Grundkenntnisse über Winkel und ihre Größe
Benötigtes Wissen
Um verstehen zu können, wie die Größe des Zwischenwinkels zweier Vektorpfeile berechnet wird, sind folgende Grundkenntnisse nötig:
- Was ist ein Winkel?
- Wie wird die Größe eines Winkels angegeben?
- Was ist der Kosinus und der Sinus eines Winkels?
- Wie lautet der Kosinussatz im allgemeinen Dreieck?
Mit der Beantwortung dieser Fragen beschäftigt sich dieses Kapitel.
Überblick zu den Inhalten dieses Kapitels
(1) Definition des Winkels
(2) Beschreibung der Größe eines Winkels (im Gradmaß, im Bogenmaß)
(3) Indirekte Beschreibung der Größe eines Winkels mithilfe der Koordinaten eines Einheitskreispunkts (Kosinus und Sinus).
(4) Aufgeben: sin, cos, tan berechnen, bzw. Winkelgröße ermitteln bei vorgegebenen sin/cos/tan-Werten
(5) Der Kosinussatz (Verallgemeinerung des Satzes von Pythagoras in allgemeinen Dreiecken)
Was ist ein Winkel?
Gegeben sind die Punkte A, B und S, die in derselben Ebene E liegen und voneinander verschieden sind.
Betrachtet wird eine im Punkt S beginnende Halbgerade w, die zunächst durch den Punkt A verläuft.
Dreht man nun die Halbgerade w so um den Punkt S, dass sie stets in der Ebene E verläuft und am Ende der Drehung durch den Punkt B verläuft, so wird derjenige Teil der Ebene als Winkel \(\require{AMSsymbols}\sphericalangle ASB\) bezeichnet, der während der Drehung von der Halbgeraden w überstrichen wird.
Die Halbgerade [SA heißt erster Schenkel von \(\sphericalangle ASB\).
Die Halbgerade [SB heißt zweiter Schenkel von \(\sphericalangle ASB\).
Der Punkt S heißt Scheitel (oder auch Scheitelpunkt) von \(\sphericalangle ASB\).
Die Richtung von \(\sphericalangle ASB\) wird festgelegt durch die Drehrichtung der Halbgeraden w. Sie verläuft üblicherweise gegen den Uhrzeigersinn.
Wie beschreibt man die Größe eines Winkels?
Die Größe eines Winkels kann auf verschiedene Weisen angegeben werden.
Vorschlag 1: Größe des Winkels im Gradmaß angeben
Man legt fest, dass der Vollwinkel eine Größe von 360° (spricht: „360 Grad“) hat. Die Einheit ° darf nicht weggelassen werden.
Die Idee dahinter:
Die Zahl 360 lässt sich durch viele Zahlen ohne Rest teilen.
Vorschlag 2: Größe des Winkels im Bogenmaß angeben
Man legt fest, dass der Vollwinkel eine Größe von \(2\pi\ rad\) (sprich „2 pi radiant“) hat. Die Einheit rad wird üblicherweise weggelassen.
Die Idee dahinter:
Zeichnet man einen Kreisbogen mit Radius \(r = 1\) und Mittelpunkt S beginnend beim 1. Schenkel und endend beim 2. Schenkel, so kann man die Länge dieses Kreisbogens (ohne Einheit) auch als Maß für die Größe des Winkels verwenden.
Veranschaulichung des Zusammenhangs von Gradmaß und Bogenmaß
| Bezeichnung | Größe im Gradmaß | Größe im Bogenmaß |
|---|---|---|
| spitzer Winkel | \(\alpha < 90^{\circ}\) | \(\alpha < \frac{1}{2}\pi\) |
| rechter Winkel | \(\alpha = 90^{\circ}\) | \(\alpha = \frac{1}{2}\pi\) |
| stumpfer Winkel | \(90^{\circ} < \alpha < 180^{\circ}\) | \(\frac{1}{2}\pi < \alpha < \pi\) |
| gestreckter Winkel | \(\alpha = 180^{\circ}\) | \(\alpha = \pi\) |
| überstumpfer Winkel | \(180^{\circ} < \alpha < 360^{\circ}\) | \(\pi < \alpha < 2\pi\) |
| Vollwinkel | \(\alpha = 360^{\circ}\) | \(\alpha = 2\pi\) |
Vorschlag 3: Größe des Winkels mithilfe der Koordinaten eines Einheitskreispunkts beschreiben
Spielen Sie die folgenden Schritte im nachfolgenden Geogebra-Applet nach, um diese Art der Winkelgrößen-Beschreibung zu nachvollziehen.
