Abschlussprüfung 2020, Teilbereich I

Hinweise:

Bearbeiten Sie alle Aufgaben.

Bei der jeweiligen Lösung sind auch die Ansätze für die einzelnen Lösungsschritte sowie die dazugehörigen Nebenrechnungen niederzuschreiben.

Gebräuchliche Abkürzungen sollen verwendet werden. Geldbeträge und Prozentsätze sind grundsätzlich auf zwei Kommastellen zu runden.

Der Umsatzsteuersatz beträgt 19 % bzw. 7 % für Umsätze im Inland. Für Umsätze mit dem Ausland bleibt die Umsatzsteuer unberücksichtigt.

Aufgabe I

Die BELJAK AG mit Sitz in München ist ein international führendes Unternehmen, das sich auf die Herstellung und den Vertrieb elektronischer Steuerungselemente spezialisiert hat.

Sie gilt als große Kapitalgesellschaft im Sinne des Handelsgesetzbuches (HGB). Die Bewertung im Rahmen des Jahresabschlusses erfolgt nach den Vorschriften des HGB (Geschäftsjahr 01.01. – 31.12.2019).

Als Mitarbeiter der BELJAK AG sind Sie in unterschiedlichen betrieblichen Funktionsbereichen tätig. Sie bereiten Entscheidungen vor, werten Daten aus und beraten die Unternehmensleitung.

Aufgabe 1

Im Zusammenhang mit der Bewertung zum 12.2019 sind in der Abteilung Rechnungswesen noch verschiedene Aufgaben zu bearbeiten. Die Unternehmensleitung hat Sie gebeten, alle Möglichkeiten zu nutzen, um den Gewinnausweis der BELJAK AG möglichst gering zu halten.

Aufgabe 1.1

Die Saldenbilanz der BELJAK AG weist vor Bewertung der Forderungen zum 12.2019 u. a. folgende Werte aus:

Forderungen aus Lieferungen und Leistungen     661.640,00 €
Einzelwertberichtigung zu Forderungen               11.300,00 €
Pauschalwertberichtigung zu Forderungen          10.500,00 €

Zum Bilanzstichtag am 31.12.2019 werden folgende Forderungen als zweifelhaft eingestuft:

Kunde Forderungsbetrag voraussichtlicher Eingang
LEERER AG 26.180,00 € 20 %
SCHÖHLER GmbH 22.848,00 € 12.566,40 €

Die BELJAK AG erhöht den Delkrederesatz zum 31.12.2019 gegenüber dem Vorjahr von 1,00 % auf 1,50 %.

Ermitteln Sie den Bilanzansatz der Forderungen zum 31.12.2019 und erläutern Sie einen möglichen Grund für die Anpassung des Pauschalwertberichtigungsbetrags zum 31.12.2019. (7 BE)

Aufgabe 1.2

Aus der Finanz- und Lagerbuchführung der BELJAK AG liegen für die Bewertung eines Betriebsstoffs folgende Informationen vor:

Zum 31.12.2018 waren 30.000 Liter des Betriebsstoffs auf Lager, wobei ein Liter (l) des Betriebsstoffs mit 0,41 € bewertet wurde.

Während des Jahres 2019 erfolgten nur zwei Lieferungen, für die folgende Daten vorliegen:

Datum Menge Bezugspreis
19.06. 70.000 l 0,50 €/l
12.12. 90.000 l 0,53 €/l

Zum 31.12.2019 sind noch 50.000 l des Betriebsstoffs auf Lager.

Der Marktpreis für diesen Betriebsstoff zum 31.12.2019 beträgt 0,54 €/l. Zur Bewertung des Betriebsstoffs wendet die BELJAK AG das Durch- schnittswertverfahren an.

Aufgabe 1.2.1

Ermitteln und begründen Sie den Bilanzansatz des Betriebsstoffs zum 12.2019. (5 BE)

Aufgabe 1.2.2

Nach Anwendung eines alternativen Bewertungsverfahrens könnte der Schlussbestand des Betriebsstoffs auch mit 300,00 € bewertet werden.

Vergleichen Sie die Auswirkung der Anwendung der beiden Bewertungsverfahren auf den Erfolg der BELJAK AG des Jahres 2019. (2 BE)

Aufgabe 1.3

Am 05.2019 erwarb die BELJAK AG Aktien mit Anschaffungskosten in Höhe von 520.000,00 € zur langfristigen Vermögensanlage.

Zum 31.12.2019 beträgt der Wert dieser zum Marktpreis bewerteten Aktien aufgrund einer als kurzfristig einzustufenden Wertminderung nur noch 450.000,00 €.

