Krümmungsverhalten & Wendepunkte

Folgt man dem Graphen einer Funktion \(f\) von links nach rechts, so beschreibt der Graph \(G_f\) in manchen Bereichen evtl. eine „Linkskurve“ und in anderen evtl. eine „Rechtskurve“.

In der Mathematik verwendet mal allerdings nicht die Begriffe „Linkskurve“ oder „Rechtskurve“.

Krümmungsart

Beschreibt der Graph \(G_f\) einer Funktion \(f\)
in einem Intervall \(I\)

  • eine Rechtskurve, so ist \(G_f\)
    rechtsgekrümmt im Intervall \(I\).
  • eine Linkskurve, so ist \(G_f\)
    linksgekrümmt im Intervall \(I\).

In der Schule seltener verwendet (und in alten Schulbüchern leider oft falsch definiert):

Konkav / Konvex

Ist der Graph einer Funktion \(f\)

  • rechtsgekrümmt im Intervall \(I\),
    so bezeichnet man die Funktion \(f\) als konkav im Intervall \(I\).
  • linksgekrümmt im Intervall \(I\),
    so bezeichnet man die Funktion \(f\) als konvex im Intervall \(I\).

Krümmungsverhalten eines Funktionsgraphen

Unter dem Krümmungsverhalten eines Funktionsgraphen versteht man die Auflistung

  • aller größtmöglichen Teilintervalle der Definitionsmenge,
    in denen der Graph jeweils die gleiche Krümmungsart aufweist,
  • jeweils zusammen mit den zugehörigen Krümmungsarten.

Auch die Punkte auf dem Funktionsgraphen, an denen zwei unterschiedliche Kurvenarten aufeinander treffen, sind von besonderem Interesse.

Wendepunkt eines Funktionsgraphen

Ein Wendepunkt ist ein Punkt auf einem Funktionsgraphen, an dem zwei Intervalle aufeinander treffen, in denen der Graph unterschiedliche Krümmungsarten besitzt.

Veranschaulichung der Begriffe

Klicken Sie im nachfolgenden Geogebra-Applet auf die „Lösung“-Schaltfläche.

 

 

Um die Krümmungsart (Linkskrümmung oder Rechtskrümmung) eines eines Funktionsgraphen mathematisch in den Griff bekommen zu können, braucht man eine „handlichere“ Definition.

Grundlegende, geometrische Definition der Krümmungsart

Vorweg: Diese Definition ist zwar geometrisch einfach nachvollziehbar, aber nicht wirklich „handlich“!

Die Idee bei der Definition der Krümmungsart eines Funktionsgraphen in einem Intervall \(I\) ist, dass man zwei beliebige Stellen \(x_1\) und \(x_2\) in diesem Intervall \(I\) auswählt und die beiden zugehörigen Punkte \((x_1|f(x_1))\) und \((x_2|f(x_2))\) des Funktionsgraphen durch eine Strecke verbindet.

Nun untersucht man, ob alle Punkte zwischen \(x_1\) und \(x_2\) (also alle Punkte \(P(x|f(x))\) für \(x\in ]x_1; x_2[\)) unterhalb oder oberhalb der zuvor eingezeichneten Verbindungsstrecke liegen.

Diesen Vorgang muss man nun für alle möglichen Zahlenpaare \(x_1, x_2\in I\) durchführen.

Definition der Krümmungsarten

Gegeben sei eine Funktion \(f\) mit der Definitionsmenge \(D_f\) und dem Graphen \(G_f\). Außerdem sei \(I\) ein Intervall, das in \(D_f\) enthalten ist.

Stellt man fest, dass für jeweils zwei beliebige Stellen \(x_A, x_B\in I\) mit \(x_A<x_B\)
mit den zugehörigen Graphenpunkten \(A(x_A|f(x_A))\) und \(B(x_B|f(x_B))\)
der Graph von \(f\) im Intervall \(]x_A; x_B[\)

  • jeweils oberhalb der Verbindungsstrecke der Punkte \(A\) und \(B\) liegt,
    so ist der Graph von \(f\) im Intervall \(I\) rechtsgekrümmt.
  • jeweils unterhalb der Verbindungsstrecke der Punkte \(A\) und \(B\) liegt,
    so ist der Graph von \(f\) im Intervall \(I\) linksgekrümmt.

