Argumentieren auf der Grundlage von Texten

Anwendung in der beruflichen Praxis

Stellen Sie sich folgende Situation vor:

Sie sind Mitarbeiter in einem Büro für Unternehmensberatung und erhalten den Auftrag, ein Gutachten für die Firma XY zu erstellen. Sie sollen herausfinden, ob es ratsam ist, einen Produktionszweig nach Tschechien auszulagern (Outsourcing).

Ihnen liegen unterschiedliche Erfahrungsberichte von anderen Betrieben vor, die Erfahrungen mit Outsourcing gemacht haben. Außerdem wurde Ihnen eine Stellungnahme des Betriebsrates zugeleitet, der vor allem auf die negativen Auswirkungen auf die Belegschaft Bezug nimmt. Die Firmenleitung hat Ihnen darüber hinaus Zugang zu internen Betriebsdaten gewährt. Damit sind die Voraussetzungen für Sie geschaffen, um mit der Arbeit beginnen zu können.

Aufgaben:

1. Bevor Sie an die Arbeit gehen, sollten Sie sich überlegen, was die Firma von Ihnen erwartet.

2. Zeigen Sie auf, warum Ihnen die umfassenden Materialien zur Verfügung gestellt wurden.

3. Welche Verwendung sollten diese in Ihrem Gutachten finden?

Lösungen

Lösung 1:

  • Von Ihnen wird erwartet:
  • ein sorgfältiges Studium der relevanten Materialien,
  • eine sachkundige Beurteilung der vorliegenden Fakten,
  • ein Gutachten, aus dem die Firma konkrete Schritte in Sachen Outsourcing ableiten kann.

Lösung 2:

Die Materialien wurden zur Verfügung gestellt, damit Sie die Sachlage exakt einschätzen und die Brisanz der konträren Positionen (Betriebsrat – Firmenleitung) treffend beurteilen können und weil der Rat im Gutachten nicht allgemein und pauschal erfolgen soll („Outsourcing ist immer gut …“), sondern sich speziell an der konkreten Situation orientieren soll.

Lösung 3:

Die Materialien sollten folgendermaßen verwendet werden:

Ihre Vorschläge greifen gezielt Teile der Materialien auf, die im Gutachten selbst zitiert werden sollten. Die Zitate dienen als Belege für Ihre Argumentation bzw. für die gezogenen Schlussfolgerungen. Dadurch wird einerseits Ihre Glaubwürdigkeit gesteigert und andererseits wirkt das Gutachten auf den Auftraggeber überzeugender, wenn er seine konkrete betriebliche Situation darin verarbeitet sieht.

Arbeitsschritte

Von der Textvorlage zur Erörterung


1.  Vorarbeit:

·  Text lesen: erster Inhaltsüberblick
·  Thema erfassen
·  Themenaspekte ausformulieren

2.  Einleitung erstellen

3
.  Stoffsammlung anlegen:
·  Argumente aus dem Text ziehen
·  Eigene Argumente einbringen

4.  Argumentationsplan festlegen:

·  Pro- und Contra-Argumente ordnen
·  Abwägen und Fazit ziehen

5.  Schluss planen

6.  Hauptteil ausarbeiten:

·  Argumentationsgang entfalten
·  Textinformationen einbauen

Einleitung erstellen

Der Leser soll durch diesen „Vorspann“ zunächst an die Thematik herangeführt werden, indem beispielsweise der gesellschaftliche Bezug hergestellt oder die Bedeutung des angesprochenen Sachverhaltes aufgezeigt wird.
Sind in der Themenstellung unklare bzw. klärungsbedürftige Schlüsselbegriffe enthalten, so sollte anschließend durch eine Definition aufgezeigt werden, wie der jeweilige Begriff in der nachfolgenden Erörterung verwendet wird.

Daran schließt sich die Darstellung der Thematik des Textes an, indem dessen Kernaussage bzw. das Ergebnis, zu dem der Autor kommt, vorgestellt wird. In diesem Zusammenhang werden auch die formalen Angaben zum Text (Verfasser, Titel, Textsorte, Fundstelle, Erscheinungsdatum) gebracht.

Mit der Themafrage schließt die Einleitung ab, es wird das weitere Vorgehen im Hauptteil der Erörterung angekündigt.

Am konkreten Beispiel wird der Aufbau der Einleitung deutlich:

Einleitung zum Thema

„Setzen Sie sich mit den Vor- und Nachteilen des Arbeitens im Homeoffice auseinander“

Mit dem allgemeinen Siegeszug des Internets hat sich das Arbeiten von zuhause in den zwei Jahrzehnten zwar langsam und stetig etabliert, doch erst die Corona-Pandemie hat diese Arbeitsform nun ins volle Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Politiker plädierten zunächst an die Arbeitgeber, nach Möglichkeit jeden Angestellten von zuhause arbeiten zu lassen und die Infektionslage führte schließlich zur sogenannten „Homeoffice Pflicht“, die dem Arbeitnehmer sogar einen grundlegenden Anspruch auf diese Arbeitsform gewährte. Hinführung zum Thema
Der Begriff „Homeoffice“ beschreibt die vom Betrieb in die eigene Wohnung ausgelagerte Arbeit. Diese wird am eigenen Laptop, Tablet oder PC verrichtet, das Arbeitsergebnis kann mühelos übers Internet zur Mutterfirma übermittelt werden. Moderne Applikationen wie Zoom oder Teams bieten die technischen Voraussetzungen, um Strukturen für Projektarbeit in Arbeitsgruppen anzulegen oder Videokonferenzen vom eigenen Schreibtisch aus durchzuführen. Begriffsklärung
In dem Bericht „Homeoffice immer beliebter“, der im April 2018 in der FAZ erschienen ist, geht es um den coronabedingten Boom im Bereich Homeoffice, der Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor völlig neue Herausforderungen stellt. Informationen über den Text:
· Thema
· formale Angaben (Autor,
Titel, Textsorte,
Fundstelle, Erschei-
nungsdatum)
Von vielen Arbeitgebern wird das Homeoffice als Arbeitsform der Zukunft gesehen, dem aber die langsamen Mühlen der Gesetzgebung hinterherhinken, sodass dringend Reformen nötig sind, um Arbeitsprozesse an die sich schnell wandelnden realen Bedingungen anzupassen. Jedoch sind hierbei auch die Rechte der Arbeitnehmer zu berücksichtigen, deren Arbeitsumgebung und -Abläufe sich nun von Grund auf ändern.   · Kernaussage bzw.
Ergebnis
des Betrachters
Angesichts dieser Sachlage stellt sich die Frage, ob das Arbeiten im Homeoffice zu verurteilen oder zu begrüßen ist. Themafrage als Überleitung zum Hauptteil

