Demokratisierung durch Entnazifizierung
Übersicht
Etwa 8,5 Millionen Deutsche waren Mitglieder der NSDAP gewesen. Sie bildeten den Kern von Hitlers Parteigängern und mussten wie von den Alliierten auf ihren Konferenzen beschlossen entnazifiziert werden. Noch bevor der Alliierte Kontrollrat die Ausführungsbestimmungen für ein einheitliches Vorgehen in den vier Besatzungszonen erlassen hatte, wurde mit dieser Maßnahme im Frühjahr 1945 begonnen.
Deutsche beteiligten sich ebenfalls an der politischen Säuberung. In ganz Deutschland entstanden während des Zusammenbruchs der NS-Herrschaft „Antifaschistische Komitees“. Es waren vor allem Männer der Arbeiterbewegung, die sich zur kollektiven Selbsthilfe und mit dem Ziel, Schuldige der Gerechtigkeit zu überantworten, zusammenfanden. Die „Antifa“-Leute hinderten führende Nazis am Untertauchen, schützten aber auch ehemalige Parteigrößen vor einer Lynchjustiz. Die Alliierten waren jedoch an einer Mithilfe deutscher Antifaschisten bei der politischen Säuberung nicht interessiert – dazu war ihr Misstrauen gegen alle Deutschen zu groß. Im Frühsommer 1945 wurde die „Antifa“-Bewegung in allen vier Besatzungszonen verboten.
Im Januar 1946 erließ der Alliierte Kontrollrat eine erste Entnazifizierungsdirektive. Im Oktober des gleichen Jahres wurden Richtlinien veröffentlicht, wie aktive Nationalsozialisten, Helfer und Nutznießer des NS-Regimes behandelt werden sollten. Zur Durchführung der Potsdamer Grundsätze wurden nach dieser Direktive zwecks „gerechter Beurteilung der Verantwortlichkeit“ und zur „Heranziehung zu Sühnemaßnahmen“ fünf Gruppen gebildet.

Die Entnazifizierungsprozedur, die der Kontrollrat damit in gleichförmige Bahnen lenken wollte, war schon längst im Gang, und zwar in den einzelnen Besatzungszonen auf unterschiedliche Weise. Durch ihren moralischen und zugleich bürokratischen Rigorismus taten sich die Amerikaner hervor. In der britischen Zone wurde die Säuberung weniger streng gehandhabt. In der französischen Zone gab es regionale Unterschiede und diverse Kurswechsel der Besatzungsmacht. Sowohl in der britischen als auch in der französischen Zone wurde der Säuberungsprozess mehr als pragmatische Angelegenheit betrachtet, bei der das Hauptaugenmerk darauf lag, die Eliten auszuwechseln. Man neigte bei der anzuwendenden Methode mehr zu politischen und administrativen als zu justizförmigen Prozeduren.
Aufgaben:
1. Welche Zielsetzungen beinhaltet das Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 05.03.1946?
2. Wie sollte nach diesem Gesetz bei der Entnazifizierung vorgegangen werden?
3. Welche Auswirkungen hatten Artikel 1 Satz 2, Artikel 2 Satz 2 und Artikel 13 dieses Gesetzes?
Quellen:
Aus dem Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus:
Artikel 1
(1) Zur Befreiung unseres Volkes von Nationalsozialismus und Militarismus und zur Sicherung dauernder Grundlagen eines deutschen demokratischen Staatslebens im Frieden mit der Welt werden alle, die die nationalsozialistische Gewaltherrschaft aktiv unterstützt oder sich durch Verstöße gegen die Grundsätze der Gerechtigkeit und Menschlichkeit oder durch eigensüchtige Ausnutzung der dadurch geschaffenen Zustände verantwortlich gemacht haben, von der Einflussnahme auf das öffentliche, wirtschaftliche und kulturelle Leben ausgeschlossen und zur Wiedergutmachung verpflichtet. (2) Wer verantwortlich ist, wird zur Rechenschaft gezogen. Zugleich wird jedem Gelegenheit zur Rechtfertigung gegeben.
Artikel 2
(1) Die Beurteilung des Einzelnen erfolgt in gerechter Abwägung der individuellen Verantwortlichkeit und der tatsächlichen Gesamthaltung; danach wird in wohlerwogener Abstufung das Maß der Sühneleistung und der Ausschaltung aus der Teilnahme am öffentlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben des Volkes bestimmt mit dem Ziel, den Einfluss nationalistischer und militaristischer Haltung und Ideen auf die Dauer zu beseitigen. (2) Äußere Merkmale, wie die Zugehörigkeit zur NSDAP, einer ihrer Gliederungen oder einer sonstigen Organisation sind nach diesem Gesetz für sich allein nicht entscheidend für den Grad der Verantwortlichkeit. Sie können zwar wichtige Beweise für die Gesamthaltung sein, können aber durch Gegenbeweise ganz oder teilweise entkräftet werden. Umgekehrt ist die Nichtzugehörigkeit für sich allein nicht entscheidend für den Ausschluss der Verantwortlichkeit.
Meldeverfahren
Artikel 3
Zur Aussonderung aller Verantwortlichen und zur Durchführung des Gesetzes wird ein Meldeverfahren eingerichtet: (1) Jeder Deutsche über 18 Jahre hat einen Meldebogen auszufüllen und einzureichen. (2) Die näheren Bestimmungen trifft der Minister für politische Befreiung.
Artikel 4
Zur gerechten Beurteilung der Verantwortlichkeit und zur Heranziehung zu Sühnemaßnahmen werden folgende Gruppen gebildet: (1) Hauptschuldige. (2) Belastete (Aktivisten, Militaristen, Nutznießer). (3) Minderbelastete (Bewährungsgruppe). (4) Mitläufer. (5) Entlastete. […]
Artikel 13
Entlastet ist, wer trotz seiner formellen Mitgliedschaft oder Anwartschaft oder eines anderen äußeren Umstandes sich nicht nur passiv verhalten, sondern nach dem Maß seiner Kräfte aktiv Widerstand gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft geleistet und dadurch Nachteile erlitten hat.
E. Schulze (Hrsg.), Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus, München 1947