Veranschaulichung der Definition

Verändern Sie im folgenden Geogebra-Applet die Position der Punkte \(A\) und \(B\) und beobachten Sie, dass der Punkt \(P\) (ebenfalls beweglich zwischen \(A\) und \(B\))

  • im rechtsgekrümmten Bereich stets oberhalb
  • im linksgekrümmten Bereich stets unterhalb

der Strecke \(\overline{AB}\) bleibt.

 

 

Auch wenn diese Defintion tatsächlich weiterführende Überlegungen und Begründungen ermöglicht, so wollen wir sie nicht weiter verfolgen, denn für die praktische Untersuchung des Krümmungsverhaltens eines Funktionsgraphen ist sie im Allgemeinen nicht geeignet.

Zusammenhang zwischen Krümmungsart und Tangentensteigung

Idee:

Da sich auch schon in den vorherigen Abschnitten die TANGENTEN am Graphen als sehr nützlich erwiesen haben, beobachten wir diese nun auch im Zusammenhang mit der Krümmungsart eines Funktionsgraphen.

Beobachten Sie in dem Geogebra-Applet das Verhalten der Tangentensteigung \(m\), während Sie jeweils mithilfe der Maus den Berührpunkt der Tangente von links nach rechts verschieben.

Welchen Zusammenhang zwischen der Krümmungsart und dem Wert der Tangentensteigung \(m\) können Sie beobachten?

Beobachtung

  • Ist \(G_f\) linksgekrümmt, so nimmt die Steigung der Tangente an \(G_f\) streng monoton zu.
  • Ist \(G_f\) rechtsgekrümmt, so nimmt die Steigung der Tangente an \(G_f\) streng monoton ab.
 

 

Krümmungsart eines Funktionsgraphen und Verhalten der Tangentensteigung

Der Graph \( G_f \) einer differenzierbaren Funktion \( f:x \mapsto f(x) \) mit der Definitionsmenge \(D_f\) ist in einer Menge \(I \subseteq D_f\) genau dann

  • rechtsgekrümmt,
    wenn die Steigungen der Tangenten an \(G_f\) in \( I \) streng monoton abnehmen,
  • linksgekrümmt,
    wenn die Steigungen der Tangenten an \(G_f\) in \( I \) streng monoton zunehmen.

Da sich diese Aussage direkt auf die Tangentensteigungen des Graphen von \(f\) bezieht, kann man sie genauso gut gleich aus Sicht des Graphen der Ableitung von \(f\) beschreiben:

Zusammenhang zwischen der Krümmungsart eines Funktionsgraphen und dem Graphen der ersten Ableitung

Der Graph \( G_f \) einer differenzierbaren Funktion \( f:x \mapsto f(x) \) mit der Definitionsmenge \(D_f\) ist in einer Menge \(I \subseteq D_f\) genau dann

  • rechtsgekrümmt,
    wenn der Graph der Ableitung von \(f\) in \( I \) streng monoton fallend ist,
  • linksgekrümmt,
    wenn der Graph der Ableitung von \(f\) in \( I \) streng monoton steigend ist.

Diese Behauptung lässt sich tatsächlich aus der obigen Definition der Krümmungsarten folgern. Die Beweisführung ist etwas aufwändiger und für das weitere Verständnis für Krümmungsuntersuchung nicht von Bedeutung.

Wer neugierig ist, kann trotzdem gerne einen Blick auf die Beweise werfen. Es wird nur der Beweis für die Rechtskrümmung vorgeführt. Der Beweis für die Linkskrümmung kann in gleicher Weise durchgeführt werden.

Gegeben sei eine Funktion \(f\), die im Intervall \(I\) differenzierbar ist.

\(A\) und \(B\) seien zwei beliebige Punkte auf \(G_f\), wobei \(B\) rechts von \(A\) liegt.

1. Schritt: Steigung der Sekante durch \(A\) und \(B\) ermitteln

\(m_s=\dfrac{f(x_B)-f(x_A)}{x_B-x_A}\)

2. Schritt: Sekantengleichung der Sekante \(s\) durch \(A\) und \(B\) aufstellen

Wir verwenden dafür die Punkt-Steigungsform \(y=m\cdot(x-x_o) + y_o\).

