3.1.4 Anwendungsbeispiele in Industrie und Technik 1

Das Haber-Bosch-Verfahren

Ammoniak – ein bedeutender Stoff

Ammoniak (NH3) ist eine Chemikalie von großer Bedeutung in der Chemie. Er wird zur Herstellung von Düngemitteln (80%), Sprengstoffen (5%), Salpetersäure, Kunststoffen, pharmazeutischen Produkten und anderem benötigt. Seine Herstellung erfolgt aus Luftstickstoff und Wasserstoff:

N2 + 3 H2 → 2 NH3

Bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts erkannte Justus Liebig die Bedeutung der Pflanzendüngung, um ausreichende Erträge in der Landwirtschaft zu erzielen. Neben anderen Mineralien spielen Stickstoffverbindungen für die Pflanzenernährung eine große Rolle, insbesondere das Nitrat. Man baute Salpeter in Chile ab und versorgte damit die Landwirtschaft in Deutschland um die Jahrhundertwende. Es galt, die wachsende Bevölkerung zu ernähren. Erste Versuche, Nitrate über Stickoxide herzustellen, wurden wieder eingestellt.

Das Verfahren

1903 ging Fritz Haber den Weg über Ammoniak. In Versuchsanlagen gelang die Herstellung aus Luftstickstoff und Wasserstoff. Die Luft mit ihrem Stickstoffanteil von 78% ist eine unerschöpfliche Stickstoffquelle. Die Reaktivität des N2 ist jedoch wegen der Dreifachbindung im Molekül extrem gering. Anders ausgedrückt: Die Aktivierungsenergie ist sehr hoch. Die Synthese des Ammoniaks unter Laborbedingungen gelang Fritz Haber unter Einsatz eines Katalysators. Er verwendete damals zunächst Osmium. Carl Bosch, Chemiker bei BASF, setzte sich bei seiner Firmenleitung für die Weiterentwicklung bis zur technischen Reife ein. Theoretische Erkenntnisse über Reaktionsgeschwindigkeit und chemisches Gleichgewicht stammten u.a. von Walter Nernst. 1909 gelang die kontinuierliche Synthese von Ammoniak (80g/Stunde).

Die Gleichgewichtseinstellung

N2 + 3 H2 ⇌ 2 NH3 (DH = – 92 kJ/mol)

ist wegen der hohen Aktivierungsenergie des Stickstoffs gehemmt. Als Katalysator verwendete man später Eisen, Tonerde (Al2O3) und Kaliumoxid. Doch dieser Katalysator erfordert eine Temperatur von über 400°C, um voll wirksam zu werden. Da die Hinreaktion jedoch exotherm ist, führt eine Temperaturerhöhung zu einer Verschiebung des Gleichgewichts nach links. Um die Ausbeute an Ammoniak zu steigern, erhöht man schließlich den Druck. Denn nach dem Prinzip vom kleinsten Zwang muss sich das Gleichgewicht nun nach rechts verschieben: An der Reaktion sind ausschließlich Gase beteiligt, deren Teilchenzahl sich bei der Hinreaktion verringert. Aus einem Molekül Stickstoff und drei Molekülen Wasserstoff werden zwei Moleküle Ammoniak. Dies führt zu einer Druckminderung und damit zu einem Abbau des äußeren Zwangs. Eine weitere Möglichkeit die Ausbeute zu erhöhen besteht darin, das Reaktionsprodukt aus dem System zu entfernen. Man verflüssigt das zunächst gasförmige Ammoniak und entfernt es so aus der Reaktionszone. Die übrigen Gase werden nach Zufuhr von Frischgas wieder komprimiert und in den Kontaktofen zurückgeführt. In der Praxis erzielt man unter den gegebenen Bedingungen etwa einen Gleichgewichtsanteil von 11% Ammoniak.

Haber-Bosch.svg

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Die Reaktionsbedingungen im Überblick:

Temperatur: 500°C
Druck:          200 bar
Katalysator:  Fe, Al2O3, K2O

Die erste Ammoniak-Fabrik ging in Deutschland 1913 in Betrieb. Man leitete Wasserdampf über glühende Kohle, um die großen Mengen an Wasserstoff zu erzeugen, die erforderlich waren. Als 1914 der 1. Weltkrieg begann, wurde das Verfahren zur Gewinnung von Salpeter genutzt, ohne den dem Militär bald das Schießpulver ausgegangen wäre.

