Varianz einer Zufallsgröße
Einführendes Beispiel
Eine Zufallsgröße \(X\) hat die folgende Wahrscheinlichkeitsverteilung:
\[\begin{array} {c|c} x & -2 & -1 & 0 & 2 & 4 & 5 \\ \hline P(X = x) & 0,2 & 0,3 & 0,1 & 0,05 & 0,15 & 0,2 \end{array}\]
Eine zweite Zufallsgröße \(Y\) hat die folgende Wahrscheinlichkeitsverteilung:
\[\begin{array} {c|c} y & -1 & 0 & 1& 2 \\ \hline P(Y = y) & 0,1 & 0,2 & 0,3 & 0,4 \end{array}\]
Vergleicht man diese beiden Zufallsgrößen, so erkennt man, dass sie trotz unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsverteilung den gleichen Erwartungswert \(E(X) = E(Y) = 1\) haben.
Nun kann man noch ihre Histogramme vergleichen:

Vergleicht man die beiden Histogramme, so stellt man fest, dass die Zufallswerte von \(X\) weiter um den Erwartungswert schwanken als die von \(Y\). Man sagt, die Zufallsgröße \(X\) besitzt eine größere Streuung oder Variabilität als \(Y\).
Wie lässt sich diese Streuung berechnen?
Man könnte einfach die Differenz zwischen größtem und kleinsten Wert nehmen. Dann erhält man zwar eine Breite der Schwankung, aber die zugehörigen Höhen (also die Wahrscheinlichkeiten) werden nicht mit berücksichtigt.
Sinnvoller ist also eine Summe aus allen Produkten in der Art \( (x – µ) \cdot P(X = x). \) Da man aber Abweichungen nach links und rechts hat, gibt die Summe den Wert \(0.\) Deshalb könnte man statt \((x – µ)\) den Betrag davon nehmen. Dies ist allerdings nicht üblich (dies liegt daran, dass es zur Zeit der Entwicklung dieser Begriffe noch keine Rechner gab, die Berechnung der Beträge zu kompliziert war). Man verwendet statt des Betrags das Quadrat von \((x – µ).\) Damit:
Definition
Ist \(X\) eine Zufallsgröße mit der Wertemenge \(W_x = \{x_1, x_2, … x_n\}\) und \(µ = E(X)\) der Erwartungswert, so heißt
\(Var (X) = (x_1 – µ)^2 \cdot P(X=x_1) + (x_2 – µ)^2 \cdot P(X=x_2) + … + (x_n – µ)^2 \cdot P(X=x_n)\)
= \(\sum_{i=1}^{n} (x_i – µ)^2 \cdot P(X=x_i) \)
der Varianz \(Var(X)\) der Zufallsgröße \(X\).
Für die Zufallsgrößen X und Y aus obigem Beispiel ergibt sich damit:
\(Var(X) = (-2-1)^2 \cdot 0,2 + (-1-1)^2 \cdot 0,3 + (0-1)^2 \cdot 0,1 + (2-1)^2 \cdot 0,05 + (4-1)^2 \cdot 0,15 + (5-1)^2 \cdot 0,2 = 7,7\)
\(Var(Y) = (-1-1)^2 \cdot 0,1 + (0-1)^2 \cdot 0,2 + (1-1)^2 \cdot 0,3 + (2-1)^2 \cdot 0,4 = 1\)
Man sieht, dass die Varianz von \(X\) größer ist als die Varianz von \(Y\).
Die Varianz ist ein Maß für die erwartete quadratische Abweichung der Zufallsgrößen \(X\) vom Erwartungswert.

Weitere Beispiele
Beispiel 1:
Bei einer Schulaufgabe gibt die Zufallsgröße X die Note an. Zwei Schüler haben die Note 1, zwei die Note 2, fünf die Note 3, sechs die Note 4, drei die Note 5 und vier die Note 6. Die zugehörige Häufigkeitsverteilung ist:
\[\begin{array} {c|c} x & 1 & 2 & 3 & 4 & 5 & \\ \hline P(X = x) & \frac{2}{22} & \frac{2}{22} & \frac{5}{22} & \frac{6}{22} & \frac{3}{22} & \frac{4}{22}\end{array}\]
Der zugehörige Erwartungswert ist E(X) = 3\(\frac{9}{11}\) ≈ 3,82. Dies ist der Notendurchschnitt!
Beispiel 2:
Eine Laplace-Münze wird zweimal geworfen. Die Zufallsgröße X gibt die Anzahl von Kopf an. Wie groß ist der Erwartungswert?
Die zugehörige Wahrscheinlichkeitsverteilung ist
\[\begin{array} {c|c} x & 0 & 1 & 2 \\ \hline P(X = x) & \frac{1}{4} & \frac{2}{4} & \frac{1}{4} \end{array}\]
Damit gilt: E(X) = 0⋅\(\frac{1}{4}\) + 1⋅\(\frac{2}{4} \) + 2⋅\(\frac{1}{4}\) = 1.
Beispiel 3:
Bei einem Glücksspiel wird ein Würfel geworfen. Der Einsatz beträgt 1 Euro. Fällt 1 oder 2, so bekommt man nichts ausbezahlt, bei 3 oder 4 erhält man 50 Cent ausbezahlt, bei 5 oder 6 erhält man 2 Euro. Die Zufallsgröße X gibt den Gewinn an. Wie groß ist der Erwartungswert?
Die zugehörige Wahrscheinlichkeitsverteilung ist
\[\begin{array} {c|c} x & -1 & -0,5 & 1 \\ \hline P(X = x) & \frac{1}{3} & \frac{1}{3} & \frac{1}{3} \end{array}\]
Damit gilt: E(X) = -1⋅\(\frac{1}{2}\) + (-0,5)⋅\(\frac{1}{3}\) + 2⋅\(\frac{1}{3}\) = -\(\frac{1}{6}\).
Der Spieler macht pro Spiel einen durchschnittlichen Verlust von rund 17 Cent!