  • Bei Verwendung des Punkts \(A\):  \(s(x) = m_s \cdot (x-x_A) + f(x_A)\)
  • Bei Verwendung des Punkts \(B\):  \(s(x) = m_s \cdot (x-x_B) + f(x_B)\)

Beide Gleichungen kann man nach der Sekantensteigung auflösen:

  • \(m_s=\dfrac{s(x)-f(x_A)}{x-x_A}\)
  • \(m_s=\dfrac{s(x)-f(x_B)}{x-x_B}\)

3. Schritt: Weitere Aspekte der Krümmungsdefinition nutzen

Wir wählen einen beliebigen Punkt \(P(x|f(x))\) des Graphen zwischen \(A\) und \(B\), also ist \(x_A < x < x_B\).

Nun betrachten wir die Steigungen der Sekanten durch die Punkte \(A\) und \(P\) bzw. \(P\) und \(B\):

\(m_{AP}=\dfrac{f(x)-f(x_A)}{x-x_A}\)

\(m_{PB}=\dfrac{f(x_B)-f(x)}{x_B-x}\)

4. Konsequenzen, wenn \(G_f\) in \(I\) rechtsgekrümmt ist

Laut der Definition der Krümmungsarten liegt \(P\) dann oberhalb der Sekante durch \(A\) und \(B\), also gilt: \(f(x) > s(x)\).

Da \(P\) zwischen \(A\) und \(B\) liegt, ist \(x_A < x < x_B\), also ist \(x-x_A>0\) und \(x-x_B<0\).

a) \(f(x)>s(x)\quad\)\(\Rightarrow\quad f(x)-f(x_A)>s(x)-f(x_A)\quad\)\(\overset{x-x_A>0}{\Rightarrow}\quad \underbrace{\dfrac{f(x)-f(x_A)}{x-x_A}}_{m_{AP}}>\dfrac{s(x)-f(x_A)}{x-x_A}=m_s\)

b) \(s(x)<f(x)\quad\)\(\Rightarrow\quad s(x)-f(x_B)<f(x)-f(x_B)\quad\)\(\overset{x-x_B<0}{\Rightarrow}\quad \underbrace{\dfrac{f(x)-f(x_B)}{x-x_B}}_{m_{PB}}<\dfrac{s(x)-f(x_B)}{x-x_B}=m_s\) Aus a) und b) folgt: \(m_{AP} > m_s > m_{PB}\)

Nun lässt man \(P\) unendlich nah an \(A\) heranwandern.

Die Sekante durch \(A\) und \(P\) wird dabei zur Tangente an \(G_f\) im Punkt \(A\):

\(x\rightarrow x_A \quad\Rightarrow\quad m_{AP}=\dfrac{f(x)-f(x_A)}{x-x_A}\rightarrow  f^{\large\prime}(x_A)\)

Genauso kann man \(P\) unendlich nah an \(B\) heranwandern lassen.

Die Sekante durch \(P\) und \(B\) wird dabei zur Tangente an \(G_f\) im Punkt \(B\):

\(x\rightarrow x_B \quad\Rightarrow\quad m_{PB}=\dfrac{f(x)-f(x_B)}{x-x_B}\rightarrow f^{\large\prime}(x_B)\)

Aus der zuvor ermittelten Abschätzung \(m_{AP} > m_s > m_{PB}\) folgt somit: \(f^{\large\prime}(x_A) > f^{\large\prime}(x_B)\).

Voraussetzung

Gegeben sei eine Funktion \(f\), die im Intervall \(I\) differenzierbar ist.

\(A\) und \(B\) seien zwei beliebige Punkte auf \(G_f\), wobei \(B\) rechts von \(A\) liegt.

Der Term \(s(x)\) ist der Funktionsterm der Sekante durch \(A\) und \(B\).

Was soll bewiesen werden?

Nehmen die Tangentensteigungen im Intervall \(]x_A, x_B[\) streng monoton ab,
dann liegen alle Punkte \(P(x|f(x))\) für beliebige \(x\in ]x_A, x_B[\) oberhalb der Sekante durch \(A\) und \(B\).

