Verfahren zum Lösen linearer Gleichungen
Überblick zu den Inhalten in diesem Kapitel
Es gibt ein paar unterschiedliche Verfahren, um die Lösungsmenge eines linearen Gleichungssystems zu ermitteln. Diese Verfahren unterscheiden sich zum Beispiel in ihrem Schreibaufwand, ihrem Rechenaufwand oder ihrer Flexibiltät bei der Anwendung.
In diesem Kapitel werden 3 Verfahren vorgestellt, die sich gegenseitig sehr gut ergänzen:
- Das Einsetzungsverfahren
- Das Additionsverfahren
- Das Gauß-Verfahren
\(\begin{array}{rrrrl}\text{I)} & 2x & +3y & -3z & =-1 \\ \text{II)} & x & +y & +2z & =9 \\ \text{III)} & 3x & +5y & -4z & =1 \\ \end{array}\)
\(\Rightarrow\quad L\ =\ ???\)
Grundidee der hier vorgestellten Verfahren:
Die Grundidee ist, dass man systematisch
- mithilfe einer der Gleichungen
- in allen anderen Gleichungen eine der Variablen zum Verschwinden bringt,
- um so ein Gleichungssystem mit weniger Gleichungen und weniger Variablen zu erhalten.
Das Einsetzungsverfahren
Phase 1: Anzahl der Gleichungen und Variabeln reduzieren\(\newcommand{\R}{{\rm I\!R}}\)
Die Idee bei diesem Verfahren ist,
- eine der Gleichungen nach einer Variablen aufzulösen (Ersetzungsgleichung) und
- diese Variable dann in die anderen Gleichungen einzusetzen,
- um dadurch in allen anderen Gleichungen eine Variable zu eliminieren und ein kleineres Gleichungssystem mit einer Variablen weniger zu erhalten.
Diese Vorgehensweise wendet man nun wiederholt auf das jeweils zuletzt verkleinerte Gleichungssystem an:
- wieder löst man eine der Gleichungen nach einer der verbliebenen Variablen auf (Ersetzungsgleichung) und
- setzt diese dann in die anderen Gleichungen ein, um wieder
- eine Variable in allen anderen Gleichungen zu eliminieren und ein kleineres Gleichungssystem mit einer Variablen weniger zu erhalten
Phase 2: Lösungen der einzelnen Variabeln ermitteln durch „Rückwärts-Einsetzen“
Das Verfahren ändert sich etwas, sobald nur noch eine einzige Gleichung übrig ist: Man
- löst auch diese Gleichung nach einer der verbliebenen Variablen auf,
- setzt deren Lösung nun in die unmittelbar davor verwendete Ersetzungsgleichung ein
- und kann so die Lösung der zugehörigen Variabeln ermitteln.
Beispiel
Gesucht ist die Lösungsmenge des nebenstehenden Gleichungssystems über der Grundmenge \(\R^3\).
\(\begin{array}{rrrrl}\text{I)} & 2x & +3y & -3z & =-1 \\ \text{II)} & x & +y & +2z & =9 \\ \text{III)} & 3x & +5y & -4z & =1 \\ \end{array}\)
PHASE 1: Anzahl der Gleichungen und Variablen reduzieren
Schritt 1
Zunächst löst man eine geeignet erscheinende Gleichung nach einer der Variablen auf.
Hier wird die II. Gleichung gewählt, weil die Umstellung der Gleichung nach \(x\) offenbar sehr einfach ist.
\(\begin{array}{rrrrl} \text{I)} & 2x & +3y & -3z & =-1 \\ \color{red}{\text{II)}} & \color{red}{x} & \color{red}{+y} & \color{red}{+2z} & \color{red}{=9} \\ \text{III)} & 3x & +5y & -4z & =1 \\ \end{array}\)
\(\Rightarrow\quad\color{darkorange}{x} = {\color{darkorange}{9\ -y\ -2z}}\)
Schritt 2
Die in Schritt 1 ausgewählte Variable ersetzt man nun in allen anderen Gleichungen durch den Term, den man in Schritt 1 für diese Variable ermittelt hat.
Anmerkung:
Dieses „Einsetzen“ des Terms ist der Grund, weshalb das Verfahren Einsetzungsverfahren heißt.
