Bereiche der Sprachanalyse

Übersicht

Auf den letzten Seiten haben Sie sich bereits ständig mit der Sprachanalyse beschäftigt. Bevor wir nun in die Detailanalyse sprachlicher Produkte einsteigen, gilt es, die sprachlichen Besonderheiten etwas zu systematisieren und mit Material zu unterbauen. Dabei ist es unvermeidbar, Sie mit einigen Begriffen zu konfrontieren, die Ihnen z.T. neu sind.

In systematischer Form finden Sie hier eine Liste von Kriterien, die man an einen Text anlegen kann. Uns kommt es hierbei nicht auf die Unterschiede zwischen den verschiedenen Satzfiguren an. Die Bezeichnung als Satz-, Gedanken-, Wort- und Klangfiguren dient lediglich der Übersichtlichkeit.

Die ersten Unterscheidungen trifft man hinsichtlich der Spracharten.

Aufgaben:

Arbeitsauftrag 1: Studieren Sie die Liste. Nehmen Sie sich anschließend noch einmal die „Sportpalast-Rede“ vor und untersuchen Sie, welche Kategorien zutreffen. Vergleichen Sie Ihre Ergebnisse mit dem Lösungsvorschlag (s.u.) und vollziehen Sie die Wirkungsabsicht (3. Spalte des Lösungsvorschlags) nach.

Arbeitsauftrag 2 (fakultativ): Verfassen Sie eine erste Sprachuntersuchung, indem Sie die o.g. Stichpunkte in Form eines Aufsatzes wiedergeben. (Diese Übung, in der Sie die Tabelle in Form eines Aufsatzes ausformulieren sollen, ist nicht zwingend nötig.)

 Begriffe  Beispiele
  Spracharten  Hochdeutsch – Dialekt  Fränkischer Dialekt
 Fachsprache  Jägersprache, Sprache der Juristen
 Sondersprache  Jugendjargon, Soldatensprache
  Stilebenen  Dichterischer Stil  dahinscheiden
 Gewählt-gehobener Stil  entschlafen
 Normalsprachlicher Stil  sterben
 Umgangssprachlicher Stil  den Löffel abgeben
 Vulgärer Stil  verrecken
  Schlag-, Schlüsselwörter  Wörter mit besonderen Gefühlswerten  Freiheit, Kampf, Heimat
  Satzbau  Überwiegen von Nomina  Einnahmenanpassungsgesetz
 Überwiegen von Verben  Sie müssen mehr zahlen.
 Komplizierter Satzbau mit Haupt- und
Nebensätzen
 Wir müssen die Steuern erhöhen, weil
(…), solange die Konjunktur (…)
 Reihung von Hauptsätzen  Und dann kam ein Auto und dann
krachte es und dann war alles kaputt.
 Häufung bestimmter Satzarten  Häufung von Fragesätzen
  Rhetorische Mittel  Satzfiguren  Ähnliche Bauweise der Sätze
 Gedankenfiguren  Rhetorische Frage, Anrede der Zuhörer
 Wortfiguren  Wiederholung, Übertreibung
 Klangfiguren  Gleichklang der Anfangslaute mehrerer
Wörter, Wortspiel

Lösungen

Die Sprache der „Sportpalast-Rede“

Begriffe Intention / Wirkung
Spracharten Hochdeutsch Ausdruck der Position des Redners als Mitglied der Führung der NSDAP
Sondersprache Sprache des Nationalsozialismus Betonung der Ideologie
Stilebenen Dichterischer Stil sowie: Überhöhung der eigenen Ziele
Gewählt-gehobener Stil Hervorhebung der Feierlichkeit des Aktes der „Volksbefragung“
Schlag-,
Schlüsselwörter
Wörter mit besonderen Gefühlswerten Freiheit, Kampf, Heimat
Satzbau Überwiegen von Verben Aufruf der Zuhörer zu aktivem Handeln, zu bedingungslosem Kriegseinsatz
Reihung von Hauptsätzen Verzicht auf Argumentation
Häufung bestimmter Satzarten Fragesätze erzeugen den Schein einer Suche nach Zustimmung
Rhetorische Mittel
Satzfiguren Ähnliche Bauweise der Sätze „Einhämmernde“ Wiederholung der nationalistischen Entgegensetzung der Engländer und der Deutschen
Gedankenfiguren Rhetorische Frage  Lenkung der Antworten der Zuhörer im eigenen Sinne
Anrede der Zuhörer in Du-Form Schein der Gleichstellung von Redner und Publikum
Wortfiguren Wiederholung „Einhämmern“ des Gegensatzes der Engländer und der Deutschen

„Sportpalast-Rede“ von Joseph Goebbels

Wenn man den vorliegenden Redeauszug betrachtet, fällt sofort der gewählt-gehobene bis dichterische Stil auf. Goebbels setzt diese Stilebenen wohl deswegen ein, um die Feierlichkeit des Augenblicks zu unterstreichen: In seiner Rede präsentiert es sich als Mitglied der Führung und fingiert eine Volksbefragung, indem er vorgibt, er mache das weitere Vorgehen im Krieg von der Zustimmung der Versammelten zum „totalen Krieg“ abhängig. Dem gleichen Zweck dienen die häufigen Fragesätze, die z.T. nur stereotyp wiederholte rhetorische Fragen enthalten, woran man erkennen kann, dass keine wirkliche Entscheidungssituation gegeben ist.

Auffällig ist ferner die Häufung typischer Schlag- und Schlüsselwörter wie „Führer“ oder „Volk“, mit denen der Redner bereits vorhandene positive Einstellungen mobilisiert, sowie die Tatsache, dass Goebbels sein Publikum in der „Du“-Form anredet: „Ihr also, meine Zuhörer (…)“, Z. 1. Er stellt sich auf eine Stufe mit seinen Zuhörern und baut damit die Distanz zwischen sich, dem Minister, und den kleinen Leuten ab, wodurch der Schein der Gleichheit unterstrichen wird.  Mit dieser Aufwertung der Anwesenden will er vermutlich erreichen, dass sich jeder Zuhörer in der Redesituation nur als Teil der Bevölkerung definiert, nicht aber als Einzelindividuum – und entsprechend „verantwortungsvoll“ reagiert, indem er nur Staatsinteressen gelten lässt.