Flucht und Vertreibung

Überblick

Aufgabe

Erarbeiten Sie aus den folgenden Materialien die Schwierigkeiten, vor denen die Menschen aus den deutschen Ostgebieten einerseits, die aufnehmende Gesellschaft in Westdeutschland andererseits nach 1945 standen.

Der Zweite Weltkrieg bedeutete für viele Millionen Menschen neben dem Verlust von Angehörigen und Freunden auch den Verlust der Heimat. Hitlers Vorstellung von einem deutsch besiedelten Osteuropa, vom deutschen „Lebensraum im Osten“ hatte zunächst die Vertreibung, Umsiedlung, Deportation, Vernichtung und „Germanisierung“ von slawischen Bewohnern Osteuropas zur Folge. Mit dem Vordringen der Roten Armee wurden allerdings zunehmend Deutsche Opfer von Flucht und Vertreibung.
Nach dem Fall von Stalingrad erfolgte eine erste Fluchtwelle von Volks- und Reichsdeutschen des Ostens in Richtung Deutschland. Man befürchtete mit Recht Übergriffe der Roten Armee sowie Racheakte der polnischen und tschechischen Bevölkerung. Im Sommer 1944 setzten sich die ersten Flüchtlingsströme vom Baltikum und dem Memelland Richtung Deutsches Reich in Bewegung; im Herbst folgte eine Fluchtbewegung von Ostpreußen nach Westen.
Nach der Kapitulation im Mai 1945 kehrten viele Geflohene wieder in ihre alte Heimat zurück, in der Hoffnung dort geordnete Verhältnisse vorzufinden. Jedoch schloss die polnische Regierung im Juni 1945 die Oderübergänge. Man begann mit Schikanen, Zwangsarbeitsverpflichtungen und Racheakten, die deutsche Bevölkerung zu vertreiben oder in Konzentrationslager im Hinterland einzuweisen. Dies löste eine zweite Fluchtwelle aus.
Die alliierten Militärregierungen brachten Flüchtlinge und Vertriebene in Lagern, Notquartieren oder bei Privatfamilien unter. Auch angesichts der ohnehin knappen Ressourcen, aber auch auf Grund von Vorurteilen gegenüber den Menschen aus dem Osten gab es oft Schwierigkeiten im Zusammenleben zwischen Einheimischen und Vertriebenen. Allein in Schleswig-Holstein stieg die Bevölkerung um 33 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern um 44,3 Prozent. 1950 lebten 8 Millionen Flüchtlinge in der Bundesrepublik und 4 Millionen in der DDR. Wie viele Menschen in den chaotischen Ereignissen sterben, ist bis heute unklar. Schätzungen schwanken zwischen 400.000 und bis zu zwei Millionen Opfern.

Flucht und Vertreibung: Zeitzeugeninterview

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Flucht und Vertreibung: Zeitungsmeldungen

