Protest in den 60ern und 70ern: Ziele der Studentenbewegung

Überblick

Aufgabe:

Am 10. Juli 1967 erschien dieses Interview mit Rudi Dutschke im Nachrichtenmagazin Spiegel.

Welche Ziele des Protests formuliert der „Studentenführer“ Rudi Dutschke?

Interview des Spiegel mit Rudi Dutschke

SPIEGEL: Sie sind für die Abschaffung des Parlamentarismus, so wie er in der Bundesrepublik heute existiert?
DUTSCHKE: Ja. Ich denke, dass wir uns nicht zu Unrecht als außerparlamentarische Opposition begreifen. […] Wenn wir sagen außerparlamentarisch, soll das heißen, dass wir ein System von direkter Demokratie anzielen – und zwar von Rätedemokratie, die es den Menschen erlaubt, ihre zeitweiligen Vertreter direkt zu wählen und abzuwählen, wie sie es auf der Grundlage eines gegen jedwede Form von Herrschaft kritischen Bewusstseins für erforderlich halten. Dann würde sich die Herrschaft von Menschen über Menschen auf das kleinstmögliche Maß reduzieren.[…]

Quelle: Spiegel, 29/1967

Protest in den 60ern und 70ern – Mittel des Protests

Überblick

Aufgabe:

Interview des Spiegel mit Rudi Dutschke vom 10. Juli 1967 (Fortsetzung)

Aufgabe:

Wie stand Dutschke zum Thema Gewalt?

SPIEGEL: Ihre Reden wurden gelegentlich wegen solcher Wendungen als versteckte Aufforderungen zur Anwendung von Gewalt gedeutet. Predigen Sie Gewalt?
DUTSCHKE: Aufruf zur Gewalt, zu Mord und Totschlag in den Metropolen hochentwickelter Industrieländer – ich denke, das wäre falsch und geradezu konterrevolutionär. Denn in den Metropolen ist im Grunde kein Mensch mehr zu hassen. Die Regierenden an der Spitze – ein Kiesinger, Strauß oder was auch immer – sind bürokratische Charaktermasken, die ich ablehne und gegen die ich kämpfe, die ich aber nicht hassen kann wie einen Ky in Vietnam oder Duvalier in Haiti.
SPIEGEL: Diese Differenzierung – Gewalt dort, keine hier – erklärt sich für Sie […] DUTSCHKE: […] aus dem prinzipiellen Unterschied im Stand der geschichtlichen Auseinandersetzung. In der Dritten Welt: Hass der Menschen gegen die Form der direkten Unterdrückung, repräsentiert durch Marionetten; darum Kampf gegen diese. Bei uns: Attentat auf unsere Regierungsmitglieder – das wäre absoluter Irrsinn; denn wer begreift nicht, dass bei uns heute jeglicher an der Spitze austauschbar ist. Die terroristische Gewalt gegen Menschen ist in den Metropolen nicht mehr notwendig.
SPIEGEL: Sie verneinen also Gewalt nicht grundsätzlich, sondern nur unter den obwaltenden Umständen?
DUTSCHKE: Ganz sicher wird niemand behaupten können, dass es überhaupt keine Gewalt innerhalb des Prozesses der Veränderung geben wird. Gewalt ist constituens der Herrschaft und damit auch von unserer Seite mit demonstrativer und provokatorischer Gegengewalt zu beantworten. Die Form bestimmt sich durch die Form der Auseinandersetzung. […] Wir können nun innerhalb dieser Auseinandersetzung nicht sagen: Greifen wir mal zu den Maschinengewehren und führen wir die letzte Schlacht.
SPIEGEL: Sondern?
DUTSCHKE: Sondern wir müssen ganz klar sehen, dass unsere Chance der Revolutionierung der bestehenden Ordnung nur darin besteht, dass wir immer größeren Minderheiten bewusst machen, dass das antiautoritäre Lager immer größer wird und damit beginnt, sich selbst zu organisieren, eigene Formen des Zusammenlebens findet – in Berlin eine Gegen-Universität etwa, oder Kommunen oder was auch immer. Gleichzeitig muss das Bestehende unterhöhlt und Neues herausgebildet werden.
Quelle: Spiegel, 29/1967

Neue Bewegungen: Rollenbilder I

Im folgenden Kapitel werden drei gesellschaftliche Strömungen der Bundesrepublik näher beleuchtet, die sich – zu unterschiedlichen Zeiten – alle aus einer Protesthaltung heraus entwickelten und in ihrer Folge zu einer Demokratisierung der Gesellschaft, wie sie sich heute präsentiert, beitrugen.

