Der Logarithmus zur Basis \(e\)

\(\newcommand{\IR}{\mathrm{I\!R}} \newcommand{\curvelinks}{\style{display: inline-block; transform: rotate(0.5turn);}{\curvearrowleft}}\newcommand{\abl}[1]{{#1}^{\large\prime}}\newcommand{\abb}[1]{{#1}^{\large\prime \prime}}\newcommand{\fs}[1]{{#1}^{\large\prime}}\newcommand{\fss}[1]{{#1}^{\large\prime \prime}}\)Im diesem Abschnitt beschäftigen wir uns mit dem Logarithmus zur Basis \(e\) (kurz: \(\ln\)), der die \(e\)-Funktion „neutralisieren“ kann.

Wir werden außerdem sehen, dass man jeden beliebigen Logarithmus mithilfe des Logarithmus zur Basis \(e\) berechnen kann.

Erinnerung: „\(e\)-Funktion“

Die Exponentialfunktion \(f:x\mapsto e^x\) mit der Definitionsmenge \(D_f=\IR\)
heißt Exponentialfunktion zur Basis \(e\) bzw. natürliche Exponentialfunktion
oder etwas kürzer einfach nur \(e\)-Funktion.

Die Zahl \(e\)

  • heißt „Eulersche Zahl“,
    wobei näherungsweise gilt: \(e\approx 2{,}71828 18284 59045 …\) .
  • ist die einzige Basis einer Exponentialfunktion, bei der gilt: \(\fs{f}(x) = f(x)\).

Es gilt also: \(\fs{f}(x) = e^x\).

Der passende Logarithmus zur \(e\)-Funktion: „Logarithmus naturalis“

Aufgabe

Gegeben ist die Funktion \(f:x\mapsto e^x\) mit der Definitionsmenge \(D_f=\IR\).

Ermitteln Sie den Wert von \(x\), für den gilt:

Die HOCHZAHL \(\color{blue}{h}\), die nötig ist,
damit \(\color{red}{b}^\color{blue}{h}\) den Wert \(\color{magenta}{w}\) ergibt, heißt

  • „LOGARITHMUS von \(\color{magenta}{w}\) zur Basis \(\color{red}{b}\)“

Kurz: \(\color{red}{b}^\color{blue}{h} = \color{magenta}{w} \implies \color{blue}{h} = \color{blue}{log_\color{red}{b}}(\color{magenta}{w})\)

Beispiel:

Es gilt: \(2^4 = 16\)

Deshalb kann man schreiben: \(2^x = 16 \implies x = \log_2(16) = 4\)

a)  \(f(x)=\dfrac{1}{e^3}\)

b) \(f(x)=20\)

\(\begin{array}{lrcl}
& f(x) &=& \dfrac{1}{e^3}\\
\Rightarrow & e^x &=& e^{-3}\\
\Rightarrow & x &=& -3\\
\end{array}\)

\(\begin{array}{lrcl}
& f(x) &=& 20\\
\Rightarrow & e^x &=& 20\\
\Rightarrow & x &=& \log_{e}(20)\\
\end{array}\)

Einen Näherungswert von \(\log_e(20)\)
liefert z.B. der Taschenrechner:

\(\log_e(20)\approx 2{,}995732273553991\).

Definition: „Logarithmus naturalis“

Weil der Logarithmus zur Basis \(e\) sehr oft benötigt wird, gibt es dafür eine etwas kürzere Schreibweise:

  • Anstelle von \(\color{blue}{\log}_\color{red}{e}(x)\) schreibt man \(\color{blue}{\ln}(x)\)
  • Also: \(\color{blue}{\ln}(x) = \color{blue}{\log}_\color{red}{e}(x)\)

\(\color{blue}{\ln}\) ist die Abkürzung für logarithmus naturalis.

Es gilt also: \(\color{blue}{\ln}(\color{magenta}{w}) = \color{blue}{h} \ \ \Longleftrightarrow\ \ \color{red}{e}^\color{blue}{h} = \color{magenta}{w}\)

Logarithmus naturalis“ bedeutet
natürlicher Logarithmus„.

