Organisationstypen der Fertigung

Situation:

Die FAHRRADWELT AG fertigt derzeit ihre Fahrräder in Reihenfertigung. Sie ist allerdings mit der derzeitigen Fertigungsorganisation unzufrieden und zieht in Erwägung die Produktion neu auszurichten, um einerseits Kosten zu reduzieren und die steigende Nachfrage zu decken. Sie muss sich Gedanken darüber machen, wie sie in Zukunft Betriebsmittel in der Fertigung anordet, also welchen Organisationstyp der Fertigung sie zukünftig einsetzen will.

Organisationstypen der Fertigung – Fertigungsverfahren nach der Anordnung der Betriebsmittel

Jeder Produktionsbetrieb hat die Möglichkeit, natürlich auch abhängig von seinem Produktionsprogramm, unterschiedliche Fertigungsorganisationen einzusetzen. Abhängig von der räumlichen Anordnung der Arbeitsplätze sowie Betriebsmittel und der Gestaltung der Wege von Rohmaterial und Teilerzeugnissen im Produktionsprozess werden verschiedene Organisationstypen der Fertigung unterschieden.

Werkstättenfertigung

Durch die räumliche Bündelung von Maschinen, die für gleiche oder ähnliche Arbeitsvorgänge eingesetzt werden, ist eine Werkstättenfertigung möglich. In den sog. Werkstätten z.B. die Lackierei oder die Fräserei eines Unternehmens werden an verschiedenen Werkstücken gleiche Tätigkeiten verrichtet. Die Aufteilung der Werkstätten erfolgt nach dem Verrichtungsprinzip. Bis das Endprodukt endgültig fertig ist, wird es von einer Werkstatt zur Bearbeitung in die nächste Werkstatt usw. weitergereicht. Häufig wird dieser Organisationstyp im Bereich der Werkzeugmaschinenindustrie verwendet.

Zu unterscheiden von der Werkstättenfertigung ist die sog. Werkstattfertigung. So wird bspw. im Handwerk ein Produkt in einer Werkstatt, die mit unterschiedlichen Maschinen ausgestattet ist, gefertigt. In der Industrie ist dieser Organisationstyp nicht üblich.

Fließfertigung

Die Aufteilung der einzelnen Arbeitsschritte bei der Fließfertigung erfolgt im Sinne des Fertigungsablaufs vom Werkstoff bis hin zum Endprodukt. Jeder Arbeitsplatz verrichtet am gleichen Fertigungsobjekt eine andere Tätigkeit  (Objektorientierung). Dabei werden die notwendigen Verrichtungen zeitlich exakt abgestimmt (Taktzeit), wodurch Zwischenlager entfallen. In der Regel gibt ein Fließband die Geschwindigkeit der Arbeitsverrichtung für die Arbeitnehmer an.

Reihenfertigung

Im Gegensatz zur Fließfertigung sind die einzelnen Arbeitsschritte bei der Reihenfertigung zeitlich nicht genau getaktet (z.B. aufgrund einer hohen Produktvariation), aber auch hier ist die Fertigung in der Reihenfolge des Produktionsablaufs angeordnet. Zum zeitlichen Ausgleich lagern die einzelnen Fertigungsstellen ihre Teilerzeugnisse in Zwischenlagern bis diese wieder von der nächsten Fertigungsstelle benötigt werden.

Gruppenfertigung

Gleiche Bauteile oder Erzeugnisse werden in einer Gruppe (auch Insel genannt) produziert, die letztlich alle notwendigen Betriebsmittel besitzt. Die Gruppe trägt die Verantwortung für den Zusammenbau größerer Werkstücke oder stellt in Fertigungsinseln Produkte mit ähnlichen Fertigungsanforderungen vollständig her. Die Gruppe (teilautonome Arbeitsgruppe) erhält nach zentraler Zuweisung eines Auftrags, die gesamte Verwantwortung für den Produktionsprozess, den sie auch eigenständig steuert.  Dies umfasst die Arbeits- und Terminplanung, die Wartung der Maschinen wie auch die Qualitätskontrolle der Erzeugnisse (Planung, Steuerung und Kontrolle). Dabei werden Arbeitsgeschwindigkeit und Arbeitsteilung von der Gruppe selbst bestimmt, in manchen Fällen sogar die Entlohnung. Maschinen werden meistens in Fließrichtung aufgebaut. Bei diesem Organisationstyp werden Elemente der Werkstättenfertigung und der Fließfertigung sinnvoll kombiniert, um die Vorteile dieser Organisationstypen zu nutzen und deren Nachteile gering zu halten.

