Karl Marx erklärt den Weg aus dem Kapitalismus

Der Wirtschaftsliberalismus zeigt seine Schattenseiten

Seit der Französischen Revolution wurden in Europa zunehmend ökonomische Bevormundungen und Einschränkungen der Bürger aufgelöst und der Wirtschaftsliberalismus setzte sich zunehmend durch. Jeder, der Geld und Ideen hatte, konnte nun in neue Technologien investieren und versuchen aus seinem Geld noch mehr Geld zu machen. Die Idee, dass der Wirtschaftsliberalismus mehr Freiheit und Selbstverwirklichung für jeden bringt, erwies sich aber schnell als Irrtum. Für viele Menschen bedeutete die Industrialisierung und der mit ihr verbundene Drang nach immer höheren Gewinnen auf Kosten der Löhne schlechte Arbeitsbedingungen, unmenschlich niedrige Löhne und die Notwendigkeit, auch kleine Kinder zum Arbeiten zu schicken. Viele Intellektuelle überlegten, wir ein Ausweg aus dieser unmenschlichen gesellschaftlichen Struktur aussehen könnte – einer davon war Karl Marx.

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Zur Person: Karl Marx

Der Begründer des Marxismus, wurde 1818 in Trier geboren. Er studierte in Bonn und Berlin Philosophie, Geschichte und Staatswissenschaften (vergleichbar mit der heutigen Volkswirtschaftslehre). Da er sich in der revolutionären Zeit des Vormärz für die liberale Bewegung engagierte und in diesem Sinn auch publizierte, musste er 1843 mit seiner Frau Jenny nach Paris flüchten. Dort verfasste er zusammen mit Friedrich Engels Schriften über den Sozialismus und den Kommunismus. Über Brüssel und Köln gelangte Marx schließlich nach London, wo er 1883 starb. Zu seinen Hauptwerken gehört „Das kommunistische Manifest“ und „Das Kapital“. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit engagierte sich Marx auch immer in der internationalen Arbeiterbewegung.

Aufgabe

Erarbeiten Sie aus der Quelle, wie Karl Marx und Friedrich Engels die bisherige Geschichte erklären und wie sie den jetzigen Zustand der Gesellschaft beschreiben.

Karl Marx und Friedrich Engels schreiben in ihrem Buch „Das kommunistische Manifest“ über den bisherigen Gang der Geschichte:

Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen.

Freier und Sklave, Patrizier und Plebejer, Baron und Leibeigner, Zunftbürger und Gesell, kurz, Unterdrücker und Unterdrückte standen in stetem Gegensatz zu einander, führten einen ununterbrochenen, bald versteckten bald offenen Kampf, einen Kampf, der jedesmal mit einer revolutionären Umgestaltung der ganzen Gesellschaft endete, oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen.

In den früheren Epochen der Geschichte finden wir fast überall eine vollständige Gliederung der Gesellschaft in verschiedene Stände, eine mannichfaltige Abstufung der gesellschaftlichen Stellungen. Im alten Rom haben wir Patrizier, Ritter, Plebejer, Sklaven; im Mittelalter Feudalherren, Vasallen, Zunftbürger, Gesellen, Leibeigene, und noch dazu in fast jeder dieser Klassen wieder besondere Abstufungen.

Die aus dem Untergange der feudalen Gesellschaft hervorgegangene moderne bürgerliche Gesellschaft hat die Klassengegensätze nicht aufgehoben. Sie hat nur neue Klassen, neue Bedingungen der Unterdrückung, neue Gestaltungen des Kampfes an die Stelle der alten gesetzt.

Unsere Epoche, die Epoche der Bourgeoisie, zeichnet sich jedoch dadurch aus, daß sie die Klassengegensätze vereinfacht hat. Die ganze Gesellschaft spaltet sich mehr und mehr in zwei große feindliche Lager, in zwei große einander direkt gegenüberstehende Klassen – Bourgeoisie und Proletariat.

Karl Marx, Friedrich Engels, Das Kommunistische Manifest, in: Karl Marx, Friedrich Engels, Ausgewählte Werke in zwei Bänden, Bd. 1, Berlin 1970, S. 26.

Karl Marx über den Untergang des Kapitalismus

Die proletarische Bewegung ist die selbstständige Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl. Das Proletariat, die unterste Schichte der jetzigen Gesellschaft, kann sich nicht erheben, nicht aufrichten, ohne daß der ganze Ueberbau der Schichten, die die offizielle Gesellschaft bilden, in die Luft gesprengt wird.

