Das Ende des Ost-West-Konflikts

Wandlungsprozesse in der UdSSR

Aufgaben:

1. Verschaffen Sie sich zunächst einen Überblick über die Lage der Sowjetunion in den 1980er Jahren. Analysieren Sie dazu die Grafiken, die Textquellen und die Karte.

2. Fassen Sie zusammen, mit welchen Mitteln Michail Gorbatschow (ab 1985 Generalsekretär der KPdSU) die Sowjetunion reformieren wollte.

3. Erörtern Sie, inwieweit Gorbatschows Reformen das System gestärkt oder geschwächt haben könnten.

4. Entwickeln Sie ein Schaubild, das ihre Ergebnisse zusammenfasst.

Die Lage der Sowjetunion in den 1980er Jahren

Statistische Daten

Wirtschaftliche Veränderungen

Die Erfindung des Mikrochips setzte eine technologische Revolution in Gang, die völlig neuartige Arbeitsgeschwindigkeiten und Arbeitskapazitäten sowie ein ungekanntes Maß an Präzision bei der Informationsverarbeitung, Datenspeicherung, Steuerung und Regelung möglich machte. Die Mikroelektronik fand seit den achtziger Jahren auf immer zahlreicheren Gebieten Anwendung: in der Daten-, Text- und Bildverarbeitung, in der Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik, in industriellen Produktionsprozessen und Produkten, in der Rüstungs-, Verkehrs- und Nachrichtentechnik, in Zahlungsverkehr und Unterhaltungselektronik, Haushaltsgeräten und Medizintechnik. […]

Solange die Schwerindustrie als Leitsektor der Wirtschaft und als wesentlicher Indikator ökonomischer Leistungskraft galt, hatten die kommunistischen Volkswirtschaften, trotz aller Produktivitätsdefizite, dem Prinzip nach mit dem Westen mithalten können. Dies änderte sich mit dem Prozess der Tertiarisierung, mit dem der Anteil von Dienstleistungen im Sinne der

Produktion immaterieller Güter (Handel, Transport-, Verkehrs- und Kommunikationswesen, Banken und Versicherungen sowie der gesamte Bereich der staatlichen Dienstleistungen) gesamtwirtschaftlich beherrschend wurde. […]

Als dieser Strukturwandel in den achtziger Jahren in Verbindung mit der mikroelektronischen Revolution voll durchschlug, verloren die staatlich gelenkten Planwirtschaften des Ostens endgültig den Anschluss gegen über den beschleunigten und zunehmend entgrenzten westlichen Marktwirtschaften. […]

In den achtziger Jahren kam ein weiterer ökonomischer Strukturwandel hinzu, der zunächst als «Internationalisierung» bezeichnet wurde und seit den Neunzigern mit dem Begriff «Globalisierung» belegt ist: ein neuartiges Maß von grenzübersteigenden und weltumspannenden Waren- und Finanzströmen, Produktionsprozessen und internationalem Konkurrenzdruck, von transnationalen Unternehmen, Kommunikationsmöglichkeiten

und Nachrichtenverbreitung, Verkehrsformen und Mobilität einer zunehmenden Zahl von Menschen bis hin zur Verbreitung von Massenkulturen.

Von zentraler Bedeutung war dabei die Liberalisierung und Vernetzung der Finanzmärkte, insbesondere der Wertpapiermärkte durch den Abbau von Handelsschranken und die Einführung neuer Finanzinstrumente, mit der die Kapitalmobilität dramatisch zunahm.

Quelle: Andreas Rödder, Deutschland einig Vaterland. Die Geschichte der Wiedervereinigung, München 2009, S. 38f

Der Historiker Gerhard Simon beschreibt die sowjetische Gesellschaft den 1980er Jahren

Das Verhältnis zwischen Herrschaftssystem und Gesellschaft in den 1980er Jahren war durch ein dreifaches Dilemma gekennzeichnet.

