Erwartungswert einer Zufallsgröße
Einführendes Beispiel
Ein Laplace – Würfel wird zweimal geworfen. Die Zufallsgröße \(X\) gibt die Augensumme an. Die zugehörige Wahrscheinlichkeitsverteilung haben wir bereits früher betrachtet.
\[\begin{array} {c|c} x & 2 & 3 & 4 & 5 & 6 & 7 & 8 & 9 & 10 & 11 & 12 \\ \hline P(X = x) & \frac{1}{36} & \frac{2}{36} & \frac{3}{36} & \frac{4}{36} & \frac{5}{36} & \frac{6}{36} & \frac{5}{36} & \frac{4}{36} & \frac{3}{36} & \frac{2}{36} & \frac{1}{36} \end{array}\]
Welche durchschnittliche Augensumme erhält man bei häufiger (n-maliger) Durchführung des Experiments?
Würfelt man einmal, so tritt die Augensumme 2 genau \(\frac{1}{36}\)-mal auf. Würfelt man sechsmal, so tritt sie \(6 \cdot \frac{1}{36}\) = \(\frac{1}{6}\)-mal auf. Würfelt man 36-mal, so tritt die Augensumme 2 genau \( 36\cdot \frac{1}{36} =1\)-mal auf. Allgemein: Würfelt man \(n\)-mal, so tritt die Augensumme 2 genau \(n \cdot \frac{1}{36}\)-mal auf.
Dies lässt sich analog für alle Augensummen durchführen. Als Gesamtsumme bei \(n\) Würfen erhält man:
\(S = n\cdot \frac{1}{36} \cdot 2 + n \cdot \frac{2}{36} \cdot 3 + n \cdot \frac{3}{36} \cdot⋅4 + … + n \cdot \frac{2}{36} \cdot 11 + n \cdot \frac{1}{36} \cdot 12\).
Will man nun die durchschnittliche Augenzahl haben, so muss man noch durch die Anzahl der Experimente, also \(n\), teilen:
\(\overline{S} = \frac{S}{n}= \frac{1}{36}\cdot 2 + \frac{2}{36}\cdot 3 + \frac{3}{36}\cdot 4 + … + \frac{2}{36}\cdot 11 + \frac{1}{36}\cdot 12 = 7.\)
Betrachtet man diese Rechnung genauer, so erkennt man, dass jeder Zufallswert mit der zugehörigen Wahrscheinlichkeit multipliziert wird.
Damit erhält man:
Definition
Sei \(W_x = \{x_1, x_2, … x_n\}\) die Wertemenge der Zufallsgröße \(X\), so heißt
\(E(X) = x_1\cdot P(X=x_1) + x_2 \cdot P(X=x_2) + … + x_n \cdot P(X=x_n)\)
der Erwartungswert \(E(X)\) der Zufallsgröße \(X.\)
Kurz: \(µ = µ(X) = E(X) = \sum_{i=1}^{n}x_i \cdot P(X=x_i).\)
Weitere Beispiele
Beispiel 1:
Bei einer Schulaufgabe gibt die Zufallsgröße \(X\) die Note an. Zwei Schüler haben die Note 1, zwei die Note 2, fünf die Note 3, sechs die Note 4, drei die Note 5 und vier die Note 6. Die zugehörige Häufigkeitsverteilung ist:
\[\begin{array} {c|c} x & 1 & 2 & 3 & 4 & 5 & 6\\ \hline P(X = x) & \frac{2}{22} & \frac{2}{22} & \frac{5}{22} & \frac{6}{22} & \frac{3}{22} & \frac{4}{22}\end{array}\]
Der zugehörige Erwartungswert ist \(E(X) = 1\cdot \frac{2}{22} + 2\cdot \frac{2}{22} + 3\cdot \frac{5}{22} + 4\cdot \frac{6}{22} + 5\cdot \frac{3}{22} + 6\cdot \frac{4}{22} = 3\frac{9}{11} \approx 3,82.\) Dies ist der Notendurchschnitt!
Beispiel 2:
Eine Laplace-Münze wird zweimal geworfen. Die Zufallsgröße \(X\) gibt die Anzahl von Kopf an. Wie groß ist der Erwartungswert?
Die zugehörige Wahrscheinlichkeitsverteilung ist
\[\begin{array} {c|c} x & 0 & 1 & 2 \\ \hline P(X = x) & \frac{1}{4} & \frac{2}{4} & \frac{1}{4} \end{array}\]
Damit gilt: \(E(X) = 0\cdot \frac{1}{4} + 1\cdot \frac{2}{4} + 2\cdot \frac{1}{4} = 1\)
Beispiel 3:
Bei einem Glücksspiel wird ein Würfel geworfen. Der Einsatz beträgt 1 Euro. Fällt 1 oder 2, so bekommt man nichts ausbezahlt, bei 3 oder 4 erhält man 50 Cent ausbezahlt, bei 5 oder 6 erhält man 2 Euro. Die Zufallsgröße \(X\) gibt den Gewinn an. Wie groß ist der Erwartungswert?
Die zugehörige Wahrscheinlichkeitsverteilung ist
\[\begin{array} {c|c} x & -1 & -0,5 & 1 \\ \hline P(X = x) & \frac{1}{3} & \frac{1}{3} & \frac{1}{3} \end{array}\]
Damit gilt: \(E(X) = -1\cdot \frac{1}{3} + (-0,5)\cdot \frac{1}{3} + 2\cdot \frac{1}{3} = -\frac{1}{6} \approx -0,17\)
Der Spieler macht pro Spiel einen durchschnittlichen Verlust von rund 17 Cent!