Hintergründe: Überkommene Rollenbilder im deutschen Schlager

Aufgabe:

Aufgaben:
Hören Sie sich das Lied von Rita Pavone aus dem Jahr 1963 an! (Link zu einer Remix-Version)
Welche Rollenbilder bezüglich Jungen und Mädchen sind in dem Songtext aus dem Jahre 1963 zu erkennen?

Rita Pavone (1963)
Wenn ich ein Junge wär

Wenn ich ein Junge wär, das wäre wunderschön,
dann könnt ich jeden Tag in langen Hosen gehn.
Und käm ich abends spät nach Haus,
macht Mama nicht ein Drama daraus,
das wäre halb so schwer,
wenn ich ein Junge wär.

Doch wenn Tino Tino Tino mich küsst,
und wenn Tino Tino lieb zu mir ist,
wird bei Tino Tino Tino mir klar,
eine picco, piccolina, carina, bambina,
si si, signorina zu sein, ist wunderbar!

Wenn ich ein Junge wär mit einem Motorrad,
dann wäre ich bekannt, bald in der ganzen Stadt.
Ich trau mir zu, im Fußballverein
ein guter Mittelstürmer zu sein,
das wäre halbso schwer,
wenn ich ein Junge wär.
Doch wenn Tino Tino Tino mich küsst,
und wenn Tino Tino lieb zu mir ist,
wird bei Tino Tino Tino mir klar,
eine picco, piccolina, carina, bambina,
si si, signorina zu sein, ist wunderbar!

Wenn ich ein Junge wär, dann wüsste ich so gut,
was ein verliebter Boy aus lauter Liebe tut,
das wäre halb so schwer,
wenn ich ein Junge wär.

Hintergründe: Überkommene Rollenbilder in der Werbung

Aufgabe:

Aufgaben:
Schauen Sie sich den folgende Werbefilm aus den späten 50er Jahren an und überlegen Sie, welches Rollenbild der Frau zugewiesen wird.

Aus datenschutzrechtlichen Gründen benötigt YouTube Ihre Einwilligung um geladen zu werden. Mehr Informationen finden Sie unter Datenschutz.

Neue Bewegungen: Frauenemanzipation

Die Rolle der Frau in den 50er und 60er Jahren

Auch der Alltag der Frauen war in den 60er Jahren noch durch traditionelle Arbeitsteilung geprägt. Zwar schrieb das Grundgesetz die Gleichberechtigung der Geschlechter fest, doch wurden Frauen für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen. Des Weiteren konnten sie nicht frei entscheiden zwischen Familie, Beruf oder gar beidem; sie hatten kaum Zugang zu Beruf und Politik. An den Universitäten befanden sich die Studentinnen mit 27% in der Minderheit. Nur 6% der Professoren waren Frauen. Der Anteil der weiblichen Abgeordneten lag zur Zeit bei knapp 6% bis 7%. Bis 1977 galt die sog. „Hausfrauenehe“ – die Ehefrau durfte nur dann berufstätig sein, wenn das mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar war.

Wichtige Impulse für die wachsende Emanzipation der Frauen gab die neue Frauenbewegung, die sich Anfang der 70er Jahre formierte. Gesetzesreformen der sozial-liberalen Koalition unter Willy Brandt erweiterten die rechtliche Gleichstellung der Frau. In den 60er und 70er Jahren eröffneten die Bildungsdebatte und die Anti-Baby-Pille als Mittel der Familienplanung neue Wege für die Frauenemanzipation. Ausbildung und Beruf wurden zu einem wichtigen Bestandteil weiblicher Lebensplanung, auch wenn die Berufswahl weiterhin geschlechtsspezifisch erfolgte. In der zweiten Hälfte der 60er Jahre nahmen trotz päpstlichen Verbots immer mehr Frauen die Anti-Baby-Pille. Sie machte eine Schwangerschaft planbar und trug so auch zur sexuellen Befreiung bei. Der Minirock war sein Symbol. Die Modebranche machte aus der Provokation einen Trend und propagierte das superschlanke Modell „Twiggy“ als Schönheitsideal.

