Pressekodex

Freiwillige Selbstkontrolle

Um eine Bevormundung durch den Staat zu verhindern und gleichzeitig eine verantwortungsbewusste Nutzung der Pressefreiheit zu fördern, hat die Presse selbst eine Institution geschaffen, die eine Art moralisches Gewissen sein soll und zur Selbstkontrolle dient.

Die praktische Arbeit des Presserates besteht unter anderem darin, Verstöße gegen den sog. Pressekodex zu ahnden. Er kann allerdings nur Rügen aussprechen und ist auf die freiwillige Beherzigung seiner Kritik angewiesen.

Deutscher Presserat: Publizistische Grundsätze (Pressekodex)

Die publizistischen Grundsätze konkretisieren die Berufsethik der Presse. Sie umfasst die Pflicht, im Rahmen der Verfassung und der verfassungskonformen Gesetze  das Ansehen der presse zu wahren und für die Freiheit der Presse einzustehen. Die berufsethik räumt jedem das Recht ein, sich über die Presse zu beschweren. Beschwerden sind begründet, wenn die Berufsethik verletzt wird.

1.  Die Achtung vor der Wahrheit , die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der
Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.
2.  Zur Veröffentlichung bestimmte Nachrichten und Informationen in Wort und Bild sind mit der nach den
Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Über-
schrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. (…)
3.  Veröffentlichte Nachrichten oder Behauptungen, die sich nachträglich als falsch erweisen, hat das
Publikationsorgan, das sie gebracht hat, unverzüglich von sich aus in angemessener Weise richtig zu
stellen.
4.  Bei der Beschaffung von Nachrichten, Informationsmaterial und Bildern dürfen keine unlauteren Methoden
angewandt werden. (…)
8.  Die Presse achtet das Privatleben und die Intimspäre des Menschen. Berührt jedoch das private Verhalten
öffentliche Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden. Dabei ist zu prüfen, ob durch
eine Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter verletzt werden.
9.  Es widerspricht journalistischem Anstand, unbegründete Behauptungen und Beschuldigungen,
insbesondere ehrverletzender Natur, zu veröffentlichen.
10. Veröffentlichungen in Wort und Bild, die das sittliche oder religiöse Empfinden einer Personengruppe nach
Form und Inhalt wesentlich verletzen können, sind mit der Verantwortung der Presse nicht zu vereinbaren.
11. Die Presse verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt und Brutalität. Der
Schutz der Jugend ist in der Berichterstattung zu berücksichtigen.
12. Niemand darf wegen seines Geschlechts oder seiner Zugehörigkeit zu  einer rassischen, ethnischen,
religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.“

Beispiele für Rügen des Presserates:

Immer wieder sieht sich der Presserat veranlasst, einzelne Organe wegen Missachtung des Pressekodexes zu kritisieren. So rügte er

  • das Satiremagazin Titanic, deren Reporterin Beichtväter um kirchlichen Rat wegen angeblich von ihr verübten
    Abtreibungen gebeten und diese Gesprächsprotokolle veröffentlicht hatte,
  • die Berliner Zeitung und den Berliner Kurier. Die Zeitungen hatten das Foto eines Vergewaltigungsopfers veröffentlicht. Die Gewalttat lag zwölf Jahre zurück,
  • die Bild-Zeitung wegen ihrer Berichterstattung über den Tod des Fernsehpfarrers Adolf Sommerauer. Unter der Schlagzeile „Es war Selbstmord auf der Intensiv-Station“ berichtet die Zeitung über die letzten Stunden des Pfarrers, der lebenserhaltende Maßnahmen von einem bestimmten Zeitpunkt an abgelehnt hatte.

Auf Medienbeiträge reagieren

Leserbriefe – Rahmenbedingungen

Eine Möglichkeit, Einfluss auf die Berichterstattung von Medien zu nehmen bzw. Beiträge zu kommentieren, besteht darin, Leserbriefe zu schreiben. Manche Medien, wie z.B. Die Zeit oder Der Spiegel sehen in den Leserbeiträgen sogar eine attraktive Bereicherung ihres Mediums.