Dieser Name wurde gewählt,
weil der „Logarithmus naturalis“ in vielen naturwissenschaftlichen Zusammenhängen eine wichtige Rolle spielt.

\(\)
Beispiele

  • \(\ln(1) = {\color{blue}{0}}\), weil \(e^{\color{blue}{0}} = 1\) ist.
  • \(\ln(e) = {\color{blue}{1}}\), weil \(e^{\color{blue}{1}} = e\) ist.
  • \(\ln(\frac{1}{e}) = {\color{blue}{-1}}\), weil \(e^{\color{blue}{-1}} = \frac{1}{e}\).
  • \(\ln(e^x) = {\color{blue}{x}}\), weil \(e^{\color{blue}{x}} = e^x\) ist.
  • \(e^{\color{blue}{x}} = 20\) \(\ \Rightarrow\ {\color{blue}{x}} = \ln(20) \approx 2{,}995732273553991\)
  • \(\lower{3em}{\begin{array}{lrcl}
    & 2\cdot e^{\color{blue}{4x-1}} – 40 &=& 0\\
    \Rightarrow & e^{\color{blue}{4x-1}} &=& 40\\
    \Rightarrow &  {\color{blue}{4x-1}} &=& ln(20)\\
    \Rightarrow & 4x &=& 1+\ln(20)\\
    \Rightarrow & x &=& \frac{1}{4}\cdot \left(1+\ln(20)\right)
    \end{array}}\)
  • \(\ln(-10)=y\)  ist NICHT LÖSBAR!
    \(\ln(-10)=y\)  wäre gleichbedeutend mit \(e^y = -10\), aber \(e^y\) ist stets eine positive Zahl.

ln-Rechengesetze

Da \(\ln\) ein Logarithmus ist, gelten für \(ln\) dieselben Rechengesetze wie für alle anderen Logarithmen auch.

Formuliert mit \(\ln\) anstelle von \(\log_e\) lauten die Rechengesetze (\(c, d\in\IR^+\) und \(k\in\IR\)):

Begründung der ln-Rechengesetze

In den folgenden Begründungen wird vorausgesetzt, dass \(c, d\) beide positiv sind. Also können wir definieren:
\(y = \ln(c)\) und \(z = \ln(d)\).

Das nutzen wir, um \(c\) und \(d\) als Potenzen von \(e\) darzustellen:
\(c = e^y\) und \(d = e^z\).

\(\ln\) von einem Produkt:

\(\ln(c\cdot d) = \ln(c) + \ln(d)\)

\(\ln(c\cdot d) = \ln(e^y\cdot e^z) = \ln(e^{y+z})\)
\(\phantom{\ln(c\cdot d) = \ln(e^y\cdot e^z) }= y + z\)
\(\phantom{\ln(c\cdot d) = \ln(e^y\cdot e^z) }= \ln(c) + \ln(d)\)

\(\ln\) von einem Quotienten:

\(\ln(c : d) = \ln(c)-\ln(d)\)

\(\ln(c : d) = \ln(e^y : e^z) = \ln(e^{y-z})\)
\(\phantom{\ln(c : d) = \ln(e^y : e^z) }= y-z\)
\(\phantom{\ln(c : d) = \ln(e^y : e^z) }= \ln(c)-\ln(d)\)

\(\ln\) von einer Potenz:

\(\ln(c^k) = k\cdot \ln(c)\)

\(\ln(c^h) = \ln((e^y)^h) = \ln(e^{y\cdot h})\)
\(\phantom{\ln(c^h) = \ln((e^y)^h) }= y\cdot h \)
\(\phantom{\ln(c^h) = \ln((e^y)^h) }= h\cdot y\)
\(\phantom{\ln(c^h) = \ln((e^y)^h) }= h\cdot ln(c)\)

Neutralisierung von e-Funktion und \(\ln\):