Stoffsammlung anlegen

Argumente aus dem Text durch eigene ergänzen

„Lesen mit dem Textmarker“ 

Unterstreichen von Argumenten oder Informationen, die 
 ·   zu einem der Themaaspekte (Pro- oder Contra) passen oder
·   für die persönliche Stellungnahme verwendet werden können

 

Vorteile des Arbeitens im Homeoffice:

 Unabhängigkeit und
Flexibilität

Wohnortwahl unab-hängig vom Arbeits-
platz

 Zeitersparnis

 Kostenminimierung bei
a) Unternehmen
b) Arbeitnehmern

 Vereinbarkeit von
Familie und Beruf

 höhere Produktivität

 gesteigerte Motivation

+

(eigene Gedanken)

 mehr  Auswahl an
Arbeitskräften durch
Firmen

 größeres Arbeitsange-
bot für Arbeitnehmer

 Umweltschutz durch
Verkehrsentlastung

Homeoffice immer beliebter

Arbeiten von zu Hause aus wird in Deutschland immer beliebter. Vier von zehn Arbeitgeber setzen ihre Mitarbeiter ganz oder teilweise via Homeoffice ein. Vor einem Jahr lag dieser Wert noch bei 30 Prozent, geht aus einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Digitalverbandes Bitcom hervor, die am Montag veröffentlicht wurde. Dass dieser Trend abebben könnte, glaubt in der deutschen Industrie vorerst niemand. Immerhin geht jedes zweite Unternehmen davon aus, dass der Anteil seiner Homeoffice-Mitarbeiter in den kommenden fünf bis zehn Jahren wachsen wird. Weitere 46 Prozent der Befragten rechnen damit, dass es bei dem jetzt erreichten Niveau bleiben wird.

Rund elf Prozent aller Beschäftigten in Deutschland erledigen schon heute einen Teil ihrer Arbeit von zu Hause aus. In Frankreich und Österreich sind es dagegen mehr als 15 Prozent, in Dänemark sogar mehr als 25 Prozent. Progressive Personalchefs und weitsichtige Politiker sind der Ansicht, dass es mindestens so viele auch hierzulande sein sollten. Von Vertreter der IT-Industrie gibt es diesbezüglich keine Einwände: „Digitale Technologien erlauben es, zu jeder Zeit und von jedem Ort aus zu arbeiten“, sagt Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer von Bitcom. […]

Wenn Homeoffice also tatsächlich zum neuen Standard in der deutschen Arbeitswelt werde, würden laut Rohleder dafür klare Regeln benötigt: „Von den Arbeitgebern ist Vertrauen gefordert, von den Mitarbeitern Selbstorganisation und Selbstdisziplin“. Der technische Fortschritt mit Internet, Videotelefonie oder Apps zur Echtzeit-Kommunikation macht die physischen Präsenz am Arbeitsplatz zunehmend obsolet. Stattdessen wird die Heimarbeit längst als ein zeitgemäßer Schlüssel betrachtet, um Pendler und berufstätige Eltern zu entlasten sowie die Lebenszeit so produktiv zu nutzen, dass Familie und Beruf miteinander vereinbar sind. Mehr als die Hälfte der Arbeitgeber ist allerdings davon überzeugt, dass diese neuen Arbeitsform die Produktivität negativ beeinflusst, da der Austausch mit Kollegen vernachlässigt werde. […]

Auch wenn flexibles Arbeitsformen ganz oben auf der Wunschliste vieler Arbeitnehmer stehen, hinderten gesetzliche Hürden wie eine starr vereinbarte Arbeitszeit von acht Stunden oder die elfstündige Mindestruhezeit viele Unternehmen an der Umsetzung. Nach Ansicht von Bitcom-Geschäftsführer Rohleder ist es daher „höchste Zeit, die antiquierte Regel“ an die moderne Arbeitswelt anzupassen.

http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/beruf/homeoffice-bereits-bei-40-der-unternehmen-praxis-15468784.html
(zuletzt aufgerufen am 11.05.2021, für Prüfungszwecke bearbeitet)

Nachteile des Arbeitens im Homeoffice:

mehr Selbstorganisation und Disziplin durch den
Einzelnen notwendig

 fehlende Arbeitszeit-
kontrolle durch den
Arbeitgeber

fehlender Austausch mit Kollegen

+

(eigene Gedanken)

 Arbeitsraum durch
Arbeitnehmer zu
stellen

  verschärfte
Konkurrenz unter
Arbeitnehmern 

  klare Abgrenzung des Arbeitsplatzes vom privaten Raum zuhause verschwimmt