Aus den Richtlinien zur näheren Auslegung des Pressekodexes zum Thema „Leserbriefe“:
„Den Lesern sollte durch den Abdruck von Leserbriefen, sofern sie nach Form und Inhalt geeignet sind, die Möglichkeit eingeräumt werden, Meinungen zu äußern und damit an der Meinungsbildung teilzunehmen. (…)Der Verfasser hat keinen Rechtsanspruch auf Abdruck seiner Zuschrift.Es entspricht der allgemeinen Übung, dass der Abdruck mit dem Namen des Verfassers erfolgt. (…) Bestehen Zweifel an der Identität des Absenders, soll auf den Abdruck verzichtet werden. Die Veröffentlichung fingierter Leserbriefe ist mit der Aufgabe der Presse unvereinbar.

Änderungen oder Kürzungen von Zuschriften namentlich bekannter Verfasser ohne deren Einverständnis sind grundsätzlich unzulässig. Kürzungen sind möglich, wenn die Rubrik Leserzuschriften einen ständigen Hinweis enthält, dass sich die Redaktion bei Zuschriften, die für diese Rubrik bestimmt sind, das Recht der sinnwahrenden Kürzung vorbehält. Verbietet der Einsender ausdrücklich Änderungen oder Kürzungen, so hat sich die Redaktion, auch wenn sie sich das Recht der Kürzung vorbehalten hat, daran zu halten oder auf den Abdruck zu verzichten.

Alle einer Redaktion zugehenden Leserbriefe unterliegen dem Redaktionsgeheimnis. Sie dürfen in keinem Fall an Dritte weitergegeben werden.“

Die Zeit brachte in ihrer Ausgabe
vom 15. Januar 2004 auf ihrer
Leserbriefseite folgenden Hinweis:

Die Nürnberger Nachrichten drucken
regelmäßig folgende Hinweise für
Leserzuschriften ab:

Aufgaben

  1. Wie ist die Position des Leserbriefschreibers im Vergleich zu der einer Zeitungsredaktion?
  2. Wofür bedankte sich die Zeit-Redaktion bei ihren Leserbriefschreibern?
  3. Warum sollen Verfasser von Leserbriefen ihre Anschrift und Telefonnummer angeben?

Lösungen

Der Leserbriefschreiber ist in einer schwachen Position, da er keinen Rechtsanspruch auf Veröffentlichung seines Beitrages hat.
Er muss Kürzungen hinnehmen, oder – wenn er dies nicht will – gegebenenfalls auf einen Abdruck verzichten.

Die Zeit-Redaktion bedankte sich bei den Leserbriefschreibern, weil diese ein Korrektiv für Redakteure und Artikelschreiber darstellen. Die Zeit sieht in den Leserzuschriften bereichernde Anregungen bzw. ein Feedback für die Arbeit der Redaktion.

Anschrift und Telefonnummer sind bei Leserbriefen anzugeben, weil nur so die jeweilige Redaktion durch Überprüfung der Richtigkeit des Absenders sicher sein kann, dass nicht Dritte fingierte Leserbriefe in die Zeitung bringen wollen, um damit z.B. ein politisches oder wirtschaftliches Ziel zu verfolgen.

Kritik äußern durch Leserbriefe

Ein Beispiel für Leserbriefreaktionen auf einen Beitrag über die Jugendbuchautorin Gudrun Pausewang ist nachfolgend aufgeführt.

(…) „So gab mir der Vater das Baby auf den Arm. ungewaschen wie es war, hatte er es in Großmutters Daunen- kissen gewickelt. ‚Wärm du es jetzt‘ sagte er. ‚Ich löse dich später ab.‘ … 

Als es so hell wurde, dass ich Großmutters Monogramm im Kissenbezug sehen konnte, wurde ich so neugierig, dass ich meine Jacke, die das Köpfchen bedeckte, etwas beiseite schob und die Kissenzipfel auseinander zog, um das winzige Gesicht sehen zu können. Ich erstarrte. Ich konnte nicht schreien. Ich saß ganz steif. Meine kleine Schwester Jessica Martha hatte keine Augen. Dort, wo sie hätten sein müssen, war nichts als Haut. Nur eine Nase war da und ein Mund, der an meiner Brust herumsuchte und saugen wollte. ‚Vati‘, flüsterte ich, ‚Vati‘ – Er kroch zu mir hin und beugte sich über meine Knie. ‚Oh nein, nein‘, stöhnte er.“

„Was ich nicht verstehe“, sagt Gudrun Pausewang, die inzwischen 75-jährige Autorin des hier zitierten, 1983 erschienenen Atom-Kriegs-Bestsellers „Die letzten Kinder von Schewenborn“ am Telefon, „was ich nicht verstehe, ist, warum Sie mich dauernd nach Angst fragen. Wieso Angst? Ich will keine Angst verbreiten. Ich will nur warnen.“ (…)

