Einsendeaufgaben

Arbeitsauftrag:

Arbeiten Sie heraus, welche Intentionen der Autor verfolgt und welche sprachlichen Mittel er dabei hauptsächlich einsetzt.

Asche zu Kohle. Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit – und das ist gut so

von Alex Rühle

Asche zu Asche, Staub zu Staub, so hört man es auf jeder christlichen Beerdigung. Oft erklärt der Pfarrer das jähe Ableben des Verstorbenen damit, dass die Wege des Herren nun mal verworren seien. In Tschechien sind diese Wege so verworren, dass sie sich jetzt sogar mit denen der Zigarettenindustrie kreuzen. Wenn Gott einen Raucher zu sich holt, machen die Buchhalter bei Philip Morris ein Kreuz in ihre Bilanz: Wieder 1227 Dollar gespart. Der amerikanische Konzern legte der tschechischen Regierung nun eine ökonomische Expertise vor, die belegen soll, wie viel Geld der Staat durch jeden toten Raucher einspare.

Tschechien will die Tabaksteuer anheben. Das aber wird viele Leute vom Rauchen abhalten. Die können dann nicht zügig sterben, sondern werden pensioniert, sitzen rum, beschneiden Rosen und tun all das übrige volkswirtschaftlich unnütze Zeug, womit alte Menschen ihr Lebensabendprogramm füllen.

Wenn die Leute hingegen frühzeitig zu rauchen beginnen, so die Analyse der von Philip Morris beauftragten PR-Firma Arthur D. Little International, dann führe Asche schnell zu Asche, und der Staat mache damit Kohle: Tote müssen nicht mehr medizinisch versorgt werden (spart 968 Millionen tschechische Kronen), der Staat kann ihre Renten sparen (196 Millionen) und muss ihnen keine Mietzuschüsse (28 Millionen) zukommen lassen. Zieht man von diesem Bruttogewinn all die durch das Nikotin verursachten Kollateralschäden ab (Lungenverteerung, Krankheiten durch Passivrauchen, die Einkommensteuer, die die Toten ja leider nicht mehr zahlen), so bleiben immer noch 40 Millionen Mark Reingewinn: „Das vorzeitige Ableben der Raucher brachte Tschechien 1998 ungefähr sechs Milliarden Kronen.“

Menschen kosten Geld, Geld ist keins da, also muss jeder seinen Teil beitragen. Rauchen wird zur ersten Bürgerpflicht. Und der tschechische Staat, so das Resümee des akribischen Berichts, wäre schön blöd, wenn er die Tabaksteuer anhöbe: Pfeift auf die paar Kröten, und wir verringern dafür eure Altenlast.

Philip Morris hatte schon ähnliche Studien für andere osteuropäische Länder in Auftrag gegeben. Die tschechische Analyse führte aber in Amerika zu so vehementen Protesten der Antiraucherkampagnen, dass der Generaldirektor Geoffrey Bible all diese Expertisen zurückgezogen hat. Schade, Rumänien wird nun seine Alten weiterhin wie einen Klotz am Raucherbein der Volkswirtschaft spüren; wieder wird es nichts mit dem Aufschwung Ost. […]

Global aber sind wir auf dem richtigen Weg. Die Weltbank kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, dass es nur zwei Todesursachen gebe, die weltweit Zuwachsraten verzeichnen: Aids und Rauchen. In 30 Jahren werden die Zigaretten alljährlich mehr Opfer fordern als Aids, Malaria, Tuberkulose, Autounfälle, Morde und Selbstmorde zusammengenommen. Statt den ärmsten Ländern ihre Schulden zu erlassen, sollten die GB ihnen schon jetzt für das geschuldete Geld Zigaretten schicken, damit bald mit dem demografischen Outsourcing (1) begonnen werden kann.

Beunruhigend nur, dass die Zigarettenindustrie, die weltweit für sozialverträgliches Frühableben sorgt, ausgerechnet Deutschland schaden will: Die British American Tobacco schaltet hier zu Lande derzeit Anzeigen, die ein Hauch von AOK umweht. Ein Photo zeigt ein Federmäppchen, sanft von der Seite beleuchtet. Radiergummi, Spitzer, Stifte, alles ordentlich in die dafür vorgesehenen Gummihalterungen eingeführt. Neben den Stiften, appetitlich aufgereiht, drei Zigaretten. Unter dem Foto steht: „Das soll nicht Schule machen.“ Im anschließenden Text wird die Jugend gewarnt: Die Anforderungen in Schule und Ausbildung, dazu die Pubertät, da sei das echt schädlich mit dem Rauchen. Zum Schluss dann der galante Umschwung: „Kommt hinzu, dass verstecktes Rauchen mit schlechtem Gewissen nie genussvoll ist. Und jede Cigarette (2), die man nicht bewusst genießt, ist eine zu viel.“

Wir finden es natürlich ciemlich (2) chic, dass die British American Tobacco GmbH im Zuge ihrer Kampagne der ollen Zigarette einen orthografischen Relaunch (3) verpasst hat. Warum aber will die Firma hier zu Lande nichts für die Volkswirtschaft tun? Was soll aus all den gesunden jungen Leuten werden, wo wir doch ohnehin nicht genug Arbeitsplätze haben? Tschechien darf verschlanken, aber wir werden mit unserer demografischen Nichtraucherexplosion allein gelassen.

Süddeutsche Zeitung vom 31.07.2001

Anmerkung und Erläuterungen:

1 Outsourcing: Auslagerung
2 Schreibweise des Originals
3 Relaunch: Neustart einer Marke auf dem Markt

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