Trotz seines Engagements in der Entwicklung und im Einsatz von Giftgas im 1. Weltkrieg wurde Fritz Haber 1918 der Nobelpreis für die Ammoniaksynthese verliehen. Walter Nernst erhielt den Nobelpreis 1920, Carl Bosch musste bis 1931 warten.

Das Kontakt-Verfahren

Schwefelsäure – eine Grundchemikalie

Noch mehr als Ammoniak ist die Schwefelsäure ein wichtiges Ausgangsprodukt für eine Vielzahl von Produkten in der chemischen Industrie. Der größte Teil findet ebenfalls in der Düngemittelindustrie Verwendung. Aber auch bei der Herstellung von Sprengstoffen, als Elektrolyt in „Autobatterien“ oder in der Waschmittelindustrie wird sie eingesetzt. Insgesamt gibt es bis zu 1000 verschiedene Einsatzmöglichkeiten.

Chemische Grundlagen des Verfahrens

Das Anhydrid der Schwefelsäure, das SO3, lässt sich nicht direkt aus den Elementen gewinnen. Verbrennt man Schwefel direkt, so führt dies überwiegend zu SO2. Man erhält SO3 über die Oxidation von SO2 mit Sauerstoff.

2 SO2  +  O⇌ 2 SO3        DH = – 197 kJ/mol

Da auch hier die Hinreaktion exotherm ist und bei hoher Temperatur verläuft, ist die Ausbeute an Schwefeltrioxid gering. Obwohl bei Raumtemperatur das Gleichgewicht auf der Seite des Schwefeltrioxids liegt, reagieren die Edukte kaum miteinander. Eine wirtschaftliche Ausbeute wird daher auch hier erst mit Katalysatoren möglich. Im Laborversuch eignet sich Platinasbest zur Katalyse. Dies muss mäßig erhitzt werden, um SO3 als Rauch zu erhalten.

Im industriellen Verfahren verwendet man aus Kostengründen das billigere Vanadinpentoxid (V2O5) als Katalysator (Mit diesem müssen die Ausgangsstoffe in Kontakt gebracht werden. Der Katalysator wurde früher auch als „Kontakt“ bezeichnet, woher der Name Kontakt-Verfahren stammt). Bei einer Temperatur von etwa 500°C und Sauerstoff im Überschuss (mehr als aus stöchiometrischen Gründen erforderlich) erhält man eine Ausbeute von um die 98%. Hohe Drücke, wie beim Haber-Bosch-Verfahren, sind nicht erforderlich.

Zur Aufrechterhaltung der optimalen Temperatur von etwa 500°C muss Wärme ständig abgeführt werden. Mit einem Teil dieser Energie wird das Schwefeltrioxid-Luft-Gemisch auf etwa 400°C vorgewärmt, bevor es in die Kontaktrohre geleitet wird. Durch Zuleitung von kaltem Gas (Zweigleitung) kann die Temperatur nach Bedarf reguliert werden.

Um Schwefelsäure aus ihrem Anhydrid zu gewinnen, müsste man eigentlich nur Wasser zusetzen:

SO3  +  H2O → H2SO4

Die Reaktion ist jedoch so stark exotherm, dass ein Teil des Schwefeltrioxids wieder als Gas verloren ginge.
Man leitet das Schwefeltrioxid daher in konzentrierte Schwefelsäure ein und hydrolysiert das Produkt in einem zweiten Schritt:

1. Schritt: SO3  +  H2SO4 → H2S2O7 (Dischwefelsäure)
2. Schritt: H2S2O7  +  H2O → 2 H2SO4

Das hochkonzentrierte Zwischenprodukt gibt verdunstendes SO3 an die Luft ab. Es wird daher auch als „rauchende Schwefelsäure“ oder „Oleum“ (lat. für Öl) bezeichnet. Vorsichtiges Verdünnen mit Wasser liefert konzentrierte Schwefelsäure mit einer Konzentration von etwa 98%.