Grundtechniken der Sprachanalyse

Erkennen der Wirkung sprachlicher Mittel

Aufgaben:

Beantworten Sie die beiden folgenden Fragen und überprüfen Sie anschließend Ihre Ergebnisse anhand des Lösungsvorschlags.

1. Wie könnte man die im folgenden dargestellten Sachverhalte völlig sachlich ausdrücken?

2. Welche Wirkungen haben die Formulierung in den Beispielen?

1 Aus einem Sportbericht:

Nach der „4:0“-Niederlage war die Mannschaft am Boden zerstört.

2 Aus einer Wahlkampfrede:

Diesen Missstand, liebe Parteifreundinnen und Parteifreunde, dürfen wir nicht länger hinnehmen.

3 In einer Wohngemeinschaft:

Super! Find ich echt toll, dass Ihr mir nichts von dem Kuchen übrig gelassen habt!

Lösungen

  1. Nach der „4:0“-Niederlage war die Mannschaft niedergeschlagen.
  2. Die bildhafte Formulierung wirkt eindringlicher. Der Leser kann die Niedergeschlagenheit der Spieler besser nachvollziehen, als wenn das Gefühl direkt benannt wird. Das liegt an der Anschaulichkeit der Metapher „am Boden zerstört“. Man denkt zum Beispiel an ein Ruinenfeld, an Gebäude, die nun in Trümmern liegen. Es ist ein Bild der Vernichtung. Wer „am Boden zerstört“ ist, hat eine so schwere Enttäuschung erlitten, dass er kaum noch Hoffnung auf Besserung seiner Lage hat. Daher ist diese Formulierung auch eine Übertreibung. Die Sportler werden sich in Wirklichkeit sicherlich bald erholt haben. Auch die Tatsache, dass übertrieben wird, trägt zur Eindringlichkeit der Formulierung bei.
  1. Diesen Missstand dürfen wir nicht länger hinnehmen.
  2. Es ist sachlich nicht erforderlich, ein  Publikum, das schon längere Zeit zuhört, noch einmal direkt anzusprechen. Politiker greifen in ihren Reden jedoch gerne auf dieses Mittel zurück, um dem Zuhörer die Illusion zu geben, dass es in der Rede nur um sie geht, um sie bei der Stange zu halten und sie für die eigenen Ansichten zu gewinnen.
  1. Ich finde es ärgerlich, dass Ihr mir nichts vom Kuchen übrig gelassen habt.
  2. Der Begeisterung ausdrückende Wortlaut und die Betonung, die der Sprecher dem Satz wahrscheinlich gibt, widersprechen sich. Der Zuhörer merkt nach einem kurzen Moment, dass der Sprecher das Gegenteil von dem meint, was er sagt. Dies erzeugt eine gewisse Überraschung. Die Ironie wirkt humorvoll und nimmt der Kritik die Schärfe.

Analyse der Wirkungsabsichten

Die sechs grundsätzlichen Wirkungsabsichten

Aus den von Ihnen gerade bearbeiteten Beispielen lassen sich allgemeine Wirkungsabsichten ableiten, die sprachliche Mittel grundsätzlich verfolgen können.

Wirkungsabsichten
  Anschaulichkeit
  Eindringlichkeit
  Vertiefung des Kontakts zu  Zuhörer oder Leser
  Überraschung
  Erzeugung von Spannung
  Aufwertung oder Abwertung


Diese Wirkungsabsichten begegnen uns in den verschiedensten sprachlichen Äußerungen immer wieder. In der Sprachanalyse ist es wichtig, sie nicht nur ganz allgemein zu nennen, sondern sie genau auf die jeweilige Textstelle zu beziehen und die Wirkung der sprachlichen Gestaltung detailliert zu beschreiben.

Man fragt sich zum Beispiel „Welchen Sachverhalt veranschaulicht diese Textstelle?“ oder „Welcher Gedanke wird hier so eindringlich hervorgehoben und warum?“

Dabei erläutert man die einzelnen Stilmittel in jeweils drei Schritten, deren Reihenfolge allerdings variiert werden kann. (Dieses Verfahren wurde bereits bei der „Sportpalast-Rede“ von Goebbels angewandt.)

Der Arbeitsdreischritt

Benennen – Belegen – Erklären

Man erläutert die einzelnen Stilmittel in jeweils drei Schritten:

 

  Der Arbeitsdreischritt  
 
Benennen Belegen Erklären
 
Angabe des Fachbegriffs für das sprachliche Mittel Zitat der Textstelle Erklärung der Bedeutung der Formulierung und ihrer Wirkung auf den Zuhörer oder Leser

Aufgabe:

Drucken Sie den folgenden Textausschnitt aus. Lesen Sie ihn und die Analyse der sprachlichen Gestaltung anschließend durch. Markieren Sie dann in der Sprachanalyse die Stellen, an denen jeweils einer der drei Arbeitsschritte durchgeführt wurde, mit verschiedenfarbigen Textmarkern. Zum Abschluss vergleichen Sie Ihr Ergebnis mit dem Lösungsvorschlag.

Ausschnitt aus einer Rede:

  „Trotz hoher Arbeitslosenzahlen beklagt die Industrie einen Mangel an Arbeitskräften vor allem im IT-Bereich. Wie lässt sich dieser Widerspruch erklären? Ein Grund liegt sicherlich in der mangelnden Qualität der Ausbildung. (…)“  

Analyse:

Obwohl der Redner selbstverständlich keine Antwort erwartet, stellt er dem Zuhörer eine Frage, nämlich: „Wie lässt sich dieser Widerspruch erklären?“ Diese Frage, bewirkt, dass sich der Leser stärker angesprochen fühlt. Sein Interesse wird verstärkt, weil er zum Mitdenken aufgefordert ist und mit dem Redner den Widerspruch erklären soll.

Lösungen

Lösung: Farbliche Markierung des Dreischritts

Obwohl der Redner selbstverständlich keine Antwort erwartet, stellt er dem Zuhörer eine Frage, nämlich: „Wie lässt sich dieser Widerspruch erklären?“ Diese Frage, bewirkt, dass sich der Leser stärker angesprochen fühlt. Sein Interesse wird verstärkt, weil er zum Mitdenken aufgefordert ist und mit dem Redner den Widerspruch erklären soll.