Obgleich nicht dem Inhalt, ist der Form nach der Kampf des Proletariats gegen die Bourgeoisie zunächst ein nationaler. Das Proletariat eines jeden Landes muß natürlich zuerst mit seiner eigenen Bourgeoisie fertig werden.

Indem wir die allgemeinsten Phasen der Entwicklung des Proletariats zeichneten, verfolgten wir den mehr oder minder versteckten Bürgerkrieg innerhalb der bestehenden Gesellschaft bis zu dem Punkt, wo er in eine offene Revolution ausbricht und durch den gewaltsamen Sturz der Bourgeoisie das Proletariat seine Herrschaft begründet.

Alle bisherige Gesellschaft beruhte, wie wir gesehn haben, auf dem Gegensatz unterdrückender und unterdrückter Klassen. Um aber eine Klasse unterdrücken zu können, müssen ihr Bedingungen gesichert sein, innerhalb derer sie wenigstens ihre knechtische Existenz fristen kann. Der Leibeigene hat sich zum Mitglied der Kummune in der Leibeigenschaft herangearbeitet, wie der Kleinbürger zum Bourgeois unter dem Joch des feudalistischen Absolutismus. Der moderne Arbeiter dagegen, statt sich mit dem Fortschritt der Industrie zu heben, sinkt immer tiefer unter die Bedingungen seiner eignen Klasse herab. Der Arbeiter wird zum Pauper, und der Pauperismus entwickelt sich noch rascher als Bevölkerung und Reichthum. Es tritt hiermit offen hervor, daß die Bourgeoisie unfähig ist, noch länger die herrschende Klasse der Gesellschaft zu bleiben und die Lebensbedingungen ihrer Klasse der Gesellschaft als regelndes Gesetz aufzuzwingen. Sie ist unfähig zu herrschen, weil sie unfähig ist, ihrem Sklaven die Existenz selbst innerhalb seiner Sklaverei zu sichern, weil sie gezwungen ist, ihn in eine Lage herabsinken zu lassen, wo sie ihn ernähren muß, statt von ihm ernährt zu werden. Die Gesellschaft kann nicht mehr unter ihr leben, d. h. ihr Leben ist nicht mehr verträglich mit der Gesellschaft.

Die wesentlichste Bedingung für die Existenz und für die Herrschaft der Bourgeoisklasse ist die Anhäufung des Reichthums in den Händen von Privaten, die Bildung und Vermehrung des Kapitals, die Bedingung des Kapitals ist die Lohnarbeit. Die Lohnarbeit beruht ausschließlich auf der Konkurrenz der Arbeiter unter sich. Der Fortschritt der Industrie, dessen willenloser und widerstandsloser Träger die Bourgeoisie ist, setzt an die Stelle der Isolirung der Arbeiter durch die Konkurrenz ihre revolutionäre Vereinigung durch die Association. Mit der Entwicklung der großen Industrie wird also unter den Füßen der Bourgeoisie die Grundlage selbst weggezogen, worauf sie produzirt, und die Produkte sich aneignet. Sie produzirt vor Allem ihre eigenen Todtengräber. Ihr Untergang und der Sieg des Proletariats sind gleich unvermeidlich.

Karl Marx, Friedrich Engels, Das Kommunistische Manifest, in: Karl Marx, Friedrich Engels, Ausgewählte Werke in zwei Bänden, Bd. 1, Berlin 1970, S. 36f.

Karl Marx über die Diktatur des Proletariats

Die kommunistische Revolution ist das radikalste Brechen mit den überlieferten Eigentumsverhältnissen; kein Wunder, daß in ihrem Entwicklungsgange am radikalsten mit den überlieferten Ideen gebrochen wird.

Doch lassen wir die Einwürfe der Bourgeoisie gegen den Kommunismus. Wir sahen schon oben, daß der erste Schritt in der Arbeiterrevolution die Erhebung des Proletariats zur herrschenden Klasse, die Erkämpfung der Demokratie ist.

Das Proletariat wird seine politische Herrschaft dazu benutzen, der Bourgeoisie nach und nach alles Kapital zu entreißen, alle Produktionsinstrumente in den Händen des Staats, d.h. des als herrschende Klasse organisierten Proletariats, zu zentralisieren und die Masse der Produktionskräfte möglichst rasch zu vermehren.