Erstens: Die Strukturen der Herrschaft — administratives Kommandosystem, Nichtvorhandensein einer demokratisch-parlamentarischen Legitimation — waren seit den 1930er Jahren die gleichen geblieben.

Zweitens: Die Führung war aber nicht mehr bereit und in der Lage zur Durchsetzung der Diktatur uneingeschränkt Gewalt und Massenterror einzusetzen. Das äußere Feindbild konnte nicht mehr aufrechterhalten werden.

Drittens: Die Gesellschaft war aus dem Trauma von Terror und Krieg erwacht. Eine Fülle von alten und neuen Interessengruppen, Schichten und Organisationen entstand und forderte Selbsttätigkeit und Mitsprache. Die Gesellschaft emanzipierte sich von der Diktatur […]

Quelle: Gerhard Simon, Der Umbruch des politischen Systems in der Sowjetunion, in: APuZ, Nr. 19-20/1990, S. 3

 

Quelle: https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/08-Untergang%20der%20SU-01.pdf

Gorbatschows Reformansätze

Helmut Kohl (l.) im Juli 1990 im Gepräch mit Michail Gorbatschow. (picture alliance / dpa)

Michail Gorbatschow über Krise und Umbau der sowjetischen Gesellschaft

Was bedeutet Perestroika oder Umgestaltung? Warum brauchen wir sie? Was hat sie zum Inhalt, was sind ihre Ziele? Wogegen wendet sie sich, was bringt sie an Neuem hervor? Wie wird sie sich weiterentwickeln, und welche Konsequenzen könnten sich daraus für die Sowjet-Union wie für die Staatengemeinschaft der ganzen Welt ergeben?

Natürlich war die Unzufriedenheit darüber, wie sich die Dinge in den letzten Jahren bei uns entwickelt haben, ein wichtiger Grund für uns, die Perestroika in Angriff zu nehmen. Doch in weit größerem Maße war es die Erkenntnis, daß die Möglichkeiten des Sozialismus zu wenig genutzt worden waren. Jetzt, da wir den 70. Geburtstag unserer Revolution feiern, kommt uns das besonders deutlich zum Bewußtsein.

[…]

Kurzum, wir in der sowjetischen Führung sind zu dem Schluß gekommen, daß ein neues politisches Denken vonnöten ist. Darüber hinaus ist die sowjetische Führung mit Nachdruck bestrebt, dieses neue Denken praktisch umzusetzen, insbesondere in der Abrüstung. Und hier liegt der Grund für die außenpolitischen Initiativen, mit denen wir uns in ehrlicher Absicht an die Welt gewandt haben.

[…]

Als wir die Situation analysierten, entdeckten wir als erstes ein rückläufiges ökonomisches Wachstum. In den letzten 15 Jahren war die Wachstumsrate des Nationaleinkommens um mehr als die Hälfte zurückgegangen, und seit Beginn der achtziger Jahre verharrte sie auf einem fast stagnierenden Niveau.

[…]

Mit verblüffender Genauigkeit finden unsere Raketen den Halleyschen Kometen oder fliegen zur Venus, aber neben diesen wissenschaftlichen und technologischen Triumphen verzeichnen wir einen offenkundigen Mangel an Effizienz, wenn es gilt, diese wissenschaftlichen Errungenschaften für den wirtschaftlichen Bedarf nutzbar zu machen. Viele sowjetische Haushaltsgeräte sind von armseliger Qualität.

Allmählich wurden überdies die ideologischen und moralischen Werte unseres Volkes ausgehöhlt. Lobhudelei und Kriecherei breiteten sich aus; die Bedürfnisse und Meinungen der einfachen Werktätigen, überhaupt der Öffentlichkeit, wurden ignoriert, Diskussionen verwässert, die für die Entwicklung des Denkens und für kreative Bestrebungen unverzichtbar sind. Ähnliche negative Tendenzen erfaßten auch die Kultur, die Künste und den Journalismus, ebenso den Ausbildungsbereich und die Medizin.