Die pensionierte Lehrerin und Schriftstellerin – 20 Kinderbücher hat sie geschrieben – ist jedenfalls die richtige Adresse, um danach zu fragen. Gerade in ihren Jugendbüchern hat sie kaum ein Horror-Szenario ausgelassen, hat alles behandelt – vom Atomkrieg, der plötzlich Tod und Verderben bringt, über den fiktiven Super-GAU eines hessischen Atomkraftwerkes in ihrem Roman „Die Wolke“ bis hin zu den Gaskammern von Auschwitz („Reise im August“). (…)

Ist es Aufklärung? Keine Verwirrung in diesem Buch über Gut und Böse. Und doch, ein selbstgerechter Unterton: So wird es euch ergehen, wenn ihr nicht auf die Atomkraftgegner hört. (…)

Sie (Gudrun Pausewang) ist so ruhig und still, wie ihre Bücher laut übertreiben. (…) Wirklich anfangen kann sie, die Weltangstexpertin mit einer augenzwinkernden Lebenseinstellung vermutlich wenig. Sind doch in ihren Büchern die Kinder und Jugendlichen meist die Guten, Wahrhaftigen; die Hoffnungsträger, die Zukunft. Gudrun Pausewang kann es sich nicht leisten, an der Jugend zu zweifeln – das hieße, einen Hauptstrang ihres Glaubens, ihres Werkes zu kappen.

Ich finde: Das mir der Generation Golf musste so kommen. Mit Angst kann man keine freien Menschen erziehen, mit moralischem Rigorismus keine politisch engagierte Jugend. Sie (Pausewang) meint: Man darf den jungen Leuten keine heile Welt zeigen, die es nicht gibt. Und außerdem – schon wieder die Angst. „In all meinen Büchern lasse ich auch aufblitzen, wie die Welt sein sollte, sein könnte“, sagt Pausewang.

Aufgabe

Wie ist die Position der Zeit-Autorin Susanne Gaschke zu Gudrun Pausewangs Jugendbuch „Die letzten Kinder von Schewenborn“?

Lösungen

Die Zeit-Autorin Susanne Gaschke kritisiert an der Jugendbuchautorin Gudrun Pausewang folgende Punkte:

  • Sie wirft ihr vor, „kein Horrorszenario ausgelassen“ zu haben. Der Leser ihrer Bücher wird – laut Gaschke – mit dem erhobenen Zeigefinger gewarnt: „So wird es euch ergehen, wenn ihr nicht auf die Atomkraftgegner hört.“
  • Sie schürt Angst bei den jugendlichen Lesern und übertreibt laut. Nach Frau Gaschke kann man aber mit Angst keine freien Menschen erziehen und „mit moralischem Rigorismus keine politisch engagierte Jugend“.

Leserbriefe schreiben und beurteilen

Der in Auszügen vorgestellte Beitrag über die Jugendbuchautorin Gudrun Pausewang hat folgende Leserbriefe provoziert.

Ich bin 16, und wir haben vergange-

nen Herbst die Buch Die letzten Kin-
der von Schewenborn 
im Deutsch-
unterricht  gelesen. Bei uns hatte
niemand das Gefühl, dass Frau Pausewang Angst verbreiten und uns eine Moralpredigt halten will. Das Buch zeigt anschaulich die Möglichkeit, wie unsere Zukunft aus-
sehen könnte, wenn wir so weiter-
machen. Das Buch Die Wolke finde
ich noch besser. Das kann eben jederzeit wieder passieren, und davor darf man nicht die Augen verschließen. Ich bin aktiv bei den Grünen in Frankfurt. Angst schüren bedeutet, dass man sich zurückzieht – Wissen schüren bedeutet nach vorne gehen!
Oliver Maier, Frankfurt
Die verächtliche, herablassende Bewertung Gudrun Pausewangs als „Weltangstexpertin“ ist aus meiner Sicht völlig unangemessen.

