„Mutter Courage und ihre Kinder“ von Bertolt Brecht

Aufgabe:

Zeichnen Sie drei waagrechte Striche untereinander und unterteilen Sie diese in jeweils vier Abschnitte. Lesen Sie anschließend die Zusammenfassung des Theaterstücks durch.

Versuchen Sie knapp zu beschreiben, was Mutter Courage bzw. ihrer Kleinfamilie widerfährt, indem Sie pro Szene jeweils max. sechs Wörter in die einzelnen Abschnitte eintragen.

Vorbemerkung:

„Mutter Courage und ihre Kinder“ ist das deutsche Antikriegsstück schlechthin und Bertolt Brechts erfolgreichstes Stück überhaupt. Es wurde durch Brechts Modellinszenierung 1949 am Deutschen Theater in Berlin mit der legendären Helene Weigel zu einem regelrechten Theatermythos des 20. Jahrhunderts.

Brecht lebte im skandinavischen Exil, als er „Mutter Courage“ schrieb, und beobachtete mit Schrecken die politische Entwicklung in Deutschland und Europa. „Mutter Courage“ ist ein Warn- und Mahnstück über den Krieg. Wer ihn unterstützt oder auch nur billigt, kann nichts gewinnen, er kann nur verlieren, so Brechts Botschaft. Uraufgeführt wurde „Mutter Courage“ 1941 in Zürich mit einem Ensemble von Exilschauspielern mit Therese Giehse in der Hauptrolle.

Brecht verlegt seine Geschichte in die Kriegswirren des Dreißigjährigen Krieges und nennt sein Stück eine Chronik. Er zeigt nicht die Generäle und Präsidenten, die „Helden“ seiner Geschichte sind vielmehr die „kleinen Leute“. In zwölf Bildern lässt Brecht die Marketenderin Anna Vierling, genannt die Courage, mit ihrem Wagen und den drei Kindern Eilif, Schweizerkas und der stummen Katrin durch die Wirren und über die Schauplätze des Krieges ziehen.