Das Vorgaukeln einer „problemfreien Realität“ rächte sich: Die Diskrepanz zwischen Worten und Taten erzeugte in der Öffentlichkeit Passivität und Skepsis gegenüber verkündeten Parolen. Es war nur folgerichtig, daß diesem Zustand ein Verlust an Glaubwürdigkeit folgte. Alles, was von Rednertribünen verkündet und in Zeitungen und Broschüren gedruckt wurde, stellte man in Frage.

[…]

Zuerst mußten wir unser Hauptaugenmerk darauf richten, mehr Ordnung in die Wirtschaft zu bringen, die Disziplin zu straffen, das Organisationsniveau zu heben, das Verantwortungsbewußtsein zu stärken und in den Bereichen aufzuholen, in denen wir einen Rückstand hatten.

In der Tat betreiben wir jetzt eine neue Investitions- und Strukturpolitik. Der Schwerpunkt wurde von der Errichtung neuer Anlagen auf die neue technische Ausstattung von Betrieben verlagert, um unsere Ressourcen zu schonen und die Qualität unserer Erzeugnisse deutlich zu verbessern.

Gleichzeitig haben wir uns darangemacht, das geistige und psychologische Klima in unserer Gesellschaft zu verändern.

Einen Satz Lenins schätzte ich schon immer: Sozialismus ist die schöpferische Kraft der Massen. Sozialismus ist kein Schema, nach dem die Gesellschaft in zwei Gruppen eingeteilt wird: in diejenigen, die Befehle geben, und jene, die sie befolgen. Eine derartig vergröbernde und schablonenhafte Auffassung von Sozialismus widert mich an.

Menschen, in all ihrer schöpferischen Unterschiedlichkeit, machen die Geschichte. Deshalb ist es die erste Aufgabe der Umgestaltung, jene „wachzurütteln“, die „eingeschlafen“ sind, sie zu aktivieren, zu interessieren und dahin zu bringen, daß jeder einzelne das Gefühl hat, er sei der Herr im Haus – in seinem Betrieb, Büro oder Institut. Dies ist ganz wesentlich.

Quelle: https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13524569.html

Lösungsskizze Wandlungsprozesse in der UdSSR

Vertiefungsaufgabe:

1. Nennen Sie die Kernthesen des Films „Free to Rock“ zur Rolle der Rockmusik im Kalten Krieg an Hand des folgenden Trailers.

2. Erläutern Sie die Wirkung der KSZE in diesem Zusammenhang.

Free to Rock?

Aus datenschutzrechtlichen Gründen benötigt Vimeo Ihre Einwilligung um geladen zu werden. Mehr Informationen finden Sie unter Datenschutz.

Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE)