Aus Kulmbach und Umgebung

Als menschliches Strandgut kamen die Flüchtlinge schon während des Krieges und erst recht nach Kriegsende als Heimatvertriebene auch hier auf die Plassenburg. 312 Personen bergen diese Räume noch heute in ihren Mauern. Schon vielfach wurde versucht, wenigstens einen Teil in menschlich würdige Räume in der Stadt unterzubringen. Die Schwierigkeiten sind groß, da diese Möglichkeiten sehr beschränkt sind und außerdem über 6000 Flüchtlinge bereits untergebracht wurden. Trotzdem dürfen diese leidgeprüften Menschen niemals vergessen werden, um ihr schweres Los zu mildern. An die Handwerker besonders wird von Teilen der Lagerleitung appelliert, die Nöte der Leidgeprüften einzusehen. Der Mangel an Glühlampen in Fluren, Treppen und Toilettenräumen ist für die alten Menschen eine besonders große Gefahr. Der älteste Bewohner ist immerhin 82 Jahre und weitere 20 Personen über 60 Jahre alt. Trotzdem es Frühling wird, frieren noch alle und die Luft in vielen Räumen ist stickig und muffig. Es fehlt an Brennmaterial, denn die Zuteilungen sind zu gering. Die niedrige Miete und das verhältnismäßig gute Lageressen aus einer modernen Lagerküche ist das einzig Positive. Doch Sonderzuteilungen gibt es nicht, wie seit dem Herbst, obwohl Bezugsscheine vorhanden, aber kein Gemüse zu beschaffen war. 142 Personen nehmen zur Zeit an den Mahlzeiten teil; doch manche kochen selber, um möglichst viel aus den geringen Zuteilungsmengen herauszuholen. In kojenartigen Unterteilungen, mit Decken verhangen, wohnen zum Teil Familienangehörige, doch auch fremde Menschen, zusammen. Die sanitären Einrichtungen scheinen hier besser als in anderen Lagern, doch die älteren Frauen klagen sehr, dass sie sich nicht waschen können, ohne interessiert dreinblickenden Halbwüchsigen ausgesetzt zu sein. Besonders für die Jugend, für ihre Erziehung und Fürsorge, müssten weitere Vorkehrungen getroffen werden. Ein Säugling von elf Monaten hat das geringste Gewicht von etwa 12 Pfund. Frauen weinen viel und Kinder erkranken und verwahrlosen: Trotzdem ist bei vielen Insassen der Lebensmut nicht gebrochen. Bei fast allen Befragten drückt sich der Wunsch nach einer eigenen Wohnung und nach Arbeit aus. Doch für die Hausfrauen reißt auch hier oben die Arbeit nicht ab. Frau Tripke aus Neumarkt bei Breslau hat sieben Personen zu betreuen und wartet noch auf zwei Söhne aus der Gefangenschaft. Der 57-jährige Freiherr von Gursky aus Danzig möchte gern nach Südamerika auswandern. Aus Troppau (Sudetengau) hausen vier Familien mit 4 Kindern in einem gewölbeartigen Raum mit einem sehr schlechten Ofen als einzige Koch- und Heizmöglichkeit. Trotzdem wollen sie hier leben und hoffen weiterhin. Nur seelisch gebrochene Personen wollen heim und glauben, hier wahnsinnig werden zu müssen. Dunkelkabinen ohne jegliches Tageslicht tragen wohl das Übrige dazu bei. Der Lagerleiter Brich Walter erklärt zu diesen Verhältnissen, dass ein Daueraufenthalt für höchstens 30 bis 40 Familien angebracht wäre, anstelle von jetzt annähernd hundert. Aufgrund der Verlautbarungen der letzten Stadtratssitzung hoffen die Heimatvertriebenen auf der Burg, dass auch sie bald an der Reihe sind und einen eigenen Wohnraum erhalten. Sie erwarten, dass in Würdigung ihrer unvorstellbar großen Wohnraumnot die fliegende Wohnungskommission in der Stadt einen strengen Maßstab anlegen wird und der Stadtbevölkerung nur die Räume belässt, die zur Führung eines menschenwürdigen Lebens als unbedingt notwendig erachtet werden.

Fränkische Presse vom 12.03.1948

Gebt uns die Heimat wieder:

Die Großkundgebungen der Sudetendeutschen Landsmannschaften und der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen in Augsburg, Regensburg, München, Fürth, Stuttgart und Wiesbaden wurden von 60000 Menschen besucht. Bei allen sechs Kundgebungen wurde eine gleichlautende Entschließung angenommen, die an den Generalsekretär der UN, Trygve Lie, an den Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses des Senats der Vereinigten Staaten von Amerika, Tom Conally, an die drei Hohen Kommissare und an den Bundeskanzler Dr. Adenauer gerichtet wurde. Im folgenden der Schluss dieser Resolution im Wortlaut: “Lasst ein Volk von der Größe der Schweiz, lasst drei Millionen Menschen nicht einfach untergehen! Rettet die 200000 Sudetendeutschen, die, aller Rechte entblößt, in Böhmen und Mähren Sklavenarbeit verrichten! Gewährt uns das unabdingbare Naturrecht, selbst über uns zu bestimmen! Widerruft die Beschlüsse von Jalta und Potsdam! Gebt uns die Heimat wieder!”

Bisher 60000 bei der Leistungsschau:

Die Erwartungen, die sich die Veranstalter und Aussteller von der Leistungsschau der Heimatvertriebenen, die unter dem Motto “Was wir bringen” seit dem 16. September in einer Zeltstadt am Münchner Stachus stattfindet, haben sich erfüllt, ja, sie wurden zum Großteil sogar übertroffen. Gegen 60000 Besucher besichtigten bis Donnerstag die 330 Stände der Flüchtlingsfirmen. Die Geschäftsabschlüsse sind mehr als erfreulich.