ACHTUNG:
Nachdem die soeben isolierte Variable aus der II. Gleichung stammt, darf die II. Gleichung vorerst nicht mehr verwendet werden.
\({\color{darkorange}{9\ -y\ -2z}}\) einsetzen für \(\color{darkorange}{x}\) in
\(\begin{array}{rrrrl} \text{I)} & 2\color{darkorange}{x} & +3y & -3z & =-1 \\ \text{III)} & 3\color{darkorange}{x} & +5y & -4z & =1 \\ \end{array}\)
ergibt
\(\begin{array}{rrrrl} \text{I)} & 2\color{darkorange}{(9\ -y\ -2z)} & +3y & -3z & =-1 \\ \text{III)} & 3\color{darkorange}{(9\ -y\ -2z)} & +5y & -4z & =1 \\ \end{array}\)
Schritt 3
Nachdem die linken Seiten der beiden Gleichungen jeweils ausmultipliziert und gleichnamige Terme zusammengefasst wurden, bringt man die Konstanten auf die rechte Seite.
Schließlich wird der Sinn von Schritt 2 sichtbar: es liegen nur noch 2 Gleichungen mit 2 Variablen vor.
\(\begin{array}{rrrrl} \text{I)} & y &- 7z & =-19 \\ \text{III)} & 2y & – 10z & =-26 \\ \end{array}\)
Schritt 4
Wie in Schritt 1 wird wieder eine geeignet erscheinende Gleichung gewählt, die sich möglichst einfach nach einer Variablen umstellen lässt.
Diesmal wird die I. Gleichung gewählt, weil das Umstellen nach \(y\) offenbar recht einfach ist.
\(\begin{array}{rrrrl} \color{red}{\text{I)}} & \color{red}{y} &\color{red}{- 7z} & \color{red}{=-19} \\ \text{III)} & 2y & – 10z & =-26 \\ \end{array}\)
\(\Rightarrow\quad\color{darkgreen}{y} = \color{darkgreen}{-19 + 7z}\)
Schritt 5
Wie in Schritt 2 ersetzt man diese Variable nun in der anderen Gleichung durch den Term, den man Schritt 3 für diese Variable ermittelt hat.
ACHTUNG:
Nachdem die sobeben isolierte Variable aus der I. Gleichung stammt, darf die I. Gleichung vorerst nicht mehr verwendet werden.
\(\color{darkgreen}{-19 + 7z}\) einsetzen für \(\color{darkgreen}{y}\) in
\(\begin{array}{rrrrl} \text{III)} & 2\color{darkgreen}{y} & – 10z & =-26 \end{array}\)
ergibt
\(\begin{array}{rrrrl} \text{III)} & 2\color{darkgreen}{(-19 + 7z)} & – 10z & =-26 \end{array}\)
PHASE 2: Lösungen der einzelnen Variablen ermitteln durch „Rückwärts-Einsetzen“
Schritt 6
Nachdem die linke Seite der übriggebliebenen Gleichung ausmultipliziert und gleichnamige Terme zusammengefasst wurden, bringt man die Konstante auf die rechte Seite.
Diese Gleichung lässt sich einfach nach der übrig gebliebenen Variablen auflösen.
\(\begin{array}{rrrrl} \text{III)} & 4z & =12 \end{array}\)
\(\Rightarrow\quad z\ =\ 3\)
Schritt 7
Nun hangelt man sich rückwärts durch die vorherigen Schritte und listet die Terme auf, die man jeweils für die Variablen eingesetzt hatte.
Damit kann man nun die Werte dieser Variablen berechnen.
Aus Schritt 4 ist bereits bekannt:
\(\color{darkgreen}{y} = \color{darkgreen}{-19 + 7z}\)
Mit \(z\ =\ 3\) erhält man \(y\ =\ -19\ +\ 7\cdot 3\ =\ 2\).
Aus Schritt 1 ist bereits bekannt:
\(\color{darkorange}{x} = {\color{darkorange}{9\ -y\ -2z}}\)
Mit \(z\ =\ 3\) und \(y\ =\ 2\) erhält man \(x\ =\ 9\ -2\ -2\cdot 3 = 1\).
Die Lösungsmenge des Gleichungssystems lautet folglich \(L=\{(1; 2; 3)\}.\)