Neue Konzepte: Antiautoritäre Erziehung

Antiautoritäre Erziehung

Es entstand auch eine neue Form des Zusammenlebens. Erste Wohngemeinschaften wurden gegründet. 1967 bildete sich in West-Berlin die sog. Kommune 1, deren Mitglieder „kollektives Leben mit politischer Arbeit“ verbinden wollten und sich gegen bürgerliche Abhängigkeitsverhältnisse in der Familie auflehnten. Zu den bekanntesten „Kommunarden“ zählten Rainer Langhans und Fritz Teufel, die mit provokanten öffentlichen Auftritten schockierten. Gegen bestehende familiäre Normen wendete sich auch das Konzept der antiautoritären Erziehung, das in Deutschland u.a. durch die Schriften des britischen Pädagogen A. S. Neill populär wurde. Seit 1968 entstanden vor allem in Berlin sog. Kinderläden, die diese Idee aufnahmen und sich so bewusst von Kindergärten abgrenzten.

Aufgaben:

Aufgaben:

Vorbemerkung: In der Quelle wird zwischen der „revolutionären“ und der „individualistischen“ Linie unterschieden. Beide waren sich in Bezug auf die Erziehungsprinzipien, nicht aber hinsichtlich der Zielsetzung einig. Uns interessiert in diesem Zusammenhang die erstere Richtung.

  1. Klären Sie, aus welchen praktischen Erwägungen heraus Studenten „Kinderläden“ gründeten. Woher kommt übrigens der Name?
  2. Arbeiten Sie zunächst heraus, was sich konkret  in der Erziehung der Kinder in den Kinderläden ändern sollte, und notieren Sie Ihre Ergebnisse stichpunktartig.
  3. Welche Bedeutung misst die „revolutionäre Linie“ der autoritären Erziehung zu?

Lösungen

Vorbemerkung: wird zwischen der „revolutionären“ und der „individualistischen“ Linie unterschieden. Beide waren sich in Bezug auf die Erziehungsprinzipien, nicht aber hinsichtlich der Zielsetzung einig. Uns interessiert in diesem Zusammenhang die erstere Richtung.

  1. Klären Sie, aus welchen praktischen Erwägungen heraus Studenten „Kinderläden“ gründeten. Woher kommt übrigens der Name?
  2. Arbeiten Sie zunächst heraus, was sich konkret  in der Erziehung der Kinder in den Kinderläden ändern sollte, und notieren Sie Ihre Ergebnisse stichpunktartig.
  3. Welche Bedeutung misst die „revolutionäre Linie“ der autoritären Erziehung zu?

Quelle

Politisch engagierte Studentenmütter hatten das Problem, dass es in den traditionellen Kindergärten zu wenig Plätze gab. Außerdem passte die dort praktizierte autoritäre Erziehung nicht zu ihren Ideen. Der Name „Kinderladen“ kommt daher, dass in der Anfangszeit leerstehende Tante-Emma-Läden genutzt wurden.

Antiautoritäre Erziehungsprinzipien

  • Alle autoritären Strukturen aufheben
  • Statt Autoritätshörigkeit, Anpassung und Unterdrückung wollte man die Freiheit und das Glück des Kindes.
  • Die Kinder sollten ihre Bedürfnisse in allen Bereichen (Essen, Schlafen, Sexualität, Spielen, Lernen,…) frei äußern und selbst regulieren können.
  • Kreativität statt Anleitung,
  • Entfaltung der Gefühle statt Betonung des Intellekts,
  • Selbstregulierung der auftretenden Konflikte
  • keine Disziplinierungsmaßnahmen

Familiäre Strukturen und die öffentliche Erziehung werden als repressive Mittel der bürgerlichen Gesellschaft gesehen, die dazu dienen, das herrschende Gesellschaftssystem zu reproduzieren.