1. Schritt:
Man zeichnet ein rechtwinkliges Dreick, dessen einer Innenwinkel genauso groß wie der Winkel \(\alpha\) ist.
(Häkchen bei „Rechtwinkliges Dreieck“ setzen)
2. Schritt:
Man stellt fest,
- dass die Seitenverhältnisse in einem rechtwinkligen Dreieck gleich bleiben, egal wie groß man es zeichnet, solange man die Größe der Innenwinkel nicht verändert.
(Punkt P verschieben, um Größe des Dreiecks zu verändern)
- dass zu jeder Größe von \(\alpha\) genau ein bestimmtes Seitenverhältnis gehört.
(Punkt B verschieben, um Größe von \(\alpha\) zu verändern)
Die Seitenverhältnisse sind so wichtig, dass man ihnen eigenen Namen gegeben hat: Sinus, Kosinus und Tangens (kurz: sin, cos, tan).
| Bezeichnung | \(sin(\alpha)\) | \(cos(\alpha)\) | \(tan(\alpha)\) |
|---|---|---|---|
| Seitenverhältnis | \(\frac{\color{darkorchid}{geg}}{\color{magenta}{hyp}}\) | \(\frac{\color{orange}{an}}{\color{magenta}{hyp}}\) | \(\frac{\color{darkorchid}{geg}}{\color{orange}{an}}\) |
Die drei Seiten des rechtwinkligen Dreiecks werden hier mit an, geg und hyp abgekürzt:
an: die an dem Winkel anliegende Kathete des rechtwinkligen Dreiecks
geg: die dem Winkel gegenüber liegende Kathete des rechtwinkligen Dreiecks
hyp: die Hypothenuse (= längste Seite) des rechtwinkligen Dreiecks
3. Schritt:
Man zeichnet das rechtwinklige Dreieck so, dass seine Hypothenuse die Länge 1 hat.
(Häkchen bei „Kreis mit Radius 1“ und „P fix auf Einheitskreis“)
Beobachtung:
Wenn der Punkt P auf dem Einheitskreis liegt, lassen sich die Koordinaten von P mithilfe der Seitenverhältnisse \(sin(\alpha)\) und \(cos(\alpha)\) beschreiben.
Erweiterung der Definition
Mithilfe des Punkts auf dem Einheitskreis kann man sin, cos und tan auch für Winkel feststelegen, die größer als 90° sind.
\(sin(\alpha)=\) y-Koordinate von P (auf dem Einheitskreis)
\(cos(\alpha)=\) x-Koordinate von P (auf dem Einheitskreis)
\(tan(\alpha)=\) \(\frac{sin(\alpha)}{cos(\alpha)}\) \(= \frac{y}{x}\)
Veranschaulichung des Zusammenhangs von Winkelgröße und Einheitskreispunkt-Koordinaten
Für einige Winkelgrößen kann man die Werte von \(sin(\alpha)\), \(cos(\alpha)\) und \(tan(\alpha)\) exakt berechnen:
| \(\alpha\) im Gradmaß | \(\alpha\) im Bogenmaß | \(sin(\alpha)=y_{P}\) | \(cos(\alpha)=x_{P}\) | \(tan(\alpha)=\frac{y_P}{x_P}\) |
|---|---|---|---|---|
| 0° | 0 | 0 | 1 | 0 |
| 30° | \(\frac{1}{6}\pi\) | \(\frac{1}{2}\) | \(\frac{1}{2}\sqrt{3}\) | \(\frac{1}{3}\sqrt{3}\) |
| 45° | \(\frac{1}{4}\pi\) | \(\frac{1}{2}\sqrt{2}\) | \(\frac{1}{2}\sqrt{2}\) | 1 |
| 60° | \(\frac{1}{3}\pi\) | \(\frac{1}{2}\sqrt{3}\) | \(\frac{1}{2}\) | \(\sqrt{3}\) |
| 90° | \(\frac{1}{2}\pi\) | 1 | 0 | nicht definiert |
| 120° | \(\frac{2}{3}\pi\) | \(\frac{1}{2}\sqrt{3}\) | \(-\frac{1}{2}\) | \(-\sqrt{3}\) |
| 135° | \(\frac{3}{4}\pi\) | \(\frac{1}{2}\sqrt{2}\) | \(-\frac{1}{2}\sqrt{2}\) | \(-1\) |
| 150° | \(\frac{5}{6}\pi\) | \(\frac{1}{2}\) | \(-\frac{1}{2}\sqrt{3}\) | \(-\frac{1}{3}\sqrt{3}\) |
| 180° | \(\pi\) | 0 | \(-1\) | 0 |
Aufgaben
In dem nachfolgenden Geogebra-Applet gibt es zwei verschiedene Aufgabentypen:
Typ 1: Für einen vorgegebenen Winkel α soll cos(α), sin(α) oder tan(α) ermittelt werden.