Es kann dies natürlich zunächst nur geschehen vermittelst despotischer Eingriffe in das Eigentumsrecht und in die bürgerlichen Produktionsverhältnisse, durch Maßregeln also, die ökonomisch unzureichend und unhaltbar erscheinen, die aber im Lauf der Bewegung über sich selbst hinaustreiben und als Mittel zur Umwälzung der ganzen Produktionsweise unvermeidlich sind. […]

Sind im Laufe der Entwicklung die Klassenunterschiede verschwunden und ist alle Produktion in den Händen der assoziierten Individuen konzentriert, so verliert die öffentliche Gewalt den politischen Charakter. Die politische Gewalt im eigentlichen Sinne ist die organisierte Gewalt einer Klasse zur Unterdrückung einer andern. Wenn das Proletariat im Kampfe gegen die Bourgeoisie sich notwendig zur Klasse vereint, durch eine Revolution sich zur herrschenden Klasse macht und als herrschende Klasse gewaltsam die alten Produktionsverhältnisse aufhebt, so hebt es mit diesen Produktionsverhältnissen die Existenzbedingungen des Klassengegensatzes, die Klassen überhaupt, und damit seine eigene Herrschaft als Klasse auf.

An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die freie Entwicklung aller ist.

Karl Marx, Friedrich Engels, Das Kommunistische Manifest, in: Karl Marx, Friedrich Engels, Ausgewählte Werke in zwei Bänden, Bd. 1, Berlin 1970, S. 48.

Aufgabe

Setzen Sie in die folgenden Begriffe in den richtigen Zusammenhang.

Als das Zeitalter der Industrialisierung und die bürgerlichen Revolutionen zumindest West- und Mitteleuropa verändert hatten und die Verelendung weiter Teile der Fabrikarbeiter unübersehbar geworden war, entwickelten Karl Marx und Friedrich Engels eine neue Betrachtungsweise von Geschichte und Gesellschaft. Ihrer Idee vom Historischen Materialismus entsprechend war die Geschichte eine Abfolge von Klassenkämpfen, in denen es bislang darum gegangen ist, Produktionsmittel zu besitzen und dadurch Herrschaft über andere ausüben zu können. Grundbesitz als das wesentliche Produktionsmittel des Mittelalters war inzwischen vom Kapital abgelöst worden. Damit war die Ausbeutung von Menschen in eine neue Phase gekommen: Da sich Kapital im Gegensatz z.B. zu Naturalien in unbegrenzter Masse anhäufen lässt, kennt im Kapitalismus auch die Ausbeutung keine Grenzen. Durch das soziale Absinken immer größerer Volksmassen stehen immer mehr günstige Arbeitskräfte zur Verfügung. Den immer größeren Profiten immer weniger Menschen steht daher die Verelendung von immer mehr Menschen gegenüber.

Allerdings schafft der Kapitalismus durch seinen Zwang zu immer effektiveren Arbeiten – z.B. durch die fortschreitende Mechanisierung – die theoretische Möglichkeit alle Menschen ohne zu viel Arbeit angemessen zu versorgen. Kapitalismus und bürgerliche Gesellschaft waren in seinen Augen daher eine historische Phase, die nicht übersprungen werden durfte.

Die Zukunft sahen Marx und Engels in einer mehr oder weniger nahen Revolution: Da bald eine große Zahl von stupider aber anstrengender Arbeit und schlechten Lebensverhältnissen psychisch wie physisch verelendeter Menschen einer kleinen Gruppe, die großen Reichtum akkumuliert hat gegenüberstehen wird, sehen sie den Zusammenbruch oder die Revolution der gesellschaftlichen Verhältnisse als unvermeidbar an.

Allerdings sollte es nun in der Revolution nicht um die Bereicherung einer neuen Klasse mit Produktionsmitteln gehen – dieser Kreislauf sollte vielmehr durchbrochen werden. In einer Phase des Sozialismus sollten Produktionsmittel vielmehr vergemeinschaftet werden, so dass in Zukunft ein Leben ohne Unterdrückung, Entfremdung und Ausbeutung möglich wäre.

Dass die Revolution und die Phase des Sozialismus mit Gewalt, Krieg und Entbehrungen verbunden sein werden, darüber machten sich bereits Marx und Engels keine Illusionen. Allerdings beobachtete Marx in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch Ansätze zur Demokratisierung von Gesellschaften und räumte ein, dass es auch demokratische Wege zum Kommunismus geben müsse.