Ermitteln und begründen Sie den Bilanzansatz für die Aktien zum 31.12.2019. (4 BE)

Aufgabe 1.4

Die BELJAK AG erwarb am 08.2017 im Raum München ein Grundstück mit einem Verwaltungsgebäude zu einem Kaufpreis in Höhe von insgesamt 2.000.000,00 €. Davon entfielen 500.000,00 € auf das Grundstück. Im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gesamtobjekts lagen zudem folgende Werte vor:

Grunderwerbsteuer 3,5 %
Grundbuchgebühren 8.400,00 €
Notargebühren netto 21.600,00 €

Die Nutzungsdauer für das Verwaltungsgebäude beträgt 33 ⅓ Jahre. Aufgrund der seit Jahren anhaltend steigenden Preise für Immobilien im Raum München schätzt ein Gutachter zum 31.12.2019 den Wert des Grundstücks auf 610.000,00 € und den des Verwaltungsgebäudes auf 1.800.000,00 €. Der Bilanzansatz für das Grundstück zum 31.12.2019 wurde bereits ermittelt.

Berechnen und begründen Sie den Bilanzansatz für das Verwaltungsgebäude zum 31.12.2019. (7 BE)

Aufgabe 2

Für den Jahresabschluss 2019 stellt die BELJAK AG die Werte der Eigenkapitalpositionen zum 12.2018 und 31.12.2019 vor Ergebnisverwendung gegenüber (Werte in Tsd. €):

2018 2019
Gezeichnetes Kapital 20.000 24.000
Kapitalrücklage 460 2.060
Gesetzliche Rücklage 282 300
Andere Gewinnrücklagen 680 700
Verlustvortrag 20 0
Gewinnvortrag 0 10
Jahresüberschuss 380 850

Der Nennwert aller Aktien beträgt 5,00 € je Stück. Zum 01.05.2019 führte die BELJAK AG eine ordentliche Kapitalerhöhung durch.

Im Vorfeld erwartete man sich von dieser Kapitalerhöhung einen Mittelzufluss in Höhe von 6.800 Tsd. €.

Der Hauptversammlung liegen folgende Vorschläge zur Gewinnverwendung zum 31.12.2019 vor.

Vorschlag 1:

Nach Erfüllung der Vorgaben gemäß § 150 AktG sollen in die anderen Gewinnrücklagen 140 Tsd. € eingestellt werden.

Der verbleibende Bilanzgewinn soll zur Zahlung der höchstmöglichen Dividende in ganzen Cent verwendet werden. Die jungen Aktien sind dabei zeitanteilig dividendenberechtigt. Daraus würde sich eine offene Selbstfinanzierung in Höhe von 170 Tsd. € ergeben.

Vorschlag 2:

Nach Erfüllung der Vorgaben gemäß § 150 AktG sollen die anderen Gewinnrücklagen unverändert bleiben.

Der verbleibende Bilanzgewinn soll zur Zahlung der höchstmöglichen Dividende in ganzen Cent verwendet werden. Die jungen Aktien sind dabei zeitanteilig dividendenberechtigt.

Nach Diskussionen wird der Vorschlag 2 in der Hauptversammlung beschlossen.

Aufgabe 2.1

Erstellen Sie für die BELJAK AG die vollständige Ergebnisverwendungsrechnung für das Jahr 2019. (8 BE)

Aufgabe 2.2

Berechnen Sie die offene Selbstfinanzierung des Jahres 2019 und zeigen Sie den Grund für das unterschiedliche Ergebnis im Vergleich zu Vorschlag 1 auf. (3 BE)

Aufgabe 2.3

Erläutern Sie je eine Auswirkung, die die Realisierung des Vorschlags 1 im Vergleich zu Vorschlag 2 auf ein finanzwirtschaftliches Ziel der Unternehmung sowie auf ein mögliches Ziel der Aktionäre gehabt hätte. (3 BE)

Aufgabe 3

Bei der Herstellung der elektronischen Steuerungselemente ist im Rahmen der internen Weiterverarbeitung das Aufbringen einer Spezialbeschichtung

Hierfür will die BELJAK AG eine Beschichtungsmaschine erwerben.

