Sekanten- und Tangentensteigung

Von der Sekante zur Tangente

Einführungsbeispiel

\(\newcommand{\IR}{\mathrm{I\!R}}\)Herr T. fährt mit dem Auto von Bamberg über Erlangen nach Nürnberg. Er fährt um 8.00 Uhr in Bamberg los, passiert um 8.30 Uhr Erlangen und erreicht sein Ziel in Nürnberg um 8.55 Uhr. Insgesamt legt er dabei mit dem Auto einen Weg der Länge 62,5 km zurück, von Bamberg bis nach Erlangen sind es nur 42,5 km.

Ermitteln Sie die Geschwindigkeit, mit der Herr T. von Erlangen nach Nürnberg gefahren ist.

Lösungsvorschlag:

Beschreibt der Term \(f(t)\) den ab Bamberg zurückgelegten Weg in Kilometern, wobei \(t\) die Fahrdauer in Minuten seit dem Start in Bamberg angibt, so kann man die Information aus dem obigen Text kurz folgendermaßen darstellen:

Fahrdauer bis Erlangen: \(t_E=30\)
Fahrdauer bis Nürnberg: \(t_N=55\)

Zurückgelegte Weglänge nach Erlangen: \(f(t_E) = 42{,}5\)
Zurückgelegte Weglänge nach Nürnberg: \(f(t_N) = 62{,}5\)

Da über das genaue Fahrverhalten (Wann beschleunigt er? Wann bremst er ab?) während der Fahrt von Herrn T. keine Informationen vorliegen, können wir „nur“ eine Aussage über eine durchschnittliche Geschwindigkeit während der Fahrt von Erlangen nach Nürnberg machen:

Durchschnittliche Geschwindigkeit \(\overline{v}=\dfrac{\text{zurückgelegter Weg}}{\text{dafür benötigte Zeit}}\)

Für die Fahrt von Erlangen nach Nürnberg gilt also:

\(\overline{v}=\dfrac{\Delta f(t)}{\Delta t}=\dfrac{f(t_N)-f(t_E)}{t_N – t_E}\)
\(\Rightarrow\quad\overline{v}\)\(=\dfrac{62{,}5-42{,}5}{55 -30}\)\(=\dfrac{20}{25}\)\(=\dfrac{4}{5}\)

Wir erhalten als Ergebnis, dass Herr T. von Erlangen nach Nürnberg mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von \(48\mathrm{\frac{km}{h}}\) gefahren ist.

\(\overline{v}=\dfrac{4\cdot 12}{5\cdot 12}=\dfrac{48 (\mathrm{km})}{60 (\mathrm{min})}=\dfrac{48 (\mathrm{km})}{1,0 (\mathrm{h})}\)

Graphische Interpretation:

Interpretieren wir den Term \(f(t)\) als Funktionsterm einer Funktion \(f\), so können wir die Fahrt von Herrn T. in einem einem Koordinatensystem in Gestalt des Funktionsgraphen der Funktion \(f\) mit der Definitionsmenge \(D_f=[0; 55]\) veranschaulichen.

Dabei liegen uns nur die Ortsangaben zu drei verschiedenen Zeitpunkten vor, der exakte Verlauf des Graphen von \(f\) ist in diesem Beispiel reine Spekulation.

Auch die mittlere Geschwindigkeit \(\overline{v}=\dfrac{\Delta f(t)}{\Delta t}\) kann man in der Graphik veranschaulichen, diese wird als Steigung einer Geraden durch die beiden Punkte \(E\bigl(t_E|f(t_E)\bigr)\) und \(N\bigl(t_N|f(t_N)\bigr)\) gedeutet.

Eine solche Gerade, welche den Funktionsgraphen in zwei Punkten durchsetzt, nennt man auch Sekante („Durchschneidende“). Die mittlere Geschwindigkeit ist also die Steigung der Sekanten bzgl. der Punkte \(E\) und \(N\).

\(\ \)

 

 

Sekanten und deren Steigung

\(\newcommand{\IR}{\mathrm{I\!R}}\)Durchsetzt eine Gerade \(s\) den Funktionsgraphen einer Funktion \(f\) (unter anderem) in den Punkten \(P\) und \(Q\), dann bezeichnet man sie als Sekante des Graphen von \(f\) bzgl. der Punkte \(P(x_P|f(x_P)\) und \(Q(x_Q|f(x_Q)\).