1. Szene Mutter Courage – sie heißt in Wirklichkeit Anna Fierling und hat ihren Beinamen Courage erhalten, als sie unter dem Feuer der Geschütze fünfzig Brotlaibe in das belagerte Riga gefahren hat – zieht mit ihren drei Kindern dem 2. Finnischen Regiment nach, das, vertreten durch einen Feldwebel und einen Werber, in Schweden Soldaten für den Feldzug in Polen aushebt. Der Feldwebel beklagt sich, Frieden bedeute Schlamperei und nur der Krieg schaffe Ordnung.
Courage kann sich nicht ausweisen und erzählt, dass ihre Kinder auf den Heerstraßen Europas gezeugt wurden. Als sie erkennt, dass man es auf ihre Söhne abgesehen hat und Eilif sich dem Soldatenleben gegenüber nicht abgeneigt zeigt, versucht sie die Anwesenden von der Gefährlichkeit des Soldatenlebens zu überzeugen.
Während der Feldwebel mit ihr zum Schein um eine Schnalle handelt; gelingt es dem Werber, Eilif wegzuführen.
2. Szene Mutter Courage zieht in den Jahren 1625 und 1626 im Gefolge der schwedischen Heere durch Polen. Im schwedischen Lager hört sie, wie der Feldhauptmann ihren Sohn Eilif für die Heldentat, Bauern zu übertölpeln und ihnen das Vieh zu rauben, auszeichnet. Eilif wird von seiner Mutter gescholten, weil er sich nicht ergeben hat.
3. Szene Drei Jahre sind vorbei. Ihr Sohn Schweizerkas ist Zahlmeister geworden und verwaltet die Regimentskasse.
Koch und Feldprediger treten auf und unterhalten sich über die politischen Verhältnisse. Der Feldprediger behauptet, in diesem Krieg zu fallen sei eine Gnade, weil es ein Glaubenskrieg sei. Gegen die salbungsvollen Worte des Feldprediger, der von den edlen Motiven Schwedens redet, setzt der Koch die bitter-ironische Wahrheit aus der Sicht des armen Mannes: Dieser Krieg unterscheidet sich in nichts von jedem Krieg, er bedeutet Tod, Armut und Unheil für die betroffene Bevölkerung und Gewinn für die Herren, die den Krieg zu ihren Nutzen führen.
Das Gespräch wird durch einen Überfall der Katholiken auf das schwedische Lager unterbrochen. Courage versucht ihre Kinder zu retten, indem sie ihrer Tochter Kattrin das Gesicht beschmiert und Schweizerkas rät, die Kasse wegzuwerfen. Nach dem Sieg der Katholischen betreibt sie ihren Handel im katholischen Regiment.
Polnische Spione verfolgen den ehrlichen Schweizerkas. Er gesteht unter Folterungen, dass er die Regimentskasse versteckt hat, den Ort will er aber nicht verraten. Mutter Courage versucht ihn durch die Zahlung von Bestechungsgeldern zu retten, feilscht aber zu lange. Ihr Sohn wird erschossen.
4. Szene Mutter Courage will sich bei einem Rittmeister beschweren, weil Soldaten bei der Suche nach der Regimentskasse Waren in den Wagen zerfetzt haben. Ein junger Landsknecht will sich ebenfalls beschweren, weil man ihm die Belohnung unterschlagen hat, die ihm für die Rettung des Gauls des Obristen zusteht. Die Courage spricht mit dem Soldaten und singt „Das Lied von der großen Kapitulation“.
5. Szene Zwei Jahre sind vergangen. Die Courage hat mit ihrem Wagen Polen, Bayern und Italien durchquert. 1631 siegt Tilly bei Magdeburg. Die Courage steht in einem zerschossenen Dorf und schenkt Schnaps aus. Die Courage sträubt sich, Verwundeten mit ihren Waren zu helfen. Kattrin findet einen Säugling.
6. Szene Anna Fierling befürchtet, dass nun der Krieg zu Ende sein könnte. Doch der Feldprediger beruhigt sie; Krieg gäbe es auch weiterhin. Die Courage schickt Katrin in die Stadt. um neue Waren einzukaufen. Kattrin kehrt mit einer Wunde am Kopf zurück; sie wurde überfallen und verunstaltet, hat sich die Waren aber nicht abnehmen lassen. Zum ersten Mal verflucht die Courage den Krieg.
7. Szene Die Courage zieht auf dem Höhepunkt ihrer geschäftlichen Laufbahn mit Kattrin und dem Feldprediger über eine Landstraße. Sie verteidigt nun den Krieg und erklärt, es sei sogar noch besser als der Frieden.
8. Szene Der Schwedenkönig Gustav Adolf fällt in der Schlacht bei Lützen. Überall läuten die Glocken und mit Windeseile verbreitet sich das Gerücht, es sei nun Frieden. Mutter Courage klagt dem Koch, sie sei ruiniert, weil sie auf den Rat des Feldpredigers hin noch kurz vor Ende des Krieges Waren eingekauft habe, die nun nichts mehr wert seien. Die Courage verflucht den Frieden und wird vom Feldprediger als Hyäne des Schlachtfelds bezeichnet.
Die Courage versucht noch schnell ihre Waren zu verkaufen, bevor die Preise fallen. Während sie fort ist, führen Soldaten den Eilif vor. Er hat im Frieden das Gleiche getan wie im Krieg, nur dass es ihm jetzt als Raub und Mord ausgelegt wird. Er wird hingerichtet.
9. Szene Der Glaubenskrieg dauert schon sechzehn Jahre; in Deutschland ist über die Hälfte der Bewohner umgekommen. Das Land ist verwüstet, die Menschen hungern. Im Herbst 1634 schlägt der Koch Mutter Courage vor, mit ihm eine kleine Wirtschaft zu führen, die er geerbt hat. Allerdings müsste Kattrin zurückbleiben, weil die Wirtschaft so viele Personen nicht ernähren könne. Die Courage entscheidet sich für ihre Tochter und zieht mit ihr weiter.
10. Szene Im ganzen Jahr 1635 ziehen die Courage und ihre Tochter über die Landstraßen Mitteldeutschlands und folgen den zerlumpten Heeren. Sie kommen an einem Bauernhaus vorbei und hören eine Stimme von der Sicherheit und dem Schutz singen, die Grundstück und Haus dem Besitzer gewähren.
11. Szene Im Januar 1636 bedrohen die kaiserlichen Truppen die Stadt Halle. Die Courage ist in die Stadt gegangen um einzukaufen. Die Soldaten zwingen einen Bauern, ihnen den Weg in die Stadt zu zeigen, da die Bewohner, die noch nichts von der Gefahr wissen, überrascht werden sollen.
Als Kattrin von der Gefahr hört, nimmt sie sich eine Trommel, steigt auf das Dach und versucht die Bewohner zu warnen. Kattrin wird erschossen. Doch ihr Einsatz hatte Erfolg: In der Stadt wird Alarm geschlagen.
12. Szene Am nächsten Morgen entfernen sich die Truppen vom Hof. Mutter Courage kehrt aus der Stadt zurück und findet ihre tote Tochter; sie glaubt, ihr Kind schlafe nur und kann nur mit Mühe von der Wahrheit überzeugt werden.
Sie lässt den Bauern Geld für das Begräbnis da und zieht allein mit dem Wagen dem Heer nach; noch immer glaubt sie, Eilif sei am Leben.