\(e^{\ln(d)} = d\)

\(e^{\color{red}{x}} = d \,\Longleftrightarrow\, {\color{red}{x}} = \ln(d)\)

\(\implies e^{{\color{red}{\ln(d)}}} = d\)

Darstellung beliebiger Logarithmen mithilfe des logarithmus naturalis

Auch wenn ein Taschenrechner keine allgemeine Logarithmus-Taste, sondern NUR eine \(\ln\)-Taste besitzt (was früher bei vielen Taschenrechnern tatsächlich der Fall war), kann man mit diesem Taschenrechner trotzdem jeden Logarithmus zu irgendeiner anderen Basis berechnen.

Es gibt nämlich eine einfache Formel, mit der man jeden Logarithmus zu irgendeiner anderen Basis mithilfe von \(\ln\) berechnen kann: die sog. Basis-Wechsel-Formel.

Die Herleitung ist deshalb lehrreich, weil sie zeigt, wie man \(\ln\) nutzen kann, um das \(x\) aus dem Exponenten einer beliebigen Potenz „herunter zu schubsen“.

Herleitung

Mithilfe des \(\ln\)-Rechengesetzes
für den „\(\ln\) von einer Potenz“
\(\ln(b^x) = x \cdot \ln(b)\)
kann man die sog. „Basis-Wechsel-Formel“ herleiten:

\(\begin{array}{ll}(1)\ b^x = w & (2)\ b^x = w \\\ \Rightarrow\  x = \log_b(w)\quad &\ \Rightarrow\ \ln(b^x) = \ln(w)\\ &\ \Rightarrow\ x \cdot ln(b) = \ln(w)\\ &\ \Rightarrow\ x = \dfrac{\ln(w)}{\ln(b)}\end{array}\)

Aus \((1)\) und \((2)\) folgt:

\(\log_b(w) = \dfrac{\ln(w)}{\ln(b)}\)   („Basis-Wechsel-Formel„)

Beispiel

Gesucht: Lösung der Gleichung \(2^x = 256\)

Lösung:

\(\begin{array}{ll}(1)\ 2^x = 256 & (2)\ 2^x = 256 \\\ \Rightarrow\  x = log_2(256)\quad &\ \Rightarrow\ \ln(2^x) = \ln(256)\\ &\ \Rightarrow\ x \cdot \ln(2) = \ln(256)\\ &\ \Rightarrow\ x = \dfrac{\ln(256)}{\ln(2)}\end{array}\)

Oder gleich mittels Basis-Wechsel-Formel: \(x = \log_2(256) = \dfrac{\ln(256)}{\ln(2)}\)

Näherungsweise mithilfe des Taschenrechners:

  • \(\ln(256) \approx 5{,}545177444479562\)
  • \(\ln(2) \approx  0{,}6931471805599453\)
  • \(\dfrac{ln(256)}{\ln(2)} \approx \dfrac{5{,}545177444479562}{0{,}6931471805599453} \approx 8\)

Exakt gilt sogar: \(\dfrac{\ln(256)}{\ln(2)} = 8\)

Kontrolle: \(2^8 = 256\), also ist \(\log_2(256) = 8\)

Zusammenfassung

1) Exponentialfunktion zur Basis \(e\) (auch \(e\)-Funktion genannt)

  • \(g(x) = e^x \implies \fs{g}(x) = e^x\)
  • \(e\approx 2{,}71828 18284 59045 …\)

2) Logarithmus zur Basis \(e\) (auch Logarithmus naturalis genannt)

  • \(\color{blue}{\ln}(x) = \color{blue}{\log}_\color{red}{e}(x)\)
  • \(\color{blue}{\ln}(\color{magenta}{w}) = \color{blue}{h} \,\Longleftrightarrow\,  \color{red}{e}^\color{blue}{h} = \color{magenta}{w}\)
  • \(\log_b(w) = \dfrac{\ln(w)}{\ln(b)}\)   („Basis-Wechsel-Formel„)