Für die Steigung \(m_s\) dieser Sekante \(s\) gilt:

\(m_s=\dfrac{\Delta y}{\Delta x}=\dfrac{f(x_P)-f(x_Q)}{x_P-x_Q}\)

Der Term \(\dfrac{f(x_P)-f(x_Q)}{x_P-x_Q}\) wird auch als Differenzenquotient von \(f\) bzgl. \(x_P\) und \(x_Q\) bezeichnet (weil er ein Quotient aus zwei Differenzen ist).

Mittlere Änderungsrate

Da die Steigung \(m_s\) der Sekante an den Graphen einer Funktion \(f\) zwischen zwei Punkten \(P\) und \(Q\) angibt, wie stark sich die Funktionswerte der Funktion \(f\) durchschnittlich (im Mittel) ändern, heißt sie auch mittlere Änderungsrate von \(f\) zwischen \(P\) und \(Q\). Sie gibt die mittlere (durchschnittliche) Änderungstendenz (also Zunahme oder Abnahme) der Funktionswerte von \(f\) an.

mittlere Änderungsrate = Sekantensteigung \(m_s\)

Interaktives Beispiel

Versuchen Sie, im nächsten Geogebra-Applet folgendes zu beobachten:

Gegeben ist eine Funktion \(f:x\mapsto f(x)\) mit der Definitionsmenge \(D_f=\IR\) und dem Graphen \(G_f\). Auf \(G_f\) liegen die Punkte \(P\) und \(Q\).

Schiebt man den Punkt \(P\) auf \(G_f\) entlang immer näher an den Punkt \(Q\) heran, so liegen die beiden Punkte \(P\) und \(Q\) irgendwann so nah beieinander, dass man sie mit bloßen Auge nicht mehr unterscheiden kann.

In dem Augenblick, in dem \(P\) exakt auf \(Q\) liegt, passieren zwei Dinge… welche?

In dem Augenblick, in dem \(P\) exakt auf \(Q\) liegt, passieren zwei Dinge:

  • Die Gerade \(s\) durchsetzt den Graphen von \(f\) nicht länger in zwei Punkten, sondern sie berührt ihn nur noch in einem einzigen Punkt. Die Gerade \(s\) ist nun keine Sekante mehr, sondern eine Tangente \(t\).
  • Die Steigung der Tangente \(t\) kann nicht mehr mit der Formel \(m_s=\dfrac{f(x_P)-f(x_Q)}{x_P-x_Q}\) berechnet werden, weil \(x_P-x_Q\) unter dem Bruchstrich nun den Wert \(0\) hat, aber die Division durch \(0\) verboten ist.
 

 

Ableitung und Ableiten, Tangentensteigung

Gegeben sei eine Funktion \(f:x\mapsto f(x)\) mit der Definitionsmenge \(D_f\subseteq \IR\).

  • Besitzt der Graph von \(f\) an einer Stelle \(x\) im zugehörigen Punkt \(Q\bigl(x|f(x)\bigr)\) eine eindeutige Tangente mit endlicher Steigung \(m_x\), so nennt man diese Tangentensteigung \(m_x\) auch Ableitung von \(f\) an der Stelle \(x\).
  • Die Steigung \(m_x\) der Tangente am Graphen von \(f\) im Punkt \(Q\bigl(x|f(x)\bigr)\) bzw. die Ableitung von \(f\) an der Stelle \(x\) kann kurz mit \(f^{\large\prime}(x)\) bezeichnet werden.
  • Die Durchführung der Berechnung einer Ableitung von \(f\) an einer Stelle \(x\) nennt man Ableiten.

Rechnerische Ermittlung der Steigung der Tangente am Graphen von \(f\) an der Stelle \(x\)

Um die Steigung der Tangente \(t\) rechnerisch ermitteln zu können, muss es einem zuerst irgendwie gelingen, mithilfe geeigneter Umformungsregeln den Term \(\dfrac{f(x_P)-f(x_Q)}{x_P-x_Q}\) so zu verändern,

  • dass sich der gesamte Term \(x_P-x_Q\) aus dem Bruch kürzen lässt, NOCH BEVOR der Punkt \(P\) auf den Punkt \(Q\) geschoben wird!
  • oder dass dabei „bekannte“ Sekantensteigungs-Terme auftauchen.

Erst dann kann man den Punkt \(P\) „unendlich nah“ an den Punkt \(Q\) heranschieben, wobei die \(x\)-Koordinate von \(P\) letztendlich den Wert der \(x\)-Koordinate von \(Q\) annehmen wird (Schreibweise: \(x_P\to x_Q\), Sprich: „\(x_P\) strebt gegen \(x_Q\)“).