Typ 2: Für einen vorgegebenen Funktionswert von sin(α), cos(α) oder tan(α) soll die Größe von α ermittelt werden. Zur Bestimmung der Lösung kann der Einheitskreis verwendet werden.
Anmerkungen:
- Bei der Winkelbestimmung sind evtl. verschiedene Lösungen möglich.
- Winkel können im Gradmaß (dann das Grad-Symbol als Einheit nicht vergessen!) oder im Bogenmaß angegeben werden.
- In dem kleinen grünen Kreis oben rechts mit den 4 Sektoren kann man auswählen, aus welchen Bereichen die Winkel gewählt werden dürfen.
- Die Lösungstaste kann jeweils 2 mal gedrückt werden: beim ersten Mal wird die Lösung nur graphisch angedeutet, beim zweiten Mal wird die Lösung schriftlich angegeben.
Wie lautet der Kosinussatz im allgemeinen Dreieck?
Will man von einem allgemeinen Dreieck, dessen Seitenlängen a, b und c bekannt sind, die Größen der Innenwinkel \(\alpha\), \(\beta\) und \(\gamma\) berechnen, so ist der „Kosinussatz“ sehr hilfreich.
Der Kosinussatz ist eine besondere Gleichung, mit deren Hilfe man den Kosinus eines Innenwinkels ermitteln kann. Diese Gleichung erinnert nicht nur sehr stark an den Satz des Pythagoras, sondern beinhaltet diesen sogar als Spezialfall.
Da zu jedem Kosinuswert jeweils eine eindeutige Winkelgröße zwischen 0° und 180° gehört und ein Innenwinkel eines Dreiecks nicht größer als 180° sein kann, kann man aus dem Kosinuswert letztendlich auf die zugehörige Winkelgröße schließen.
Bemerkung:
Wir benötigen den Kosinussatz in diesem Kurs nur für eine Herleitung im nächsten Kapitel „Winkel zwischen 2 Vektoren“.
Kosinussatz im allgemeinen Dreieck
\(\text{(1. Seite)}^2 =\)\(\text{(2. Seite)}^2 + \text{(3. Seite)}^2\)\(- 2\cdot\text{(2. Seite)}\cdot\text{(3. Seite)}\)\(\cdot cos(\text{Zwischenwinkel der 2. und 3. Seite})\)
Damit gibt es 3 Versionen des Kosinussatzes:
\(a^2 = b^2 + c^2 – 2\cdot b\cdot c \cdot cos(\alpha)\)
\(b^2 = a^2 + c^2 – 2\cdot a\cdot c \cdot cos(\beta)\)
\(c^2 = a^2 + b^2 – 2\cdot a\cdot b \cdot cos(\gamma)\)
In den beiden folgenden Geogebra-Applets kann man auf verschiedene Weisen nachverfolgen, wie der Kosinussatz hergeleitet werden kann.
Herleitung (Vorschlag 1)
Herleitung (Vorschlag 2)