Erläuterung der Beweisidee

Kann man aus einer Aussage (1) eine Aussage (2) folgern, so ist damit gleichzeitig noch lange nicht gezeigt, dass umgekehrt aus Aussage (2) auch Aussage (1) folgt. Korrekt ist aber, dass man dann aus dem Gegenteil von Aussage (2) auch das Gegenteil von Aussage (1) folgern darf.

Kurz:

\(\text{((Aussage (1)} \Rightarrow \text{Aussage (2))} \Leftrightarrow \text{((Gegenteil von Aussage (2))} \Rightarrow \text{(Gegenteil von Aussage (1))} \)

Beschreibung der für diesen Beweis verwendeten Aussagen

Aussage 1:

Es gibt mindestens eine Stelle \(x\in ]x_A, x_B[\), an der der Punkt \(P(x|f(x))\) unterhalb oder auf der Sekante durch \(A\) und \(B\) liegt.

Aussage 2:

Es gibt mindestens zwei Stellen \(x_1, x_2\in ]x_A, x_B[\)  mit \(x_1< x_2\) und \(f^{\large\prime}(x_1) \geq f^{\large\prime}(x_2)\).

Gegenteil von Aussage 2:

Es gibt kein einziges Pärchen \(x_1, x_2\in ]x_A, x_B[\)  mit \(x_1< x_2\) und \(f^{\large\prime}(x_1) \geq f^{\large\prime}(x_2)\).

Es gibt also nur Pärchen \(x_1, x_2\in ]x_A, x_B[\)  mit \(x_1< x_2\) und \(f^{\large\prime}(x_1) > f^{\large\prime}(x_2)\).

Mit anderen Worten: Die Tangentensteigungen nehmen im Intervall \(]x_A, x_B[\) streng monoton ab.

Gegenteil von Aussage 1:

Es gibt keine einzige Stelle \(x\in ]a, b[\) mit \( f(x) \leq s(x)\) (Kein einziger Punkt liegt unter oder auf der Sekanten).

Es gibt also nur Stellen \(x\in ]a, b[\) mit \( f(x) > s(x)\) (Alle Punkte liegen über der Sekante).

Beweis dafür, dass aus Aussage 1 die Aussage 2 folgt:

Wir nehmen also an, dass Aussage 1 zutrifft:

Es gibt mindestens einen Punkt \(P(x|f(x))\) zwischen \(A\) und \(B\) auf \(G_f\), der unterhalb oder auf der Sekante durch \(A\) und \(B\) liegt.

Das heißt: es gibt eine Stelle \(x\in ]a, b[\), an der gilt: \(f(x) \leq s(x)\).

1. Schritt: Sekantensteigung \(m_s\) der Sekante \(s\) durch \(A\) und \(B\) aufstellen

Da die Sekante durch \(A\) und \(B\) auch durch den Punkt \((x|s(x))\) verläuft, kann man die Steigung \(m_s\) der Sekante durch \(A\) und \(B\) auf verschiedene Weisen berechnen, z.B.:

  • \(m_s=\dfrac{s(x)-f(x_A)}{x-x_A}\)
  • \(m_s=\dfrac{s(x)-f(x_B)}{x-x_B}\)

2. Schritt: Abschätzung der Steigungen der Sekanten durch \(A\) und \(P\) bzw. durch \(P\) und \(B\)

Da \(P((x|f(x))\) zwischen \(A\) und \(B\) liegt, ist \(x_A < x < x_B\), also ist \(x-x_A>0\) und \(x-x_B<0\). Da Punkt \(P(x|f(x))\) unterhalb oder auf der Sekante durch \(A\) und \(B\) liegt, gilt \(f(x) \leq s(x)\).

a) \(f(x)\leq s(x)\quad\)\(\Rightarrow\quad f(x)-f(x_A)\leq s(x)-f(x_A)\quad\)\(\overset{x-x_A>0}{\Rightarrow}\quad \underbrace{\dfrac{f(x)-f(x_A)}{x-x_A}}_{m_{AP}}\leq\dfrac{s(x)-f(x_A)}{x-x_A}=m_s\)

b) \(f(x)\leq s(x)\quad\)\(\Rightarrow\quad f(x)-f(x_B)\leq s(x)-f(x_B)\quad\)\(\overset{x-x_B<0}{\Rightarrow}\quad \underbrace{\dfrac{f(x)-f(x_B)}{x-x_B}}_{m_{PB}}\geq\dfrac{s(x)-f(x_B)}{x-x_B}=m_s\)

Aus a) und b) folgt: \(m_{AP} \leq m_s \leq m_{PB}\)

3. Schritt: Anwendung des „Mittelwertsatzes“

Der sog. „Mittelwertsatz“ besagt, dass es zwischen den beiden Schnittpunken der Sekanten mit dem Funktionsgraphen wenigstens eine Stelle gibt, an der die Tangentensteigung gleich der Sekantensteigung ist.