In Worten:

Wenn \(x_P\) gegen \( x_Q\) strebt, dann strebt die Sekantensteigung \(\frac{f(x_P)-f(x_Q)}{x_P-x_Q}\) gegen die Tangentensteigung \(f^{\large\prime}(x_Q)\) .

In mathematischer Schreibweise:

\(x_P\to x_Q\Rightarrow\frac{f(x_P)-f(x_Q)}{x_P-x_Q}\to f^{\large\prime}(x_Q)\)

\(\ \)
\(\ \)

Alternative mathematische Schreibweise:

\(\lim\limits_{x_P\to x_Q}\left(\frac{f(x_P)-f(x_Q)}{x_P-x_Q}\right)= f^{\large\prime}(x_Q)\)

\(\ \)

Lokale Änderungsrate

Die Steigung \(m_t\) der Tangente an den Graphen einer Funktion \(f\) in einem Punkt \(P\) hat die Bedeutung der lokalen Änderungsrate der Funktionswerte der Funktion \(f\). Sie gibt die lokale Änderungstendenz (also Zunahme oder Abnahme) der Funktionswerte von \(f\) an.

\(m_t=f^{\large\prime}(x)\)

lokale Änderungsrate = Tangentensteigung

Beispiel 1 (Tangentensteigung bei \(x=1\))

Gegeben ist die Funktion \(f\) mit der Gleichung \(f(x) = \frac{1}{2}x^2-2\) und der Definitionsmenge \(D_f=\IR\). Gesucht wird die Steigung der Tangente am Graphen von \(f\) im Punkt \(Q\bigl(1|f(1)\bigr)\).

Gegeben sind:

  • die Funktion \(f:x\mapsto \frac{1}{2}x^2-2\) mit der Definitionsmenge \(D_f=\IR\),
  • der „feste“ Punkt \(Q\bigl(1|f(1)\bigr)\) auf dem Graphen von \(f\),
  • der „bewegliche“ Punkt \(P\bigl(b|f(b)\bigr)\) auf dem Graphen von \(f\) und
  • die Sekante \(s\) durch die Punkte \(P\) und \(Q\).

1. Schritt: Ermitteln eines Terms für die Steigung der Sekante \(s\)

Für die Sekantensteigung gilt:

\(m_s=\dfrac{f(1)-f(b)}{1-b}\) \(=\dfrac{(\frac{1}{2}-2)-(\frac{1}{2}b^2-2)}{1-b}\)

2. Schritt: Faktorisieren und Vereinfachen des Sekantensteigungs-Terms

Der Sekantensteigungsterm lässt sich folgendermaßen umformen:

\(m_s=\dfrac{(\frac{1}{2}-2)-(\frac{1}{2}b^2-2)}{1-b}\) \(=\dfrac{\frac{1}{2}\cdot (1-b^2)}{1-b}\) \(=\dfrac{1}{2}\cdot\dfrac{ (1-b)\cdot (1+b)}{1-b}\)\(=\dfrac{1}{2}\cdot (1+b)\)

3. Schritt: Annähern des „beweglichen“ Punkts \(P\) an den „festen“ Punkt \(Q\)

Wenn \(P\) „unendlich nah“ an \(Q\) herangeschoben wird, dann nimmt die \(x\)-Koordinate von \(P\)  letztendlich den Wert der \(x\)-Koordinate von \(Q\) an, d.h.: \(b\) hat letztendlich den Wert \(1\) (Schreibweise: \(b\to 1\)):

Aus dem Term der Sekantensteigung

\(m_s=\dfrac{1}{2}\cdot (1+b)\)

wird durch \(b\to 1\) der Wert der Steigung der Tangente am Graphen von \(f\) an der Stelle \(x=1\):

\(f^{\large\prime}(1)=\dfrac{1}{2}\cdot (1+1) = \dfrac{1}{2}\cdot 2 = 1\).

\(f^{\large\prime}(1)=\lim\limits_{b\to 1}\left(\dfrac{f(1)-f(b)}{1-b}\right)\)
\(\phantom{f^{\large\prime}(1)}=\lim\limits_{b\to 1}\left(\dfrac{(\frac{1}{2}-2)-(\frac{1}{2}b^2-2)}{1-b}\right)\)
\(\phantom{f^{\large\prime}(1)}=\lim\limits_{b\to 1}\left(\dfrac{\frac{1}{2}-\frac{1}{2}b^2}{1-b}\right)\)
\(\phantom{f^{\large\prime}(1)}=\lim\limits_{b\to 1}\left(\dfrac{1}{2}\cdot\dfrac{ (1-b)\cdot (1+b)}{1-b}\right)\)
\(\phantom{f^{\large\prime}(1)}=\lim\limits_{b\to 1}\left(\dfrac{1}{2}\cdot (1+b)\right)\)
\(\phantom{f^{\large\prime}(1)}=\dfrac{1}{2}\cdot (1+1)=1\)