Neue Konzepte: Neue Formen des Zusammenlebens

Die Studentenproteste erstreckten sich auch auf den privaten Bereich. Traditionelle Familienbindungen wurden zunehmend in Frage gestellt und alternative Formen des Zusammenlebens erprobt. Überkommene Erziehungsgrundsätze standen in der Kritik, weil sie die freie Entfaltung des Individuums verhinderten. Der Bruch mit traditionellen Werten und Autoritäten hat zu einem neuen Lebensgefühl beigetragen, das die 68er Generation kennzeichnete. Ihre Ideen und Alternativen beeinflussten nicht nur den Reformprozess der 70er Jahre, sondern bewirkten zugleich einen tiefgreifenden Wertewandel in der Bundesrepublik.

Die politische Protestbewegung beeinflusste den gesamten Lebensstil der jungen Generation. Rocksänger und Rockgruppen wie Joan Baez, Bob Dylan oder The Doors wurden mit ihren Protestliedern zu Idolen. Mit Hippie-Look und Minirock rebellierten die Jugendlichen gegen gesellschaftliche Normen und „Spießertum“. Ihre Forderung nach einer freien Entfaltung der Sexualität erschütterte die Moralvorstellungen der Erwachsenen. Die Suche nach einem „alternativen Leben“ verführte aber auch viele Jugendliche zu Experimenten mit Drogen, um mit ihrer Hilfe in eine Scheinwelt voll Phantasie und Liebe zu entfliehen.

„The Doors“ auf ihrem Album „Absolutely Live“

Es entstand auch eine neue Form des Zusammenlebens. Erste Wohngemeinschaften wurden gegründet. 1967 bildete sich in West-Berlin die sog. Kommune 1, deren Mitglieder „kollektives Leben mit politischer Arbeit“ verbinden wollten und sich gegen bürgerliche Abhängigkeitsverhältnisse in der Familie auflehnten. Zu den bekanntesten „Kommunarden“ zählten Rainer Langhans und Fritz Teufel, die mit provokanten öffentlichen Auftritten schockierten. Gegen bestehende familiäre Normen wendete sich auch das Konzept der antiautoritären Erziehung, das in Deutschland u.a. durch die Schriften des britischen Pädagogen A. S. Neill populär wurde. Seit 1968 entstanden vor allem in Berlin sog. Kinderläden, die diese Idee aufnahmen und sich so bewusst von Kindergärten abgrenzten.

Mitglieder der Kommune 1 beim Essen

Auch der Alltag der Frauen war in den 60er Jahren noch durch traditionelle Arbeitsteilung geprägt. Zwar schrieb das Grundgesetz die Gleichberechtigung der Geschlechter fest, doch wurden Frauen für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen. Des Weiteren konnten sie nicht frei entscheiden zwischen Familie, Beruf oder gar beidem; sie hatten kaum Zugang zu Beruf und Politik. An den Universitäten befanden sich die Studentinnen mit 27% in der Minderheit. Nur 6% der Professoren waren Frauen. Der Anteil der weiblichen Abgeordneten lag zur Zeit bei knapp 6% bis 7%. Bis 1977 galt die sog. „Hausfrauenehe“ – die Ehefrau durfte nur dann berufstätig sein, wenn das mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar war.

Wichtige Impulse für die wachsende Emanzipation der Frauen gab die neue Frauenbewegung, die sich Anfang der 70er Jahre formierte. Gesetzesreformen der sozial-liberalen Koalition unter Willy Brandt erweiterten die rechtliche Gleichstellung der Frau. In den 60er und 70er Jahren eröffneten die Bildungsdebatte und die Anti-Baby-Pille als Mittel der Familienplanung neue Wege für die Frauenemanzipation. Ausbildung und Beruf wurden zu einem wichtigen Bestandteil weiblicher Lebensplanung, auch wenn die Berufswahl weiterhin geschlechtsspezifisch erfolgte. In der zweiten Hälfte der 60er Jahre nahmen trotz päpstlichen Verbots immer mehr Frauen die Anti-Baby-Pille. Sie machte eine Schwangerschaft planbar und trug so auch zur sexuellen Befreiung bei. Der Minirock war sein Symbol. Die Modebranche machte aus der Provokation einen Trend und propagierte das superschlanke Modell „Twiggy“ als Schönheitsideal.