Ich gehöre mit 21 Jahren noch zur jungen Generation, die sich natürlich nach Frieden sehnt. Wir können aber nichts ändern, wenn uns erspart bleibt zu erkennen, was wir ändern müssen.
Janina Schmiedel, Hannover…  Sie haben sicher Recht: „Mit moralischem Rigorismus (kann man) keine politisch engagierte Jugend (erziehen)“, aber welche erzieherische Wirkung schreiben Sie der in diesem Artikel spürbaren Haltung zu?
Claudia Denecke, MuchGudrun Pausewang hat nicht nur Katastrophenbücher geschrieben, sondern auch kühne und vergnügliche Mädchen-Emanzi-
pationsgeschichten. Dass sie seinerzeit die Atomängste aufgriff, war nicht nur legitim, sondern auch notwendig.
Gewiss gibt es ein Generations-
problem bei der Beurteilung von Jugendliteratur, aber Susanne Gaschke sollte nicht der Rückkehr zur jugendliterarischen Harmlosig-
keit das Wort reden.
Prof. Malte Dahrendorf, Zernien„Lehrerin der Angst“ – diese Überschrift treibt mich schon den ganzen Tag um. Für mich ist Gudrun Pausewang eine Person mit Grips und Sinn für Realität. –
Als ich mit ca. 13 Jahren „Die Wolke“ las, war mir auch etwas mulmig. Aber ich begann zu verstehen, dass das, was der Hauptfigur des Romans geschehen war, auch mir passieren könnte. Deswegen fing ich an, mich über Atomkraft zu  informieren. Mit der Zeit las ich immer mehr Pausewang-Bücher.
„Ist es Aufklärung?“, fragt Susanne Gaschke. Ja, ist es!
Sabrina Drexel, Tussenhausen 

 

Aufgabe

Was sind die Kerngedanken der obigen Leserbriefe?

Lösungen

Die Leserbriefe enthalten folgende Kerngedanken:

  • Das Jugendbuch „Die letzten Kinder von Schewenborn“ bewirkt bei Oliver Meier  weder Angst noch das Gefühl eine Moralpredigt zu sein, sondern es vermittelt Wissen.
  • Man kann nichts ändern, wenn man nicht weiß, was zu ändern ist.
  • Mit der Kritik an Pausewang befürwortet Frau Gaschke indirekt eine jugendliterarische Harmlosigkeit.
  • Das Jugendbuch löste einen Informationshunger nach Wissen über Atomkraft aus.

Eine Gegendarstellung erwirken

Um den Zustand der Waffengleichheit zwischen den Massenmedien einerseits und den von ihren Veröffentlichungen Betroffenen andererseits herzustellen, ist in den Landespresse- und Rundfunkgesetzen das Recht auf Gegendarstellung verankert. Dadurch soll es Personen und Institutionen möglich sein, aus ihrer Sicht falsch dargestellte Sachverhalte richtig zu stellen.

Allerdings dürfen nur Tatsachenbehauptungen gegen Tatsachenbehauptungen gestellt werden. Bei Werturteilen gibt es kein Recht auf Gegendarstellung.

  „Der Minister X hat Bestechungsgelder
entgegengenommen“
„Der Schauspieler Y hat sich am Urlaubsort mit
einer Geliebten getroffen.“
Tatsachenbehauptungen  => Gegendarstellungsanspruch
  „Bürgermeister x hat sich in der Sitzung des
Stadtrates taktisch ungeschickt verhalten.“
„Der Schauspieler Y hat seinen Part schlecht
gespielt.“
Werturteile =>  kein Gegendarstellungsanspruch


Die Gegendarstellung muss im gleichen Teil der Zeitung erscheinen wie die Ausgangsmitteilung. Auch die optische Aufmachung und das Schriftbild müssen gleichwertig sein. Es ist also nicht erlaubt, die Gegendarstellung möglichst klein und unauffällig zu gestalten und sie damit zu verstecken.
Jede Gegendarstellung ist ohne Hinzufügung oder Weglassung abzudrucken. Dies gilt auch dann, wenn sie nach Auffassung der Redaktion Unwahrheiten enthält. Die Redaktion hat jedoch die Möglichkeit, die Gegendarstellung mit einem Begleitkommentar zu versehen.

Aufgabe

Können Gegendarstellungen missbraucht werden, wenn sie auch dann abgedruckt werden müssen, bevor ihr Wahrheitsgehalt endgültig geklärt ist?

Lösungen

Theoretisch können sie missbraucht werden, weil ihr Wahrheitsgehalt nicht geprüft werden muss.
In der Praxis jedoch ist dieser Missbrauch wenig sinnvoll, da das jeweilige Medium die Gegendarstellung durch einen redaktionellen Begleitkommentarergänzen kann. Hier könnte auf die Gründe verwiesen werden, warum die Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen ist.

Übung Gesamtwissen

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