Einsendeaufgaben
Aufgaben:
1. Fassen Sie die in dem folgenden Szenenausschnitt auffindbaren Gründe für das Scheitern der
Liebesbeziehung zwischen Alfred und Marianne zusammen!
2. Zeigen Sie, wie der Autor durch die Dialogführung und die Sprache des Paares dessen
Kommunikationsunfähigkeit verdeutlicht!

links: Mariannes Vater, der Zauberkönig;
rechts: Marianne

in der Mitte: Oskar, Mariannes Verlobter;
rechts: Alfred
Geschichten aus dem Wiener Wald
von Ödön von Horvàth
Kurzzusammenfassung
Marianne ist von ihrem Vater, dem Inhaber der Spielzeughandlung „Zum Zauberkönig“, dem Metzger Oskar versprochen; die beiden leben Tür an Tür und kennen sich seit ihrer Kindheit. Kurz vor der offiziellen Verlobung verliebt sich Marianne aber in den Kleingauner Alfred, dem sie zumindest nicht gleichgültig ist. Auf der Verlobungsfeier im Wiener Wald kommt es zum Eklat, der Vater verstößt seine Tochter.
Ein Jahr später hat Marianne von Alfred ein Kind, und gemeinsam leben sie in einem ärmlichen möblierten Zimmer. Alfred ist ihrer überdrüssig. Er drängt sie, das Kind zu seiner Mutter und Großmutter aufs Land in die Wachau zu geben und selber Geld zu verdienen. Marianne, die nichts gelernt hat, wird von Alfreds Freund an eine Frau weitervermittelt, die Tanzgruppen zusammenstellt. Durch die Baronin erhält Marianne Arbeit in einem Nachtlokal. Ihr Vater, der Zauberkönig, der nach einer „Sauftour“ mit Leuten aus der Nachbarschaft in das Nachtlokal „Maxim“ gerät und sich an den Darstellungen vergnügt, entdeckt sie dort. Der „Mister“, ein aus Amerika auf Besuch heimgekehrter Wiener, der im „Maxim“ mit Geld nur so um sich wirft, verwickelt Marianne am selben Abend in einen Skandal und behauptet, sie habe ihm Geld gestohlen. Marianne wird verhaftet. Nach ihrer Entlassung kehrt sie in die stille Straße im achten Bezirk zurück …
Zweiter Akt, zweite Szene
Möbliertes Zimmer im achtzehnten Bezirk
Äußerst preiswert. Um sieben Uhr morgens. Alfred liegt noch im Bett und raucht Zigaretten. Marianne putzt sich bereits die Zähne. In der Ecke ein alter Kinderwagen – auf einer Schnur hängen Windeln. Der Tag ist grau und das Licht trüb.
MARIANNE gurgelt: Du hast mal gesagt, ich sei ein Engel. Ich habe gleich gesagt, dass ich kein Engel bin – dass ich nur ein gewöhnliches Menschenkind bin, ohne Ambitionen. Aber du bist halt ein kalter Verstandesmensch.
ALFRED Du weißt, dass ich kein Verstandesmensch bin.
MARIANNE Doch! Sie frisiert sich nun. Ich müsst mir mal die Haar schneiden lassen.
ALFRED Ich auch. Stille Mariannderl. Warum stehst denn schon so früh auf?
MARIANNE Weil ich nicht schlafen kann. Stille.
ALFRED Fühlst dich nicht gut in deiner Haut?
MARIANNE Du vielleicht? Sie fixieren sich.
ALFRED Wer hat mir denn die Rennplätz verleidet? Seit einem geschlagenen Jahr hab ich keinen Buchmacher mehr gesprochen, geschweige denn einen Fachmann – jetzt darf ich mich natürlich aufhängen! Neue Saisons, neue Favoriten! Zweijährige, dreijährige – ich hab keinen Kontakt mehr zur neuen Generation. Und warum nicht? Weil ich ausgerechnet eine Hautcreme verschleiß, die keiner kauft, weil sie miserabel ist!