Beispiel 2 (Tangentensteigung bei \(x\), ohne konkrete Angabe von \(x\))

Gegeben ist wieder die Funktion \(f\) mit der Gleichung \(f(x) = \frac{1}{2}x^2-2\) und der Definitionsmenge \(D_f=\IR\). Gesucht wird die Steigung der Tangente am Graphen von \(f\) im Punkt \(Q\bigl(x|f(x)\bigr)\), d.h. diesmal legt man sich bei der \(x\)-Koordinate des Punkts \(Q\) nicht fest. Man wird als Ergebnis keinen konkreten Wert erhalten, sondern einen Term für die Berechnung der Steigung der Tangente.

Gegeben sind:

  • die Funktion \(f:x\mapsto \frac{1}{2}x^2-2\) mit der Definitionsmenge \(D_f=\IR\),
  • der „feste“ Punkt \(Q\bigl(x|f(x)\bigr)\) auf dem Graphen von \(f\),
  • der „bewegliche“ Punkt \(P\bigl(b|f(b)\bigr)\) auf dem Graphen von \(f\) und
  • die Sekante \(s\) durch die Punkte \(P\) und \(Q\).

1. Schritt: Ermitteln eines Terms für die Steigung der Sekante \(s\)

Für die Sekantensteigung gilt:

\(m_s=\dfrac{f(x)-f(b)}{x-b}\) \(=\dfrac{(\frac{1}{2}x^2-2)-(\frac{1}{2}b^2-2)}{x-b}\)

2. Schritt: Faktorisieren und Vereinfachen des Sekantensteigungs-Terms

Der Sekantensteigungsterm lässt sich folgendermaßen umformen:

\(m_s=\dfrac{(\frac{1}{2}x^2-2)-(\frac{1}{2}b^2-2)}{x-b}\) \(=\dfrac{\frac{1}{2}\cdot (x^2-b^2)}{x-b}\) \(=\dfrac{1}{2}\cdot\dfrac{ (x-b)\cdot (x+b)}{x-b}\)\(=\dfrac{1}{2}\cdot (x+b)\)

3. Schritt: Annähern des „beweglichen“ Punkts \(P\) an den „festen“ Punkt \(Q\)

Wenn \(P\) „unendlich nah“ an \(Q\) herangeschoben wird, dann nimmt die \(x\)-Koordinate von \(P\)  letztendlich den Wert der \(x\)-Koordinate von \(Q\) an, d.h.: \(b\) wird letztendlich zu \(x\) (Schreibweise: \(b\to x\)):

Aus dem Term der Sekantensteigung

\(m_s=\dfrac{1}{2}\cdot (x+b)\)

wird \(b\to x\) der Term der Steigung der Tangente am Graphen von \(f\) an der Stelle \(x\):

\(f^{\large\prime}(x)=\dfrac{1}{2}\cdot (x+x) = \dfrac{1}{2}\cdot (2x) = x\).

\(f^{\large\prime}(x)=\lim\limits_{b\to x}\left(\dfrac{f(x)-f(b)}{x-b}\right)\)
\(\phantom{f^{\large\prime}(x)}=\lim\limits_{b\to x}\left(\dfrac{(\frac{1}{2}x^2-2)-(\frac{1}{2}b^2-2)}{x-b}\right)\)
\(\phantom{f^{\large\prime}(x)}=\lim\limits_{b\to x}\left(\dfrac{\frac{1}{2}x^2-\frac{1}{2}b^2}{x-b}\right)\)
\(\phantom{f^{\large\prime}(x)}=\lim\limits_{b\to x}\left(\dfrac{1}{2}\cdot\dfrac{ (x-b)\cdot (x+b)}{x-b}\right)\)
\(\phantom{f^{\large\prime}(x)}=\lim\limits_{b\to x}\left(\dfrac{1}{2}\cdot (x+b)\right)\)
\(\phantom{f^{\large\prime}(x)}=\dfrac{1}{2}\cdot (x+x)=x\)

Folgerungen

  • Das Ergebnis \(f^{\large\prime}(x)=x\) erlaubt nun, die Steigung der Tangente am Graphen von \(f\) in jedem beliebigen Punkt \(\bigl(x|f(x)\bigr)\) des Graphen von \(f\) sofort zu berechnen.
  • Die Darstellung \(f^{\large\prime}(x)=x\) legt nahe, eine neue Funktion mit der Bezeichnung \( f^{\large\prime}\) zu definieren, die jeder Stelle \(x\) die zugehörige Steigung der Tangente am Graphen von \(f\) im Punkt \(\bigl(x|f(x)\bigr)\) des Graphen von \(f\) zuordnet:

\(f^{\large\prime}:x\mapsto x\)

Eine solche Funktion wird Ableitungsfunktion von \(f\) genannt.