Aufgabe

Versuchen Sie knapp zu beschreiben, was Mutter Courage bzw. ihrer Kleinfamilie widerfährt, indem Sie pro Szene jeweils max. sechs Wörter in die einzelnen Abschnitte eintragen.

Lösung

Mutter Courage verliert Eilif an Werber. Eilif raubt Bauern Kühe (Heldentat). Schweizerkas wird  gewissenhafter Zahlmeister.
1. Szene 2. Szene 3. Szene
Vergebliche Beschwerden Courage weigert sich, Waren zu herzugeben. Kattrin wird verletzt, Schweizerkas erschossen.
4. Szene 5. Szene 6. Szene
Mutter Courage verteidigt den Krieg. Eilif wird hingerichtet. Courage schlägt Angebot des Kochs aus.
7. Szene 8.Szene 9. Szene
Lob der Sicherheit durch Eigentum Kattrin wird erschossen (Heldentat). Mutter Courage zieht alleine weiter.
10. Szene 11. Szene 12. Szene

Begriffsklärung

Hintergrund

Das „epische Theater“, das eng mit dem Namen Bertolt Brecht verbunden ist, nennt sich „erzählendes“ Theater, weil es im epischen Theater meistens

            • nicht um den Konflikt zwischen den Protagonisten oder um gegensätzliche Haltungen geht, die an Personen geknüpft sind, sondern
            • um Auseinandersetzungen des Helden mit seiner Umgebung, die dem Zuschauer „erzählt“ werden. Daher ist das „epische Theater“ auch
        • nicht auf einen Höhepunkt und den Untergang des Helden ausgerichtet.
        • Um dem Zuschauer eine klare Sicht auf die dargestellten Verhältnisse zu ermöglichen, verfremdet Brecht das Geschehen.
        • Der Zuschauer soll vielmehr etwas über die Gesellschaft lernen.

Vergleich

Geschlossene und offene Form

Vorbemerkung:

Das traditionelle Theater ordnet man der „geschlossenen Form“ zu. Von dieser klassischen Form  unterscheidet sich z.B. das „epische Theater“ (hauptsächlich Bertolt Brecht) als „offene Form“.

Geschlossene Form Offene Form
Innere Struktur Strenge Konstruktion

Wahrung der „drei Einheiten“
(von Handlung, Ort und Zeit)

Entwicklung der Handlung und Abfolge der Szenen logisch aufeinander aufgebaut (Kausalität der Handlung)

Handlung auf Ende hin ausgerichtet

keine strenge Konstruktion

erzählend

lose Szenenfolge

Szenen vertauschbar (Montage)

keine Zuspitzung auf Lösung

Sprache gehobene (Theater-)Sprache häufig Dialekt oder Umgangssprache, individuelle Färbung der Sprache
Thematik Konzentration auf den Konflikt
eines Menschen
Konzentration auf gesellschaftliche Verhältnisse (bei Brecht verfremdet)
Personen wenig Hauptfiguren beliebig, da austauschbar
Wirkung auf den Zuschauer Mitleid und Furcht

Ansprechen der Gefühle

Spannung in Bezug auf den Ausgang
der Handlung

Identifikation mit einer Figur,
i.d.R. der Hauptfigur

Nachdenken

Ansprechen des Verstandes

Spannung in Bezug auf die Entwicklung
der Handlung

Distanz zu den Figuren (keine Identifikation)

Ziel Moralische Stärkung der Zuschauers Veränderung der Gesellschaft
durch den Zuschauer