Mit der Enttabuisierung des Sexuallebens nahmen aber auch die Anzüglichkeiten in der Werbung fast schrankenlos zu. Viele Frauen fühlten sich durch die freizügigen Abbildungen in den Illustrierten diskriminiert und zum männlichen Lustobjekt reduziert. Vor diesem Hintergrund forderte vor allem die Studentenbewegung eine zeitgemäße Sexualaufklärung in den Schulen und freie Entwicklung von Sexualität. Zugleich zeichneten sich allgemeine Liberalisierungstendenzen in der Sexualmoral ab. Zahlreiche Wissenschaftler befassten sich mit Fragen der Sexualität, Forderungen nach einer Revision des Sexualstrafrechtes wurden laut.

Mit populären Aufklärungsbüchern und -filmen vermittelte Oswalt Kolle einem breitem Publikum Erkenntnisse der Sexualwissenschaft. Er wollte mit populären Filmen und Illustriertenbeiträgen wie „Dein Mann – das unbekannte Wesen“ zur Sexualaufklärung der Bevölkerung beitragen. Seine erfolgreichsten Filme waren die Vorläufer einer ganzen Reihe von Sexfilmen, die – als Aufklärungs- oder Heimatfilme „verpackt“ – viele vom Ruin bedrohte Kinos als Publikumsmagneten nutzten.

Auch in der Gesellschaft häufen sich die Stimmen, die eine neue Sexualpädagogik forderten. Wichtige gesellschaftliche Kräfte wie die evangelische Kirche akzeptierten die veränderten Beziehungen junger Leute. Der 1969 von Bundesgesundheitsministerin Käte Strobel vorgelegte Sexualkunde-Atlas wurde jedoch von katholischer und konservativer Seite heftig angegriffen.

Aufgabe:

Klären Sie, welche Motive hinter dem Zusammenschluss einiger Studenten zur Kommune 1 (s. Foto unten) stehen. Erläutern Sie die Motive im Einzelnen.

Lösungen

Motive des Zusammenschlusses zur Kommune 1.

  • Sie wollen die als spießig empfundene Kleinfamilie und ihre hierarchischen Familienstrukturen hinter sich lassen.
  • Alle Beteiligten (Kind, Frau, Mann) sollen gleichberechtigt sein.
  • Die Familie beschreiben sie ironisch als die Keimzelle des Faschismus (in der traditionellen Staatslehre wird die Familie als Keimzelle des Staates bezeichnet).
  • Die medial ausgebreitete Sexualität (Uschi Obermaier wird schnell zur Ikone der Boulevard-Presse) bringt Einnahmen und das tabuisierte Thema in die Öffentlichkeit.

Neue Bewegungen: Die ökologische Bewegung

Ölkrisen und das Reaktorunglück von Tschernobyl

Während des Vierten israelisch-arabischen Krieges im Oktober 1973 setzten die arabischen Länder erstmals den Rohstoff Öl als Waffe ein. Der Ölpreis stieg rapide an, während die arabischen Staaten eine kontinuierliche Produktionseinschränkung beschlossen. Aufgrund der pro-israelischen Haltung der USA und der Niederlande wurde über beide Staaten ein Lieferboykott verhängt. Dieser wirkte sich auch auf andere westeuropäische Länder aus. Die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) schloss sich mit ihrer Preispolitik an. 1970 betrug der Rohölpreis 1,40 Dollar pro Barrel (158,8 Liter); 1973 stieg der Preis auf das Vierfache.