(Mittelwertsatz für \(AP\)) Im Intervall \([x_A, x]\) gibts wenigstens eine Stelle \(x_1\), an der gilt: \(f^{\large\prime} (x_1) = m_{AP}\).

(Mittelwertsatz für \(PB\)) Im Intervall \([x, x_A]\) gibts wenigstens eine Stelle \(x_2\), an der gilt: \(f^{\large\prime} (x_2) = m_{PB}\).

4. Schritt: Folgerung aus Schritt 2 und Schritt 3

\(m_{AP} \leq m_s \leq_{PB}\quad\)\(\Rightarrow \quad f^{\large\prime} (x_1) \leq f^{\large\prime} (x_2)\)

Also gibt es mindestens zwei Stellen \(x_1, x_2\in ]a, b[\)  mit \(x_1< x_2\) und \(f^{\large\prime}(x_1) \geq f^{\large\prime}(x_2)\).

Somit ist es uns gelungen, aus Aussage 1 die Aussage 2 zu folgern.

Damit gilt auch, dass aus dem Gegenteil von Aussage 2 das Gegenteil von Aussage 1 folgt.

Wissen über den Lehrplan hinaus:

Die KRÜMMUNG ist ein Maß dafür (wie das Wort schon erahnen lässt), wie stark eine Kurve gekrümmt ist.

Zahlenmäßig (quantitativ) legt man den Wert der Krümmung in einem Punkt \(B\) eines Graphen dadurch fest, dass man zunächst den sog. Krümmungskreis (oder Schmiegekreis) an diesem Punkt an den Graphen zeichnet, der den Graphen in diesem Punkt am besten annähert (einleuchtend: er hat zumindest schon mal dieselbe Tangente wie der Graph in dem Punkt \(B\)).

Zwei völlig gleichwertige Definitionen:

Definition 1:

Durch drei Punkte einer (ebenen) Kurve, die nicht auf einer Geraden liegen, lässt sich eindeutig ein Kreis legen. Wenn die Abstände dieser Punkte immer kleiner werden und schließlich gegen Null gehen, so wird der durch diesen Grenzübergang definierte Kreis der Krümmungskreis der Kurve in diesem Punkt genannt.

Definition 2:

Ein Kreis, der mit einem Punkt einer Kurve \(y=f(x)\) diesen Punkt, die Tangente in diesem Punkt (erste Ableitung \(y^{\large\prime}\)  und die zweite Ableitung \(y^{\large\prime\prime}\) gemeinsam hat, wird Krümmungskreis der Kurve in diesem Punkt genannt.

Die KRÜMMUNG wird dann als der KEHRWERT des Radius des Krümmungskreises definiert, denn:

  • Je flacher einer Kurve, desto größer ist der Krümmungskreis-Radius, also ist der Krümmungswert entsprechend klein.
  • Je stärker einer Kurve gekrümmt ist, desto kleiner wird der Krümmungskreis-Radius, also ist der Krümmungswert entsprechend groß.

Die analytisch-geometrische Herleitung, die die Schulmathematik leider etwas übersteigt, führt jedenfalls zu der Erkenntnis, dass die Krümmung tatsächlich das gleiche Vorzeichen wie die 2. Ableitung an der Berührstelle hat.

Überlegungen zur rechnerische Untersuchung des Krümmungsverhaltens

Um rechnerisch herauszufinden, in welchen Bereichen der Graph einer Funktion rechtsgekrümmt oder linksgekrümmt ist, müssen wir das ABNEHMEN oder ZUNEHMEN von Tangentensteigungen untersuchen, also das Montonieverhalten der Tangentensteigungen.

Das Monotonieverhalten haben wir bisher nur für den Graphen einer Funktion \(f\) untersucht.

