3.3.3 Löslichkeit und Lösungsvorgang
Das wichtigste Lösungsmittel – Wasser
Wasser ist das wichtigste Lösungsmittel in Natur und Technik. Für die Chemie des Lebens ist Wasser unabdingbare Voraussetzung. Leben in der Form, wie es auf der Erde existiert, beruht auf flüssigem Wasser als Trägermaterial für die komplexen chemischen Vorgänge, die in Zellen ablaufen.
Wasser ist ein polarer Stoff, es besteht aus Dipolmolekülen und löst daher andere polare Stoffe. Dabei kann es sich um Stoffe handeln, die wie Wasser aus Dipolmolekülen bestehen oder polare Molekülbestandteile aufweisen (Säuren, Zucker, niedermolekulare Alkohole u.a.). Ethanol mischt sich mit Wasser, da wegen der geringen Molekülgröße der polare Charakter insgesamt überwiegt. Langkettige Alkohole bilden mit Wasser eine zweite Phase.

© Belinda Flemming: Polare Lösungsmittel lösen polare Stoffe (z.B. Wasser löst Ethanol), CC BY-SA
Unpolare Stoffe, etwa Kohlenwasserstoffe, Öle etc., bilden mit Wasser ebenfalls eine zweite Phase. Wassermoleküle können aber auch mit elektrisch geladenen Teilchen wie Ionen Wechselwirkungen eingehen. Die Dipole orientieren sich dabei so, dass ihre positive Partialladung auf die negative Ladung eines Anions hin ausgerichtet ist. Das Ion wird von den Wassermolekülen regelrecht eingehüllt (hydratisiert). Häufig besteht diese Hydrathülle eines Ions aus sechs Wassermolekülen, die das Ion direkt berühren (vier in einer Ebene, eines davor und eines dahinter). Bei Kationen ist die Orientierung der Wassermoleküle umgekehrt. Ihre negative Partialladung tritt in Kontakt mit der positiven Ladung des Ions. Um diese innerste Sphäre von Molekülen einer Hydrathülle können sich weitere Schichten von Wassermolekülen anlagern. Denn die anziehende Wirkung der Ladung eines Ions reicht über eine beträchtliche Distanz in das Wasser hinein.

© Belinda Flemming: Lösungsvorgang eines Salzes, CC BY-SA
Lösungsvorgang eines Salzes
Dieser Effekt, die Hydration von Ionen in Wasser, ist dafür verantwortlich, dass sich Salze (ionogene Verbindungen) in Wasser lösen. Die Wassermoleküle „greifen“ einen Salzkristall bevorzugt an Ecken und Kanten „an“, da dort die Ionen weniger Nachbarn besitzen, also auch weniger stark im Gitterverband festgehalten werden.

© Belinda Flemming: Hydration der Ionen durch Wassermoleküle, CC BY-SA
Angriff der Wassermoleküle
Lösungsvorgänge und Energie
Ähnlich wie bei chemischen Reaktionen treten auch bei Lösungsvorgängen (physikalische Vorgänge) Energieumsätze auf.
Beim Lösen von festem Natriumhydroxid (NaOH) in Wasser ist eine starke Erwärmung zu beobachten, beim Lösen von Ammoniumchlorid (NH4Cl) hingegen eine starke Abkühlung.
Eine Betrachtung der Teilvorgänge beim Lösen lässt erkennen, dass an zwei Stellen Energie im Spiel ist.
1. Beim Lösen eines Salzes wird das Ionengitter aufgebrochen. Die Ionen lösen sich von ihren Gitterplätzen und bewegen sich frei in der Lösung. Im Ionengitter wirken zwischen den Ionen jedoch Anziehungskräfte. Diese müssen beim Lösen überwunden werden. Dies erfordert Energie. Es handelt sich im wesentlichen um die Gitterenergie, die es aufzubringen gilt. Dieser Vorgang ist also endotherm. Im Energiediagramm ist der blaue Pfeil daher nach oben gerichtet. Das System nimmt Energie auf.
2. Gleichzeitig mit dem Aufbrechen des Ionengitters werden Kationen und Anionen jedoch hydratisiert. Dabei wirken Anziehungskräfte zwischen Ion und Wassermolekülen wie oben dargelegt. Treten aber Anziehungskräfte auf, bedeutet dies eine Abgabe von Energie. Es liegt also ein exothermer Vorgang vor. Die Energieabgabe wird im Energiediagramm durch einen Pfeil nach unten symbolisiert. (Anschaulicher wird dieser Zusammenhang, geht man den umgekehrten Weg: Will man Teilchen voneinander trennen, die sich gegenseitig anziehen, so muss man dafür Energie aufwenden.)