Die Bundesrepublik reagierte auf die Ölkrise mit der drastischen Einsparung des Energieverbrauchs. Im November und Dezember 1973 wurden vier autofreie Sonntage angeordnet. Des Weiteren wurde die Geschwindigkeit auf Autobahnen zeitweise auf 100 km/h heruntergesetzt. Der „Ölschock“ von 1973/1974 war eine der Ursachen für die schwerste Wirtschaftskrise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Bundeskanzler Willy Brandt erwies sich in dieser Situation nicht fähig, der Wirtschaftskrise gezielt entgegenzusteuern. Im April 1974 stellte sich dann heraus, dass ein enger Mitarbeiter Brandts, Günter Guillaume, unter dem Verdacht der Spionage für die DDR festgenommen wurde. Daraufhin trat Willy Brandt von seinem Amt als Bundeskanzler zurück. Zu seinem Nachfolger wurde Wirtschafts- und Finanzminister Helmut Schmidt gewählt, das Amt des Vizekanzlers und Außenministers begleitete Hans-Dietrich Genscher von der FDP.

1979 löste die Revolution im Iran eine weitere Ölkrise aus, die den Rohölpreis auf 23 Dollar pro Barrel steigen ließ. Während dieser zweiten Welle der Ölpreiserhöhung geriet auch die neue sozial-liberale Koalition in Schwierigkeiten. Vor allem die jungen Sozialdemokraten kritisierten die geringe Reformbereitschaft der Bundesregierung, während die FDP in ihrem Koalitionspartner ein Hemmnis für Kostendämpfungspolitik sah.

In den 70er Jahren ging man von einem stetigen Wachstum der Wirtschaft und von einem hohen Zuwachs des Energieverbrauchs aus. Die Energiepolitik der Bundesregierung zielte auf eine Verringerung des Anteil von Erdöl und auf den Ausbau von Erdgas, heimischer Kohle und Kernenergie. Jedoch stießen die Pläne des forcierten Ausbaus von Kernkraftwerken auf heftigen Widerstand innerhalb der Bevölkerung. Es kam zur Bildung von regionalen und überregionalen Bürgerinitiativen, die sich mit Demonstrationen und juristischen Mitteln gegen den Bau von Kernkraftwerken einsetzten.

In den 80er Jahren rückten umweltpolitische Themen wie Waldsterben, saurer Regen und Ozonloch als globales Problem in den Mittelpunkt der politischen Diskussion. Außerdem machten internationale Umweltorganisationen wie Greenpeace durch spektakuläre Aktionen auf die ökologischen Gefahren aufmerksam. Insbesondere das Reaktorunglück von Tschernobyl am 26.04.1986 rüttelte Politik und Öffentlichkeit auf. Dies führte zur Gründung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit am 05.06.1986.

Die Grünen

Ende der 70er Jahre entstanden vor allem aus Bürgerinitiativen in verschiedenen Teilen der Bundesrepublik „grüne Listen“, die sich an den Kommunal- und Landtagswahlen beteiligten. Durch den Zusammenschluss dieser regionalen Gruppen bildete sich Anfang 1980 die Partei „Die Grünen“. Vorrangiges Thema der politischen Diskussion wurde in diesen Jahren die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen. Bei der Bundestagswahl 1980 erreichten die Grünen lediglich 1,5% der Stimmen; 1983 überwanden sie mit 5,6% aber die Sperrklausel und zogen in den Bundestag ein.

Mehrere Jahre schwächte die Politik der Grünen der innerparteiliche Kampf zwischen Fundamentalisten und Realpolitikern. Diese setzten sich Ende der 80er Jahre durch. Ihr ungewohntes Auftreten und ihr Arbeitsstil sorgten für Aufsehen: Abgeordnete in Turnschuhen und Rollkragenpulli standen am Rednerpult, das Dienstfahrrad wurde eingeführt, und die Fraktion tagte häufig im Grünen. Mit einem Rotationsverfahren innerhalb einer Legislaturperiode wurden neue Formen innerparteilicher Demokratie erprobt, die sich jedoch als wenig praktikabel erwiesen. Im Mai 1993 schlossen sich die Grünen mit der DDR-Bürgerrechtsbewegung „Bündnis 90“ zur neuen Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ zusammen und bildeten ab den Bundestagswahlen 1998 zusammen mit der SPD die erste rot-grüne Regierungskoalition auf Bundesebene.