Nach Prüfung mehrerer Alternativen stehen die Beschichtungsmaschinen A und B zur Auswahl, für die folgende Daten vorliegen:

Maschine A Maschine B
Anschaffungskosten in € 36.000,00 55.000,00
Preisindex 110,0 110,0
wirtschaftliche Nutzungsdauer in Jahren 5 5
Kalkulationszinssatz in % p. a. 6 6
sonstige fixe Kosten pro Jahr in € 1.200,00 1.500,00
Fertigungslöhne je Beschichtung in € 0,19 0,11
Fertigungsmaterial je Beschichtung in € 0,21 0,18
sonstige variable Kosten je Beschichtung in € 0,09 0,04
Kapazität in Beschichtungen pro Jahr 55.000 72.000
geplante Beschichtungen pro Jahr 48.000 48.000

Prüfen Sie mit Hilfe eines geeigneten Verfahrens der statischen Investitionsrechnung, welche Maschine beschafft werden soll. Zeigen Sie zusätzlich zwei qualitative Aspekte auf, welche die Investitionsentscheidung beeinflussen können. (6 BE)

Lösungen

Kunde Forderung

brutto

Forderung

netto

vorauss.

Ausfall in %

EWB
LEERER AG 26.180,00 22.000,00 80 17.600,00
SCHÖHLER GmbH 22.848,00 19.200,00 45 8.640,00
Summe 49.028,00 26.240,00
vorläufiger Saldo der Forderungen zum 31.12.2019 661.640,00
–   zweifelhafte Forderungen 49.028,00
einwandfreie Forderungen 612.612,00
–   Umsatzsteuer 97.812,00
PWB-Grundlage 514.800,00
Þ notwendige PWB (1,5 %) 7.722,00
vorläufiger Saldo der Forderungen zum 31.12.2019 661.640,00
– notwendige EWB 26.240,00
– notwendige PWB 7.722,00
Bilanzansatz Forderungen zum 31.12.2019 627.678,00

Die Pauschalwertberichtigung wird herabgesetzt. Da das allgemeine Ausfallrisiko gestiegen ist und der Delkrederesatz als Folge daraus erhöht wurde, kann die Ursache nur in der Verringerung der Höhe der bestehenden einwandfreien Forderungen liegen. Ein Grund dafür könnte z. B. in einem erheblichen Rückgang der Zielverkäufe zum Bilanzstichtag gegenüber dem Vorjahr liegen.

AB 01.01. 30.000l 0,41 12.300,00
+ Lieferung vom 19.06. 70.000 0,50 35.000,00
+ Lieferung vom 12.12. 90.000 0,53 47.700,00
Summe 190.000 95.000,00

Durchschnittswert: 95.000,00 / 190.000 = 0,50 €/l

Begründung Bilanzansatz:

– Betriebsstoffe werden als Umlaufvermögen bilanziert.

– Regelwert: 50.000 * 0,50 = 25.000,00 €

Marktpreis: 50.000 * 0,54 = 27.000,00 €

– Regelwert < Marktpreis; es ist über einen Wertheraufsetzungsfall zu entscheiden. – Es gilt das Anschaffungswertprinzip, d. h. die durchschnittlichen Anschaffungskosten stellen die absolute Wertobergrenze dar. Der höhere Marktpreis darf nicht angesetzt werden. – Bilanzansatz zum 31.12.2019: 25.000,00 €

Verbrauch nach dem Durchschnittswertverfahren: 95.000,00 – 25.000,00 = 70.000,00 € Verbrauch nach dem alternativen Bewertungsverfahren: 95.000,00 – 22.300,00 = 72.700,00 € Die Anwendung des alternativen Verfahrens würde im Vergleich zur Anwendung des Durchschnittswertverfahrens zu einem um 2.700,00 € niedrigeren Erfolg führen.
Begründung Bilanzansatz: – Diese Aktien werden als Wertpapiere des Finanzanlagevermögens – Regelwert: 520.000,00 € Marktpreis: 450.000,00 € – Regelwert > Marktpreis;

es ist über einen Wertherabsetzungsfall zu entscheiden.

– Es gilt das gemilderte Niederstwertprinzip.

Da eine vorübergehende Wertminderung vorliegt, kann der niedrigere Marktpreis angesetzt werden, muss aber nicht angesetzt werden. Da das Unternehmen einen möglichst niedrigen Gewinnausweis anstrebt, wird der niedrigere Marktpreis angesetzt.