Eheschließungen der Heimatvertriebenen:

Von 32826 Heimatvertriebenen, die im Jahre 1948 in Bayern die Ehe geschlossen haben, haben 16344 einen in Bayern einheimischen Ehepartner gewählt. Zu dieser wohl etwas überraschenden Feststellung gelangt Dr. H. Keller in seiner Untersuchung “Die Eheschließung der Heimatvertriebenen in Bayern 1948”, die er soeben in Heft 8 der Zeitschrift “Bayern in Zahlen” veröffentlicht. Man sieht also, dass die soziologische Eingliederung der Neubürger in die alteingesessene Bevölkerung sich auf dem natürlichsten Wege vollzieht und zwar mit einer Intensität, die der oft so misstönende Lärm um dieses Problem gar nicht vermuten lässt. Während auf je 1000 Einwohner der Gesamtbevölkerung 20,5 eheschließende Personen entfallen, erreichen die Heimatvertriebenen nur eine Verhältniszahl von 17,6. Man wird nicht fehlgehen, die Erklärung dafür in der wirtschaftlich ungünstigen Lage der Heimatvertriebenen zu suchen. Besonders tief liegt der Anteil der sudetendeutschen Volksgruppe, die nur 12,2 Eheschließende auf je 1000 aufweisen kann.

Fürsorgebeihilfe für Winterfeuerung:

Durch eine Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern an die Regierungen, Land, und Stadträte sowie Bezirksfürsorgeverbände wird darauf hingewiesen, dass zahlreiche Kreisflüchtlingsausschüsse um Fürsorgezulagen für die Flüchtlinge zur Beschaffung von Heizstoffen für den Winter gebeten haben. Da in den Fürsorgerichtsätzen die Aufwendungen für die Beschaffung der Winterfeuerung nicht enthalten sind, hätten die Bezirksfürsorgeverbände die Möglichkeit, hierfür besondere Beihilfen zu gewähren, die jedoch nicht auf den Kreis der Flüchtlinge beschränkt bleiben dürfen, sondern allen Antragstellern gewährt werden müssten, sofern die Voraussetzungen hierfür gegeben sind. Die Festsetzung der Höhe dieser Beihilfen und des Zeitpunktes ihrer Auszahlung bleibt den Bezirksfürsorgeverbänden vorbehalten.

Neuer Transport in die französische Zone:

Am Donnerstag, den 22. September, verließ ein weiterer Transport die Oberpfalz mit 280 Umsiedlern aus den Kreisen Furth im Wald, Cham und Viechtach. Insgesamt wurden bisher etwa 4600 Heimatvertriebene nach der französischen Zone umgesiedelt. Die Prüfungskommission aus der französischen Zone hält sich zur Zeit noch in der Oberpfalz auf, wird aber bereits in den nächsten Tagen das Lager Hof-Moschendorf besuchen. Man hofft, bis Ende dieses Monats über 5000 Umsiedler in die französische Zone, und zwar in das Land Württemberg-Hohenzollern transportiert zu haben.

Theatergemeinschaft:

Der Arbeitsausschuß der kulturschaffenden Heimatvertriebenen hat an alle Flüchtlingsämter von Bayern die Bitte gerichtet, die Heimatvertriebenen zu befragen, ob sie sich unverbindlich bereit erklären würden, einer Theatergemeinschaft der Heimatvertriebenen beizutreten. Der Plan verfolgt den doppelten Zweck, einerseits heimatvertriebene Schauspieler wieder in ihrem Beruf zu beschäftigen, andererseits den Flüchtlingen gute Kunst zugänglich zu machen. Die bisher eingegangenen Meldungen lassen einen günstigen Fortgang erhoffen.

Schlesiervereinigung Kulmbach:

Jeden ersten Samstag im Monat 20.00 Uhr, gemütliches Beisammensein der Schlesier, Samstag, 1. Oktober Gaststätte Petz, Kulmbach. Das beabsichtigte “Schlesische Bierfest” findet am Samstag, den 5. November statt.

Suchdienst:

Beim BRK, Preisverband Kulmbach, Flessastr. 1 liegt eine Meldung vor über einen Kriegsgefangenen Helmut Wirth, ca. 24 Jahre alt aus Kulmbach oder Umgebung, der sich noch in russischer Kriegsgefangenschaft befindet. Die Angehörigen werden gebeten beim BRK Kulmbach, Flessastr. 1, vorzusprechen. Dienstzeit des Suchdienstes von 8.00 bis 12.00 Uhr und 13.00 bis 17.00 Uhr. Mittwoch und Samstag geschlossen. Die Durchführung von Nachforschungen nach infolge des Kriegsgeschehens vermissten Personen (entlassenen Kriegsgefangenen, politischen Häftlingen, deutschen und volksdeutschen Flüchtlingen und Evakuierten, verschleppten und verschickten Personen u.a.) wird in Bayern dem Bayer. Roten Kreuz übertragen. Die Suchdienststelle des Bayer. Roten Kreuzes, Kreisverband Kulmbach, befindet sich in Kulmbach, Flessastr. 1.

Bayerische Rundschau vom 29.09.1948