Eigene Sprachuntersuchungen: Anwendung 2

Vergleich

Vorbemerkung:

Hitler hielt die „Rede vor der deutschen Presse“ am Tag nach der Reichspogromnacht, in der zahlreiche Juden umgebracht und in der jüdische Synagogen im ganzen Land in Brand gesteckt wurden.

Aufgabe

Arbeitsauftrag:

Die linke Spalte enthält das Original der Rede, die rechte eine „abgespeckte“ Version ohne massierten Einsatz sprachlich-rhetorischer Gestaltungsmittel. Vergleichen Sie die beiden Reden zeilenweise. Analysieren Sie, weshalb Hitler die Variante in der linken Spalte gewählt hat. Schreiben Sie Ihre Ergebnisse nieder und vergleichen Sie anschließend Ihren Aufsatz mit dem Lösungsvorschlag.

Rede vor der deutschen Presse (München 10.11.1938)

von Adolf Hitler

01  Die Presse, meine Herren, kann Ungeheures
02  erreichen und eine ungeheure Wirkung ausüben,
03  dann, wenn sie selber ein Mittel zum Zweck ist.
04  Wir leben in einer Zeit, in der das Gegenteil absolut
05  demonstriert wird.
06  Wenn es in einem Staat 2.400 Zeitungen gibt, und
07  jede dieser Zeitungen macht auf Grund dieser
08  journalistischen Gedankengänge ihre eigene
09  Politik, so müssen diese 2.400 Blätter sich
10  gegenseitig widerlegen.
11  Das Ergebnis kann nur sein jenes Tohuwabohu,
12  das wir z.B. augenblicklich in der französischen
13  Presse erleben.
14  Eine Zeitung desavouiert die andere, und
15  in kurzer Zeit werden alle Zeitungen sich immer
16  mehr desavouieren(…)
17  Es ist eine fortgesetzte Selbstwiderlegung, die dort
18  stattfindet: ein Beweis dafür, dass man in dieser
19  modernen Zeit, in der die größten Kämpfe
20  ausgefochten werden, einen Erfolg nicht erringen
21  kann, wenn die wesentlichsten Schwerter, die man
22  einsetzen kann, ich möchte sagen, selbstherrlich
23  geführt werden, statt nach einem Kommando und
24  nach einer Richtung hin zu schlagen (…).
01  Leute! Die Presse kann etwas
02  erreichen und eine Wirkung ausüben, dann, wenn
03  sie selber ein Mittel zum Zweck ist.
04  Ich lebe in einer Zeit, in der es anders aussieht.
05
06  Wenn es in einem Staat viele Zeitungen gibt, und
07  jede dieser Zeitungen hat eine andere Meinung, so
08
09  müssen sich diese Zeitungen
10  selbst widerlegen.
11  Das Ergebnis kann nur jene Unordnung sein, die
12  ich z.B. augenblicklich in der französischen
13  Presse erlebe.
14  Eine Zeitung macht die andere unglaubwürdig, und
15  in kurzer Zeit werden alle Zeitungen sich selbst
16  unglaubwürdig machen (…).
17  Es ist eine fortgesetzte Selbstwiderlegung, die dort
18  stattfindet: ein Beweis dafür, dass man heutzutage,
19  wo Auseinandersetzungen stattfinden,
20  einen Erfolg nicht erzielen
21  kann, wenn die Mittel, die man
22  einsetzen kann,
23  nicht meinem Willen folgen.

Lösungen

Markierung einer Sprachanalyse

Hinweis zur Farbgebung:

Sprachlich-rhetorische Gestaltungsmittel Textbeleg Wirkungsabsicht

Rede vor der deutschen Presse (München 10.11.1938)

von Adolf Hitler

Adolf Hitler hielt die „Rede vor der deutschen Presse“ am 10.11.1938, einen Tag nach der Reichspogromnacht, in der zahlreiche Juden umgebracht und in der ihre Synagogen im ganzen Land in Brand gesteckt wurden. Er versucht die anwesenden Vertreter der deutschen Zeitungen auf die neue Stufe des Krieges gegen die Juden einzuschwören.

Insgesamt gesehen fällt an dieser Rede auf, dass sich Hitler einiger Fremdwörter bedient und relativ lange Sätze sowie Höflichkeitsfloskeln („meine Herren“, Z. 1) verwendet. Er passt sich den sprachlichen Gewohnheiten seiner – gebildeten – Zuhörer an, um seinen Willen leichter durchsetzen zu können.

Zu Beginn der Rede hebt Hitler durch die Voranstellung des Wortes „Presse“ und die Wiederholung des Adjektivs „ungeheuer“ (Z. 1 f.) die Bedeutung der Zeitungen hervor. Mit dieser Übertreibung schmeichelt er seinen Zuhörern, indem er ihre Wichtigkeit überhöht.

Zusätzlich setzt er sich mit den anwesenden Presse-Leuten in eins, wozu er das Personalpronomen „wir“ in der 1. P. Pl. (Z. 4) benutzt. Auf diese Weise betont er die Gemeinsamkeit zwischen sich und seinen Adressaten.

Durch die Nennung der französischen Publikationen als Beispiel für nicht gleichgeschaltete Zeitungen in den Zeilen 11 ff.  beabsichtigt Hitler das vorhandene Feindbild „Frankreich“ für seine Zwecke zu mobilisieren. Er diffamiert die Medien des Nachbarlandes stellvertretend für freie Presse mit Hilfe des lautmalerischen hebräischen Fremdwortes „Tohuwabohu“ (Z. 11), das die seiner Ansicht nach herrschende Unordnung verdeutlichen soll. Zusätzlich hebt er diese in seinen Augen unerträglichen Zustände durch die Wortumstellung: „(…) kann nur sein jenes (…“ )(ebd.) hervor.

Ganz im Gegensatz dazu verherrlicht er die Tätigkeit der Journalisten, die im Sinne der NS-Ideologie funktionieren.

Er streicht deren kriegerische Einsatzbereitschaft und ihre Übereinstimmung mit der Führung heraus, indem er auffallend viele Bilder aus dem Militärbereich („Kämpfe“, Z. 19, „ausgefochten“, Z. 20, „erringen“, ebd., „Schwerter“, Z. 21, „Kommando“, Z. 23, sowie „schlagen“, Z. 24) einsetzt und mit den Superlativen „größten“ (Z. 19) und „wesentlichsten“ (Z. 21) aufwertet.