Selbstverständlich besitzt aber auch die Ableitungsfunktion \(f^{\large\prime}\), mit deren Hilfe wir bekanntlich die Tangentensteigungen von \(G_f\) berechnen können, selbst einen Graphen \(G_{f^{\large\prime}}\), dessen Monotonieverhalten wir untersuchen können.

Folgende Gegenüberstellung ist hilfreich:

Monotonieverhalten von \(G_f\)

  • \(f(x)\): Funktionswert von \(f\) an der Stelle \(x\), also die
    \(y\)-Koordinate des Punkts \((x|f(x))\) auf \(G_f\)
  • Um rechnerisch festzustellen,
    ob die Funktionswerte \(f(x)\)
    ABNEHMEN oder ZUNHEMEN,
    ermitteln wir die Ableitung von \(f(x)\), also \(f^{\large\prime}(x)\)
    und führen eine Vorzeichenuntersuchen von \(f^{\large\prime}(x)\) durch.
  • In den Intervallen,
    in denen die 1. Ableitung \(f^{\large\prime}(x)\) POSITIV ist,
    nehmen die \(y\)-Werte zu,
    also ist \(G_f\) dort streng monoton steigend.
  • In den Intervallen,
    in denen die 1. Ableitung \(f^{\large\prime}(x)\) NEGATIV ist,
    nehmen die \(y\)-Werte ab,
    also ist \(G_f\) dort streng monoton fallend.

Monotonieverhalten von \(G_{f^{\large\prime}}\)

  • \(f^{\large\prime}(x)\): Funktionswert von \(f^{\large\prime}\) an der Stelle \(x\), also die Steigung der Tangente im Punkt \((x|f(x))\) an \(G_f\)
  • Um rechnerisch festzustellen,
    ob die Tangentensteigungen \(f^{\large\prime}(x)\)
    ABNEHMEN oder ZUNHEMEN,
    ermitteln wir die Ableitung von \(f^{\large\prime}(x)\), also \((f^{\large\prime})^{\large\prime}(x)\)
    und führen eine Vorzeichenuntersuchen von \(f^{\large\prime\prime}(x)\)  durch (kurz: \(f^{\large\prime\prime}(x)\)=\((f^{\large\prime})^{\large\prime}(x)\)).
  • In den Intervallen,
    in denen die 2. Ableitung \(f^{\large\prime\prime}(x)\) POSITIV ist,
    nehmen die Tangentensteigungen zu,
    also ist \(G_f\) dort links gekrümmt.
  • In den Intervallen,
    in denen die 2. Ableitung \(f^{\large\prime\prime}(x)\) NEGATIV ist,
    nehmen die Tangentensteigungen ab,
    also ist \(G_f\) dort rechts gekrümmt.

Krümmungskriterium

Die Funktion \( f \) sei auf dem geschlossenen Intervall \([a;b]\) stetig und auf dem offenen Intervall \(]a;b[\) mindestens zweimal differenzierbar.

Dann gilt:

Ist \(f^{\large\prime \prime}(x) < 0 \) für alle \(x\in ]a;b[\), so ist \(G_f \) rechtsgekrümmt in \([a;b]\).

Ist \(f^{\large\prime \prime}(x) > 0 \) für alle \(x\in ]a;b[\), so ist \(G_f \) linksgekrümmt in \([a;b]\).

Konsequenz für die Vorgehensweise zur Untersuchung des Krümmungsverhaltens

Für die Untersuchung des Krümmungsverhaltens des Graphen einer Funktion \(f\)

  • leiten wir die Funktion \(f\) zunächst zweimal ab, um die sog. 2. Ableitung von \(f\) zu erhalten, also \(f^{\large\prime\prime}\).
  • Dann bestimmen wir die Nullstellen von \(f^{\large\prime\prime}\), indem wir die Gleichung \(\color{orange}{f^{\large\prime\prime}(x)} = 0\) lösen, denn die Nullstellen von \(f^{\large\prime\prime}\) sind heiße Kandidaten dafür, dass sich dort das Vorzeichen von \(f^{\large\prime\prime}(x)\) ändert.
  • Anschließend führen wir eine Vorzeichenuntersuchung von \(f^{\large\prime\prime}(x)\) durch, z.B. mithilfe einer Vorzeichentabelle oder Vorzeichenskizze für \(f^{\large\prime\prime}(x)\).