Staatliche Reformpolitik

Ehe, Familie, Bildung

Aufgaben:

Aufgabe 1:

Verschaffen Sie sich einen Überblick über die innenpolitische Reformtätigkeit der sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt (links) und Walter Scheel. Notieren Sie stichpunktartig, welche Reformen im Bereich des Strafrechts, der sozialen Sicherung und der Wirtschaft vorgenommen wurden bzw. angestrebt waren.

Quelle zu Aufgabe 1: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Sozialliberale Koalition und innere Reformen

Aufgabe 2:
Arbeiten Sie anschließend heraus, was mit den Veränderungen im Ehe- und Familienrecht sowie auf dem Sektor der Bildung erreicht werden sollte.

Quellen zu Aufgabe 2: Bürklin Jürgen-M: Bildung der 60er Jahre / Bürklin Jürgen-M: Bildung der 70er Jahre

Lösungen

Lösungsvorschlag zu Aufgabe 1:
Verschaffen Sie sich einen Überblick über die innenpolitische Reformtätigkeit der sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt (links) und Walter Scheel. Notieren Sie stichpunktartig, welche Reformen im Bereich des Strafrechts, der sozialen Sicherung und der Wirtschaft vorgenommen wurden bzw. angestrebt waren.

Strafrechtsreform

  • Aufhebung des Unterschieds zwischen Zuchthaus, Gefängnis und Haft und Einführung einer einheitlichen Freiheitsstrafe
  • Reform des Abtreibungsparagraphen 218

Soziale Sicherung

  • Ausbau der Leistungen und des Zahl der Empfänger von sozialen Hilfen
  • Aufhebung starrer Ruhestandsregelungen und Einführung einer flexiblen Altersgrenze

Mitbestimmung im Arbeitsleben

  • Stärkung der Rechte des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber
  • Einführung einer Mitbestimmung der Arbeitnehmer auch in kleineren Unternehmen als Maßnahme zur Verankerung demokratischen Vorgehens auch im Wirtschaftsleben.

Quelle zu Aufgabe 1: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Sozialliberale Koalition und innere Reformen

Lösungsvorschlag zu Aufgabe 2:
Arbeiten Sie anschließend heraus, was mit den Veränderungen im Ehe- und Familienrecht sowie auf dem Sektor der Bildung erreicht werden sollte.

Familien- und Eherecht

  • Verankerung der Gleichberechtigung von Mann und Frau im privaten Bereich
  • Förderung der Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit von Jugendlichen und Heranwachsenden in der Familie
  • Stärkere Berücksichtigung des Willens der Kinder in der Erziehung und z.B. bei Scheidungen

Bildungsreformen (beachten Sie: Bildung ist trotz allem Ländersache)

  • Ausschöpfung von „Bildungsreserven“ als Mittel gegen die u.a. von dem Bildungsforscher Picht diagnostizierte „deutsche Bildungskatastrophe“
  • Verstärkung des so genannten zweiten Bildungswegs mit BOS und FOSAufhebung des Bildungsgefälles zwischen Stadt und Land
  • Oberstufenreform mit Grund- und Leistungskursen, verschiedenen Wahlpflicht- und Wahlfächern sollte es den Schülerinnen und Schülern ermöglichen, sich entsprechend ihren Interessen, Neigungen und Fähigkeiten ein individuelles Bildungsprogramm zusammenzustellen.
  • Mitbestimmungsmöglichkeiten des „Mittelbaus2 (Assistenten, Dozenten, sonstiges wissenschaftliches Personal) und der Studierenden in den Universitäten

Quellen zu Aufgabe 2: Bürklin Jürgen-M: Bildung der 60er Jahre / Bürklin Jürgen-M: Bildung der 70er Jahre

Bewertung der Bewegung

Bewertung durch Joschka Fischer

Aufgabe:

Aufgabe:

Lesen Sie den Text aus „Spiegel“ von Joschka Fischer zur Einschätzung der 68er-Bewegung!

Zu welchem Urteil über die Studentenbewegung gelangt Fischer?
Wie begründet er seine Einschätzung?

Aufgabe:

Aufgabe:

Lesen Sie vergleichend eine Einschätzung des Politikwissenschaftlers Kurt Sontheimer in der Wochenzeitung „Die Zeit“ und ermitteln Sie, zu welcher Beurteilung er gelangt!