Ableitungsfunktion

Gegeben sei eine Funktion \(f:x\mapsto f(x)\) mit der Definitionsmenge \(D_f\subseteq \IR\), außerdem sei \(I\) ein Intervall, das in \(D_f\) enthalten ist.

  • Wenn an jeder Stelle \(x\in I\) der Graph von \(f\) im zugehörigen Punkt \(P\bigl(x|f(x)\bigr)\) eine eindeutige Tangente mit endlicher Steigung \(m_x\) besitzt, so heißt die Funktion \(f\) differenzierbar oder auch ableitbar im Intervall \(I\).
  • Ordnet man nun jeder Stelle \(x\in I\) die Steigung \(m_x\) der Tangente am Graphen von \(f\) im Punkt \(P\bigl(x|f(x)\bigr)\) zu, so beschreibt diese Zuordnungsvorschrift eine neue Funktion, nämlich die sog. Ableitungsfunktion der Funktion \(f\) mit der Definitionsmenge \(I\).
  • Die Ableitungsfunktion von \(f\) wird kurz mit \(f^{\large\prime}\) bezeichnet.
  • Die Zuordnungsvorschrift der Ableitungsfunktion von \(f\) kann also in der Form \(f^{\large\prime} :x\mapsto f^{\large\prime}(x)\) geschrieben werden.
  • Auch den Vorgang der Ermittlung des Funktionsterms der Ableitungsfunktion \(f^{\large\prime}\) nennt man Ableiten.

Beispiel 3 (Term der Ableitungsfunktion)

Gegeben ist eine Funktion \(g\) mit der Gleichung \(g(x) = x^3-4x\) und der Definitionsmenge \(D_g=\IR\). Gesucht wird der Term der Ableitungsfunktion von \(g\).

1. Term der Sekantensteigung

\(\dfrac{g(x)-g(b)}{x-b}\)\(=\dfrac{(x^3-4x)-(b^3-4b)}{x-b}\)\(=\dfrac{x^3-b^3-4x+4b}{x-b}\)

2. Nebenrechnung: Polynomdivision

\(\phantom{-}(x^3-b^3-4x+4b):(x-b)=x^2+bx+b^2-4\)
\(-\underline{(x^3-b\cdot x^2)}\)
\(\phantom{-(x^3-(}b\cdot x^2-b^3-4x+4b\)
\(\phantom{-(x^3}\!\!-\underline{(b\cdot x^2-b^2\cdot x)}\)
\(\phantom{-(x^3-b\cdot x^2-(}b^2\cdot x-b^3-4x+4b\)
\(\phantom{-(x^3-b\cdot x^2}\!\!-\underline{(b^2\cdot x-b^3)\phantom{-4x+4b}}\)
\(\phantom{-(x^3-b\cdot x^2-b^2\cdot x-b^3}-4x+4b\)
\(\phantom{-(x^3-b\cdot x^2-b^2\cdot x-(}\!\!-\underline{(-4x+4b)}\)
\(\phantom{-(x^3-b\cdot x^2-b^2\cdot x-b^3-4x+(}0\)

3. Tangentensteigung an der Stelle \(x\) (Term der Ableitungsfunktion)

\(g^{\large\prime}(x)=\lim\limits_{b\to x}\left(\dfrac{g(x)-g(b)}{x-b}\right)\)
\(\phantom{g^{\large\prime}(x)}=\lim\limits_{b\to x}\left(x^2+bx+b^2-4\right)\)
\(\phantom{g^{\large\prime}(x)}=\ x^2+x^2+x^2-4\)
\(\phantom{g^{\large\prime}(x)}=\ 3x^2-4\)

Beispiel 4 (Problematische Punkte eines Graphen ohne eindeutige Tangente)

Gegeben ist eine Funktion \(b\) mit der Gleichung \(b(x) = |x- \frac{1}{3}x^2|\) und der Definitionsmenge \(D_b=\IR\). Untersuchen Sie die Steigung der Tangente am Graphen von \(b\) an den Stellen \(x=0\) und \(x=3\).