© Belinda Flemming: Energien der Lösungsvorgänge von Natriumhydroxid und Ammoniumchlorid, CC BY-SA
Vergleicht man für beide Lösungsvorgänge aufgenommene und abgegebenen Energie, so treten je nach Salz Differenzen auf. Ist der Betrag der Hydrationsenergie größer als der der Gitterenergie (Beispiel NaOH), so wird insgesamt Energie frei (Lösungswärme). Sind die Verhältnisse umgekehrt (Beispiel NH4Cl), so wird mehr Energie aus der Umgebung aufgenommen als an sie abgegeben (Lösungskälte). Die Temperatur der Umgebung sinkt.
Bei extrem schwer löslichen Salzen wie Bleisulfat (PbSO4) ist die Gitterenergie sehr viel größer als die Hydrationsenergie.
Löslichkeit von Salzen
Die Löslichkeit eines Salzes gibt an, welche Masse eines Salzes (in g) in 100 g Lösungsmittel aufgenommen werden kann. Eine andere Möglichkeit ist es, die Stoffmenge (in mol) bezogen auf 1000 g Wasser anzugeben. Bei der Löslichkeit handelt es sich um eine temperaturabhängige Größe. Mit steigender Temperatur nimmt die Menge an Salz, die in einem bestimmten Volumen an Wasser gelöst werden kann, zu. Nimmt eine Lösung kein weiteres Salz mehr auf, spricht man von einer gesättigten Lösung. Durch Temperaturerhöhung kann aber auch eine übersättigte Lösung hergestellt werden, aus der beim Abkühlen Salz auskristallisiert.
Die Löslichkeit von Salzen kann stark variieren. Es gibt Salze mit guter Löslichkeit. Dazu gehören alle Nitrate (NaNO3, Mg(NO3)2, usw.). Bei Halogeniden, Sulfaten und Carbonaten gibt es sowohl lösliche (NaCl, CaCl2, K2SO4, Na2CO3) als auch extrem schwer lösliche Vertreter (AgCl, BaSO4, PbSO4, CaCO3).
Löslichkeit einiger Erdalkalisalze in mol/1000 g Wasser bei 25°C
| Erdalkalifluoride | Erdalkalichloride | Erdalkalicarbonate | Erdalkalisulfate | ||||
| MgF2 | 1,2 . 10-3 | MgCl2 | 5,6 | MgCO3 | 1,2 . 10-3 | MgSO4 | 2,4 |
| CaF2 | 2,0 . 10-4 | CaCl2 | 5,4 | CaCO3 | 1,5 . 10-4 | CaSO4 | 0,015 |
| SrF2 | 1,0 . 10-3 | SrCl2 | 3,0 | SrCO3 | 7,0 . 10-4 | SrSO4 | 0,005 |
| BaF2 | 1,0 . 10-2 | BaCl2 | 1,5 | BaCO3 | 1,0 . 10-4 | BaSO4 | 10-5 |
Neben der Temperatur hängt die Löslichkeit von Salzen einerseits von der Gitterenergie und andererseits der Hydrationsenergie ab.
Die Gitterenergie nimmt als Folge der Radienzunahme der Kationen ab. Dies würde eine Zunahme der Löslichkeit erklären. Gleichzeitig nimmt aber mit steigendem Ionenradius die Hydrationsenergie ab. Dies wirkt der Löslichkeit entgegen. Als Folge der beiden gegenläufigen Effekte tritt bei einigen Werten für die Löslichkeit in der Tabelle bei einem bestimmten Salz ein Minimum auf.
Fällungsreaktionen
Die Schwerlöslichkeit von Salzen macht man sich in der analytischen Chemie oder in der Umwelttechnik zu Nutze. So lassen sich z.B. Chlorid-Ionen im Trinkwasser nachweisen, indem man eine Probe mit einigen Tropfen Silbernitratlösung versetzt. Tritt eine schwache Trübung (AgCl-Niederschlag) auf, so deutet dies auf Chlorid-Ionen hin, die aus der Chlorierung des Trinkwassers stammen. Der Einfachheit halber wird die Reaktionsgleichung am Beispiel Natriumchlorid formuliert:
Na+ + Cl– + Ag+ + NO3–
AgCl + Na+ + NO3–
Es treffen hier Silber-Ionen und Chlorid-Ionen aufeinander, die zusammen ein schwer lösliches Salz bilden. Diesen Reaktionstyp verwendet man auch, um Schwermetalle aus Abwässern auszufällen.
Kristallwasser
Salze können in kristalliner Form aus ihren Lösungen zurückgewonnen werden, indem man diese vorsichtig eindampft. Dabei müssen die Ionen ihre Hydrathüllen abstreifen und zu einem Ionengitter zusammentreten. Geschieht das Abstreifen der Hydrathülle nur unvollständig, werden Wassermoleküle mit in das Ionengitter eingebaut. Zwischen den oft vergleichsweise großen Ionen bleiben im Gitter Hohlräume, in die die sehr kleinen Wassermoleküle eingelagert werden können. Die Zahl der Wassermoleküle im Ionengitter ist nicht willkürlich sondern von Salz zu Salz unterschiedlich, aber eben charakteristisch. Man spricht von Kristallwasser.
Calciumchlorid existiert als wasserfreies (CaCl2) und als wasserhaltiges Salz (CaCl2 . 6 H2O). Beim Lösen von wasserfreiem Calciumchlorid tritt eine Erwärmung auf, im anderen Fall eine Abkühlung. Die Hydrationsenergie beim wasserfreien Salz ist höher als beim wasserhaltigen, dessen Ionen bereits teilweise hydratisiert sind.
Andere Beispiele für Salze, die Kristallwasser enthalten können, sind:
Kupfersulfat (CuSO4 . 5 H2O), wo das Kristallwasser zu einer charakteristisch blauen Färbung der Kristalle führt. Wasserfreies Kupfersulfat erscheint weiß.
Cobaltchlorid (CoCl2 . 6 H2O) ist lila, in seiner wasserfreien Form hellblau.