1. Lesen Sie den Text mehrmals aufmerksam durch und klären Sie unbekannte Begriffe.

2. Verfassen Sie dazu eine Inhaltsangabe in Thesenform.

Was ist das wahre Deutsch?

von Johannes Wendland

Es ist schon eine ziemlich ungewöhnliche Versammlung von Namen, die diese Unterschriftenliste ziert: Liedermacher Reinhard Mey steht neben Musikkritiker Hans Geibel, Informatiker Joseph Weizenbaum neben TV-Moderator Raiko Thal, die CDU-Politikerin Beate Hübner neben PDS-Mann Peter Porsch. Was sie alle eint, das ist die Angst um die Zukunft der deutschen Sprache.

Unter dem Motto „Berliner Sprachbündnis“ machte die Unterschriftensammlung Schlagzeilen. Etwa 20 mehr oder weniger prominente Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben äußerten mit ihrer Signatur die Besorgnis, dass das Deutsche angesichts immer neuer Wortimporte aus dem englischen Sprachraum an Eigenständigkeit verliere. Sie plädierten für die Erhaltung der sprachlich-kulturellen Vielfalt Europas und verurteilten die öffentliche Entwertung und Verdrängung der deutschen Sprache.

Bei so viel Bürgerengagement für die deutsche Sprache wollte die Politik nicht zurückstehen. Den offiziellen Beginn des Europäischen Jahres der Sprache 2001 nahm der Berliner Innensenator Eckart Wertebach zum Anlass, ein Gesetz zum Schutz der deutschen Sprache zu fordern. Vorbild könne, so der CDU-Politiker, das Sprachengesetz des einstigen konservativen Kultusministers Jaques Toubon sein, das vor einigen Jahren in Frankreich in Kraft trat.

Es liegt die Vermutung nahe, dass als ein Grund für solcherlei Aktivitäten die vermeintlich zu starke Öffnung der deutschen Gesellschaft anzusehen ist. „Die Flut der Anglizismen, so der FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt, „ist eine Gewalt, die nicht vom Volk ausgeht. Sie wird ihm vor allem durch die Medien aufgepfropft.“ Auch traue sich kein Meinungsführer, kein Wissenschaftler und kein öffentlicher Sprecher mehr, einen neuen Wissens- oder Tatbestand mit einem deutschen Begriff zu benennen, hört man vom Verein Deutsche Sprache. Und was die Elite tue, das färbe auf alle gesellschaftlichen Schichten ab. Klar sei auch, dass sich die Sprachschützer nicht an Ewiggestrige wenden und eine nationalistische Sprachtümelei betreiben wollen. Vielmehr gehe es um die Liebe zur deutschen Sprache, die etwa dadurch ihren Ausdruck finde, dass man statt „Computer“ schlicht „Rechner“ sage.

Doch entspräche eine staatlich regulierte Sprachverwendung überhaupt der deutschen Kulturgeschichte? Nein, denn die deutsche Sprache ist vom Lateinischen und Griechischen und von späteren Einflüssen stark geprägt. Ein sprachlicher Purismus, wie ihn die Franzosen pflegen, ist wenig sinnvoll. Oft sind es gerade die sprach-
lichen Entlehnungen, die feine Bedeutungsnuancen zum Ausdruck bringen. Die Amerikanisierung unserer Sprache ist eine Folge der Dominanz US-amerikanischer Kultur in den Medien. Vor allem im Kino und in den TV-Programmen ist Vorherrschaft durch Hollywood festzustellen. Dennoch muss man zugeben, dass kultureller Austausch eine Bereicherung darstellt. Dies gilt für die bildenden Künste und die Unterhaltungsmusik, die im 20. Jahrhundert wesentliche Anregungen aus den USA erhalten hat. Wer also gegen das Englische in der deutschen Sprache opponiert, der behindert den zunehmenden globalen Austausch.

Das Parlament vom 04.05.2001