Baustellenfertigung

Vornehmlich wird dieser Organisationstyp bei der Fertigung von Großprojekten wie bspw. Hoch- und Tiefbau, Brückenbau eingesetzt. Das Produkt wird hier an einer Baustelle produziert, es ist folglich nicht beweglich und ortsgebunden. Betriebsmittel, Arbeitnehmer und Werkstoffe werden zur Baustelle gebracht, um das Produkt zu fertigen. Lediglich der zeitliche Ablauf kann für die einzelnen Arbeitsschritte anhand von Bauablaufplänen organisiert werden. Sofern es möglich ist, werden Teile bereits vorab in Fabriken hergestellt und dann zur Baustelle transportiert, sodass vor Ort hauptsächlich montiert werden kann.

Mass Customization als Kompromiss – Abstimmung von Fertigungstiefe und -breite und Fertigungsverfahren

Kunden möchten heutzutage gerne darüber entscheiden, wie ihre Produkte am Ende aussehen. Die  Produkte müssen zeitgleich zu akzeptablen Preisen angeboten werden. Unternehmen sind also gefordert, um Lösungen finden, ihre Produkte einerseits kostengünstig zu produzieren und den Kunden dennoch die Möglichkeit der Individualisierung zu bieten. In diesem Zusammenhang kommt die sog. Mass Customization (kundenindividuelle Massenfertigung) ins Spiel. Unternehmen fertigen Grund- bzw. Basisprodukte, die Kunden gemäß ihrer individuellen Kundenwünsche konfigurieren können. Die Grund- bzw. Basisprodukte werden in Großserie produziert. Diese moderne Form der Massenfertigung findet sich nahezu in allen Branchen wieder wie bspw. in der Automobilbranche oder auch der Lebensmittelbranche (z.B. mymüsli). Bekannte Unternehmen wie Nike (NikeID) oder Adidas (miAdidas) setzen diesen Fertigungstyp bei ihren Sportschuhen ein. Kunden können einen einmal ausgesuchten Sportschuh in seiner Farbe, dem Material und dem Logo verändern.

Der folgende Film zeigt einen guten Einblick in die Thematik der Mass Customization.

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Die FAHRRADWELT AG könnte bspw. in Zukunft in Fließfertigung produzieren. Somit wäre es möglich in großen Mengen Fahrräder herzustellen und die Fertigungskosten aufgrund von geringeren Transportwegen, wegfallenden Zwischenlagern etc. zu senken. Auch Mass Customization wäre eine mögliche Idee.

Organisationstypen: Aufgaben

Testen Sie Ihr Wissen an folgendem Beispiel:

Aufgaben:

1 Die KAR AG, ein industrieller Hersteller für Autositz-Garnituren, fertigt ihre Produkte Just-in-Sequenz, d. h. genau nach der Produktionsreihenfolge der speziellen Kundenauftragseingänge. In der Produktion führt jeder Mitarbeiter aktuell je einen Arbeitsschritt aus (z. B. Verkabelung anbringen). Die für die Produktion der Sitze erforderlichen Arbeitsschritte können dem folgenden vereinfachten Produktionsablaufplan entnommen werden.

