an der Natur und an Sachgegenständen verursachen. Beispielsweise sind die Fragen zu beantworten: Welchen Folgen hat die Emission von CO2 im Vergleich zu SO2? Wie ist der Verbrauch erschöpflicher Energievorkommen zu bewerten.

Die Abbildung zeigt den Einsatz an erschöpflicher Primärenergie bei verschiedenen Stromerzeugungssystemen (BK = Braunkohlekraftwerk, SK = Steinkohlekraftwerk, KK = Kernkraftwerk, PV = Photovoltaikanlage, WiK = Windkraftwerk) im Kraftwerksbetrieb und beim Bau und Abriss. Der Anteil des Brennstoffeinsatzes im laufenden Betrieb beträgt bei den fossilen und beim Kernkraftwerk zwischen 85% und 95%. Ganz anders ist das bei den regenerativen Stromerzeugungssystemen, sie benötigen endliche Primärenergieträger nur während der Herstellung und zum Abriss. Kernkraftwerke haben die höchsten kumulierten Energieaufwendungen. Diese Inanspruchnahme endlicher Energieträger stellt neben den in der Sachbilanz ermittelten Emissionen eine negative Wirkung auf zukünftige Lebenschancen dar.

Ökologische Bewertung

Aus der Wirkungsanalyse muss eine ökologische Bewertung des bilanzierten Systems vorgenommen werden. Auf diese Weise lässt vor der Entscheidung für oder gegen bestimmte Systeme eine quantitative Bewertung der jeweiligen Technik erwarten.