Quelle: https://crp-infotec.de/organisationen-osze/

Am 1. August 1975 unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs der 35 Teilnehmerstaaten in Helsinki die Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, KSZE (seit 1995 Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, OSZE).
Die Unterzeichnung gilt als historischer Durchbruch auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges: Erstmals haben die massgeblichen Staaten des Westens (inklusive der USA) und des Ostblocks (inkl. der Sowjetunion) ein umfassendes Abkommen geschlossen, das den Willen zur Zusammenarbeit in unterschiedlichen Themen- und Handlungsfeldern dokumentiert.
Zehn Prinzipien
Im Prinzipienkatalog («Dekalog») der Schlussakte definierten die Teilnehmerstaaten zehn Grundregeln ihrer zukünftigen Beziehung. Im Prinzip VII wurde zur Bedeutung der Menschenrechte unter anderem folgendes festgehalten:
«Die Teilnehmerstaaten anerkennen die universelle Bedeutung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Achtung ein wesentlicher Faktor für den Frieden, die Gerechtigkeit und das Wohlergehen ist, die ihrerseits erforderlich sind, um die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen und der Zusammenarbeit zwischen ihnen sowie allen Staaten zu gewährleisten.»
Durch die Anerkennung der universellen Bedeutung der Menschenrechte wurden die Menschenrechte zu einem legitimen Gegenstand der internationalen Beziehungen erklärt und dem Bereich der innerstaatlichen Angelegenheiten entzogen. Da die Schlussakte im Prinzip VI aber auch das Verbot der Nichteinmischung in innerstaatliche Angelegenheiten postulierte, war der Normkonflikt vorprogrammiert. Die Sowjetunion und ihre Verbündeten verwahrten sich dementsprechend nach der Verabschiedung der Schlussakte von Helsinki gegen westliche Kritik.
Drei «Körbe»
Die Arbeitsfelder der KSZE wurden in der Helsinki-Akte in drei «Körbe»gegliedert, die bis heute unter der Bezeichnung «drei Dimensionen» als Grundstruktur der OSZE Bestand haben:
• Erster Korb: Vertrauensbildende Maßnahmen und Aspekte der Sicherheit und Abrüstung
• Zweiter Korb: Zusammenarbeit in den Bereichen der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Technik sowie der Umwelt
• Dritter Korb: Zusammenarbeit in humanitären und anderen Bereichen
Die Themen des dritten Korbs
Neben den zehn Prinzipien enthält der so genannte «Korb III» der Schlussakte von Helsinki bestimmte menschenrechtliche bzw. humanitäre Anliegen. Die Bestimmungen des dritten Korbes sind relativ vage formuliert und bestehen im Wesentlichen aus Absichtserklärungen etwas zu tun oder wenigstens wohlwollend zu prüfen. Inhaltlich befasst sich dieser Korb mit den folgenden vier zwischenstaatlichen und zwischengesellschaftlichen Bereichen:
• Menschliche Kontakte
• Informationsfreiheit / Medienfreiheit
• Zusammenarbeit und Austausch im Bereich der Kultur
• Zusammenarbeit und Austausch im Bereich der Bildung
Die Themen des dritten Korbes, insbesondere die Bereiche menschliche Kontakte und Informationsfreiheit, gehörten zu den Umstrittensten des ganzen KSZE-Prozesses. Sowohl bei der Ausarbeitung der Bestimmungen als auch bei den Überprüfungskonferenzen bildete der dritte Korb den Hauptschauplatz der ideologischen Auseinandersetzungen zwischen Ost und West. Hier prallten die unterschiedlichen Gesellschaftskonzeptionen am deutlichsten aufeinander, was die Spannungen zwischen den Blöcken erhöhte und die Robustheit des KSZE-Prozesses mehr als einmal auf die Probe stellte.
Zur Bedeutung der Helsinki-Schlussakte
Die Schlussakte von Helsinki stellte zwar keinen völkerrechtlich bindenden Vertrag dar. Sie war aber als politische Übereinkunft die Grundlage für gegenseitige Kontrollen und Forderungen zur Einhaltung der in ihr enthaltenen Verpflichtungen. Die Helsinki-Schlussakte hat das Konzept der zwischenstaatlichen Sicherheit inhaltlich sehr breit ausgelegt. Dies begünstigte die Gründung von zivilgesellschaftlichen Helsinki-Komitees in zahlreichen Ländern ebenso, wie es die Argumentationsbasis der westlichen Staaten stärkte, als sie im Rahmen der KSZE-Folgekonferenzen die Einhaltung der Menschenrechte und Grundfreiheiten in den Staaten des Ostblocks einforderten. Zudem stützten sich auch die Bürgerrechtsgruppierungen in den Ostblockstaaten auf die Schlussakte, um ihren menschenrechtlichen Forderungen Nachdruck zu verschaffen.

Quelle: https://www.humanrights.ch/de/ipf/grundlagen/durchsetzungsmechanismen/osze/helsinki/>