– Bilanzansatz zum 31.12.2019: 450.000,00 €

Kaufpreis                            1.500.000,00

Grunderwerbsteuer               52.500,00      (1.500.000,00 * 0,035)

Grundbuchgebühren               6.300,00      (8.400,00 * 0,75)

Notargebühren                     16.200,00      (21.600,00 * 0,75)

Anschaffungskosten (AK)   1.575.000,00

planmäßige Abschreibung 31.12.2017:

1.575.000,00 * 0,03 / 12 * 5 =   19.687,50 €

planmäßige Abschreibung 31.12.2018: 47.250,00 €

planmäßige Abschreibung 31.12.2019: 47.250,00 €

fortgeführte AK (Regelwert): AK – planmäßige Abschreibungen Regelwert: 1.575.000,00 – 114.187,50 =1.460.812,50 €

Begründung Bilanzansatz Verwaltungsgebäude:

– Das Verwaltungsgebäude ist als abnutzbares Sachanlagevermögen bilanziert.

– Regelwert: 1.460.812,50 €

beizulegender Wert: 1.800.000,00 €

– Regelwert < beizulegender Wert;

es ist über einen Wertheraufsetzungsfall zu entscheiden.

– Es gilt das Anschaffungswertprinzip, d.h. die fortgeführten Anschaffungskosten stellen die absolute Wertobergrenze dar. Der höhere beizulegende Wert darf nicht angesetzt werden.

– Bilanzansatz zum 31.12.2019: 1.460.812,50 €

Einstellung in die gesetzliche Rücklage nach § 150 AktG
Ermittlung des Fehlbetrages

der gesetzlichen Rücklage

<-> Ermittlung des maximalen

Einstellungsbetrages

10 % des gez. Kap:

24.000.000,00 * 0,1 =

2.400.000,00

5 % vom abzgl. VV:

0,05 * (850.000,00 – 0,00) =

42.500,00

abzüglich (KRL + ges. RL): (2.060.000,00 + 300.000,00) =

2.360.000,00

Fehlbetrag: 40.000,00 maximaler Einstellungsbetrag:

42.500,00

Einstellung in die gesetzliche Rücklage: 40.000,00 €

Jahresüberschuss                                                                                   850.000,00

+   Gewinnvortrag aus dem Vorjahr                                                     10.000,00

– Einstellung gesetzliche Rücklage                                                      40.000,00

– Einstellung andere Gewinnrücklagen                                                        0,00

= Bilanzgewinn                                                                                    820.000,00

– Div. Altaktien                                          (0,18 * 4.000.000)        720.000,00

Div. Jungaktien (0,12 * 800.000)                                                   96.000,00

= Gewinnvortrag für 2020                                                                   4.000,00

Anzahl alte Aktien: 20.000.000,00 / 5,00 = 4.000.000 Stück

Anzahl junge Aktien: 4.000.000,00 / 5,00 = 800.000 Stück

820.000,00 = 4.000.000 * Stückdiv(alt) + 800.000 * Stückdiv(alt) * (8 / 12)

Stückdividende alte Aktien: 0,18088 -> 0,18 €

Stückdividende junge Aktien: 0,18 * (8 / 12) = 0,12 €

Offene Selbstfinanzierung 2019: 850.000,00 – 816.000,00 = 34.000,00 €

Die offene Selbstfinanzierung des Vorschlags 2 mit 34.000,00 € fällt im Vergleich zum Vorschlag 1 mit 170.000,00 € deutlich geringer aus.

Eine Ursache hierfür ist der Verzicht auf die Einstellung in die anderen Gewinnrücklagen.

z.B.: Durch die Erhöhung des Eigenkapitals entsteht ein größerer Finanzierungsspielraum mit eigenen Mitteln. Damit werden eventuell geringere Kredite benötigt. So könnte die Unabhängigkeit gegenüber den Kreditgebern vergrößert bzw. beibehalten werden.

z.B.: Die Erhöhung der anderen Gewinnrücklagen würde zu einem niedrigeren Bilanzgewinn führen. Für die Aktionäre würde dadurch die Dividende sinken. Dem möglichen Aktionärsinteresse, eine höchstmögliche Dividende zu erzielen, würde nicht Rechnung getragen.

Maschine A Maschine B
kalkulatorische Abschreibung 7.920,00 12.100,00
kalkulatorische Zinsen 1.080,00 1.650,00
sonstige fixe Kosten 1.200,00 1.500,00
gesamte fixe Kosten 10.200,00 15.250,00
variable Stückkosten 0,49 0,33
variable Gesamtkosten 23.520,00 15.840,00
Gesamtkosten 33.720,00 31.090,00

Der Unternehmensleitung ist aufgrund der niedrigeren Gesamtkosten die Anschaffung von Maschine B zu empfehlen.

Qualitative Aspekte, die die Investitionsentscheidung beeinflussen können, sind beispielsweise die Umweltverträglichkeit der Produktion und die Serviceleistungen des Lieferanten.