MARIANNE. Die Leut haben halt kein Geld.
ALFRED Nimm nur die Leut in Schutz!
MARIANNE Ich mach dir doch keine Vorwürf, du kannst doch nichts dafür.
ALFRED Das wäre ja noch schöner!
MARIANNE Als ob ich was für die wirtschaftliche Krise könnt!
ALFRED Oh du egozentrische Person. – Wer hat mir denn den irrsinnigen Rat gegeben, als Kosmetik-Agent herumzurennen? Du! Er steht auf. Wo stecken denn meine Sockenhalter?
MARIANNE deutet auf einen Stuhl: Dort.
ALFRED Nein.
MARIANNE Dann auf dem Nachtkastl.
ALFRED Nein.
MARIANNE Dann weiß ich es nicht.
ALFRED Du hast es aber zu wissen!
MARIANNE Nein, genau wie Papa –
ALFRED Vergleich mich nicht immer mit dem alten Trottel!
MARIANNE Nicht so laut! Wenn das Kind aufwacht, dann kenn ich mich wieder nicht aus vor lauter Geschrei!
ALFRED Also das mit dem Kind muss auch anders werden. Wir können doch nicht drei Seelen hoch in diesem Loch vegetieren! Das Kind muss weg!
MARIANNE Das Kind bleibt da.
ALFRED Das Kind kommt weg.
MARIANNE Nein. Nie! Stille.
ALFRED Wo stecken meine Sockenhalter?
MARIANNE sieht ihn groß an: Weißt du, was das heut für ein Datum ist?
ALFRED Nein.
MARIANNE Heut ist der Zwölfte. Stille.
ALFRED Was willst du damit sagen?
MARIANNE Dass das heut ein Gedenktag ist. Heut vor einem Jahr hab ich dich zum erstenmal gesehen. In unserer Auslag.
ALFRED Ich bitt dich, red nicht immer in Hieroglyphen! Wir sind doch keine Ägypter! In was für einer Auslag?
MARIANNE Ich hab grad das Skelett arrangiert und da hast du an die Auslag geklopft. Und da hab ich die Rouleaus heruntergelassen, weil es mir plötzlich unheimlich geworden ist.
ALFRED Stimmt.
MARIANNE Ich war viel allein – Sie weint leise.
ALFRED So flenn doch nicht schon wieder. – Schau, Marianderl, ich versteh dich ja hundertperzentig mit deinem mütterlichen Egoismus, aber es ist doch nur im Interesse unseres Kindes, dass es aus diesem feuchten Loch herauskommt – hier ist es grau und trüb, und draußen bei meiner Mutter in der Wachau scheint die Sonne. (…) Putzt sich die Zähne und gurgelt.
MARIANNE Du sollst mich nicht immer beschimpfen.
ALFRED seift sich nun ein, um sich zu rasieren. Liebes Kind, es gibt eben etwas, was ich aus tiefster Seel heraus hass – und das ist die Dummheit. Und du stellst dich schon manchmal penetrant dumm. Ich versteh das gar nicht, warum du so dumm bist! Du hast es doch schon gar nicht nötig, dass du so dumm bist! Stille.
MARIANNE Du hast mal gesagt, dass ich dich erhöh – in seelischer Hinsicht –
ALFRED Das hab ich nie gesagt. Das kann ich gar nicht gesagt haben. Und wenn, dann hab ich mich getäuscht.
MARIANNE Alfred!
ALFRED Nicht so laut! So denk doch an das Kind!
MARIANNE Ich hab so Angst, Alfred –
ALFRED Du siehst Gespenster.
MARIANNE Du, wenn du jetzt nämlich alles vergessen hast –
ALFRED Quatsch!
Ödön von Horvàth, Geschichten aus dem Wienerwald, Frankfurt 1985
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