1.) Sitzwanne auf das Band stellen

2.) Anbringen des Plotters im Falle einer Sitzerkennung

3.) Anbringen der Sitzheizungsmatte (variantenabhängig)

4.) Anbringen der Verstellmotoren

5.) Anbringen der Lordosenstütze für den Airbag und die Verkabelung

6.) Anbringen der Verkabelung

7.) Anbringen der Kopfstützentüllen

8.) Polsterung der Vordersitzlehne rechts

9.) Polsterung des Vordersitzlehne links

10.)Polsterung der Rücksitzlehne

11.)Hochzeit der Lehnen mit dem Unterbau (Verschraubung)

12.)Montage der Sitzkissen

13.)Montage der Kopfstützen

Die Produktionsleitung möchte den Produktionsablauf verändern, da es aktuell oft zu hohen Produktionsausfallzeiten und Mitarbeiterunzufriedenheit aufgrund von monotonen Arbeitsschritten kommt. Zudem möchte die Unternehmensleitung seinen Kunden eine größere Variantenvielfalt (unterschiedliche Bezugstoffe in vielen verschiedenen Materialien und vielen verschiedenen Farben) ermöglichen. Analysieren Sie die vorliegende Produktionssituation und machen Sie einen begründeten Vorschlag für einen Ihrer Meinung nach geeigneten Organisationstyp.

Siehe. https://www.lehrplanplus.bayern.de/sixcms/media.php/72/BwR11%20Produktion%20Organisationstypen%20Aufgabe.pdf, Erstellt von Haike Baron, Anja Heßlinger, Christa Funk-Loheit und Karl Heinz Wühr, Oktober 2016 (aufgerufen am 14.07.2018)

2 Die BOS AG ist internationaler Hersteller von Solaranlagen und plant die bisher eingesetzte Reihenfertigung durch Fließfertigung zu ersetzen.

2.1 Beschreiben Sie zwei Merkmale der Reihenfertigung.

2.2 Diskutieren Sie mögliche Probleme des Einsatzes von Fließfertigung bei der BOS AG. Gehen Sie dabei auf die Sicht des Unternehmens und die der Mitarbeiter der BOS AG ein.

Lösungen

Aus der dargestellten Situation ist die Fließfertigung als Organisationstyp erkennbar. Dies lässt sich an der Tatsache, dass eine bzw. ein Mitarbeiterin/Mitarbeiter
e einen einzelnen Arbeitsschritt hochspezialisiert ausführt, festmachen. Da die Unternehmensleitung eine größere Variantenvielfalt bieten möchte und zudem
eine hohe Produktionsausfallzeit vorliegt, bietet sich die Beibehaltung der Fließbandfertigung nicht an. Eine Umstellung auf Gruppenfertigung (Mass Customization)
wird empfohlen, um die Produktions- und Unternehmensziele erfüllen zu können. Weiterhin ermöglicht die Inselfertigung einen flexiblen Personaleinsatz
in Form von Job-Enlargement. Somit kann die Mitarbeiterzufriedenheit im Vergleich zur jetzigen Situation deutlich erhöht werden. Einzelne variantenbezogene
Arbeitsschritte, die unregelmäßig stattfinden, können bei der Inselfertigung leichter eingebunden werden, ohne unnötige Leerlaufzeiten bei der Mitarbeiterauslastung in Kauf nehmen zu müssen.

Die Reihenfertigung ist durch eine Fertigung in der Reihenfolge des Produktionsablaufs gekennzeichnet. Es sind Zwischenlager für Teilerzeugnisse für die einzelnen Fertigungsstellen von Nöten, um einen zeitlichen Ausgleich zu ermöglichen.

Die Fließfertigung ermöglicht die Produktion von großen Mengen oder größeren Serien. Allerdings ist die Flexibilität in der Fertigung eingeschränkt, da die Maschinen, zum Teil auch Spezialmaschinen, nur mit hohen Kosten oder zum Teil auch gar nicht umgerüstet werden können. Darüber hinaus ist die monotone Ausführung der auszuführenden Tätigkeiten am Fließband für die Mitarbeiter in der Regel demotivierend. Die Arbeitszufriedenheit der Arbeitnehmer wird folglich negativ beeinflusst.

Basierend auf den LIS-Aufgabenbeispielen des ISB:

Erstellt von Haike Baron, Anja Heßlinger, Christa Funk-Loheit und Karl Heinz Wühr, Oktober 2016 (aufgerufen am 14.07.2018)