B. war Sohn des Direktors einer Augsburger Papierfabrik. Schon 1914/15 schrieb er Verse und Prosa. 1918 wurde er zum Militärdienst verpflichtet und diente als Sanitätssoldat im Augsburger Seuchen-Lazarett. Ende 1919 bis 1920 schrieb er Theaterkritiken für die Augsburger Zeitung „Volkswille“. In seiner Münchner Studienzeit half bei Karl Valentin mit. 1924 ging er nach Berlin, wo er bis 1926 zusammen mit C. Zuckmayer Dramaturg bei M. Reinhardt am Deutschen Theater war. Seit 1926/27 beschäftigte er sich mit dem Studium des dialektischen Materialismus (Marxismus). 1932 wurde der Film Kuhle Wampe (Regie: S. Dudow), zu dem B. das Drehbuch schrieb, verboten. 1933 verließ B. am Tag nach dem Reichstagsbrand mit seiner Familie und einigen Freunden Deutschland, er floh nach Dänemark und lebte dort bis 1939 bei Svendborg. Im April 1939 floh er, kurz vor der Besetzung Dänemarks, über Schweden nach Finnland, 1941 weiter über Moskau und Wladiwostok nach Kalifornien (USA). B. lebte in Santa Monica bei Hollywood, arbeitete gelegentlich für den Film, z.B. für F. Lang. 1947 wurde B. durch das „Komitee zur Bekämpfung unamerikanischen Verhaltens“ in Washington verhört und zog nach Zürich und 1948, da ihm eine Einreisegenehmigung nach Westdeutschland verweigert wurde, weiter nach Ost-Berlin. B. wirkte dort als Regisseur und Generalintendant am Deutschen Theater und gründete 1949 zusammen mit seiner Frau Helene Weigel das „Berliner Ensemble“.

Eine Grundforderung der klassischen Dramaturgie war, dass die Handlung eines Stücks an ein und demselben Schauplatz spielen müsse, nicht länger als 24 Stunden dauern dürfe und keine Nebenhandlung neben der Haupthandlung haben solle. Der Grundgedanke ist, natürlich neben den beschränkten technischen Voraussetzungen der damaligen Zeit:

1. Häufige Ortswechsel töten wegen der jeweils nötigen Veränderung der Szenerie die Spannung.

2. Eine Dramenhandlung kann überzeugender einen kurzen als einen langen Zeitraum darstellen.

3. Sie muss möglichst zielstrebig sein, wenn sie für den Zuschauer leicht nachvollziehbar sein soll.

Element der Unterteilung eines Stücks, und zwar das kleinste. Innerhalb der einzelnen Szene kommen dargestellte Zeit und Darstellungszeit zur Deckung (während zwischen zwei Szenen nicht selten und zwischen zwei Akten fast immer Zeitsprünge liegen). Nach den Regeln der klassischen Dramaturgie begann eine neue Szene prinzipiell immer dann, wenn sich die Personenkonstellation auf der Bühne veränderte, d. h. wenn mindestens eine Person hinzukam oder abging. Ab und zu werden auch die Synonyme „Auftritt“ und „Bild“ benutzt.

Darstellungsweise, die vertraute Gegenstände oder Vorgänge in einer neuen, ungewohnten Sicht erscheinen lässt. In diesem allgemeinen Sinn hat die Verfremdung eine lange Tradition. Die Fabeln als Texte, mit denen man den Mächtigen seine Meinung sagen möchte, benutzen diesen Effekt ebenso wie das Theater Bertolt Brechts. Die Verfremdung bezeichnet hier das Verfahren, mit dem die durch Gewohnheiten und Vorurteile geprägte  Wahrnehmung gestört und durch ästhetische Irritationen ein ›neues Sehen‹ ermöglicht wird. Bertolt Brecht gab der Verfremdung eine gesellschaftskritisch-didaktische Funktion. Vor dem Hintergrund der marxistischen Theorie soll dem Zuschauer ein neuer, ungewohnter Blick auf die Widersprüchlichkeit der Klassengesellschaft, die dem Zuschauer als historische und damit veränderbare gezeigt werden soll, ermöglicht werden. Diesem Ziel entsprechend entwickelte Brecht spezifische Verfremdungseffekte (›V-Effekte‹) – z.B. die Verwendung historischer Stoffe (s. „Mutter Courage“) -, die Dramenaufbau, Sprache, Inszenierung und Schauspielstil seines Theaters charakterisieren.

Übung

Offene und geschlossene Form des Theaters im Vergleich
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