Übung materialgestütztes Erörtern

Aufgabe

Im Zuge der voranschreitenden öffentlichen Diskussion über den Verlust der Privatheit des Einzelnen wollen Sie sich eine Meinung bilden.

Arbeitsauftrag:
Diskutieren Sie, ob die Speicherung des Fingerabdrucks auf dem Personalausweis sinnvoll ist.
Formulieren Sie dabei nur zwei Argumente aus und beziehen Sie dabei nicht nur Ihre persönlichen Erfahrungen, sondern auch die folgenden Materialien mit ein.

Achten Sie außerdem auf sprachliche Korrektheit sowie eine saubere Darstellung.

Material 1

Text

Schlimme Finger
von Heribert Prantl

Wenn das so weitergeht, wird es in zehn Jahren am Sitz von Europol in Den Haag eine Zentrale Bürgererfassungsstelle geben. Dort werden dann die digitalen Fingerabdrücke von 450 Millionen Europäern gespeichert und für Sicherheitsbehörden abrufbar sein – von Verdächtigen und Unverdächtigen, Bescholtenen und Unbescholtenen, von Jungen, Alten und Kindern. Weitere zehn Jahre später wird man sich mit dem Registrieren digitaler Fingerlinien nicht mehr begnügen wollen; man wird auch die DNA-Profile speichern wollen, weil das, wie es heißen wird, noch mehr Sicherheit bringt. Das Konzept der Prävention hat keine eingebaute Bremse; es kennt keine Verhältnismäßigkeit; es will immer mehr.

Also muss jetzt der Gier nach immer mehr Erfassung Einhalt geboten werden. Warum? Die EU-Kommission will digitale Fingerabdrücke in allen Ausweispapieren der EU-Staaten zur Pflicht machen.

Das ist der Schritt hin zur Totalerfassung. Bisher gab es in Deutschland den Fingerabdruck nur im Reisepass; den muss man sich nicht ausstellen lassen, man braucht ihn nur für große Reisen. Ein Personalausweis indes ist für jeden Pflicht. Gegen diese Pflicht ist an sich nichts zu sagen, gegen Totalerfassung schon. Eine Pflicht zur Totalerfassung gibt es nicht. Im Gegenteil: Sie ist ein Kennzeichen von Zwangssystemen. 

(Quelle: Süddeutsche Zeitung online, 19.04.2018)

Material 2

Falscher-Fingerabdruck-Handwerkszeug – die digitale Datenback und ein versierter Hacker machen’s möglich

Zur Karikatur

(Quelle: wiedenroth-karikatur.de, 19.07.22)

Material 3

Wünschen Sie, obwohl es keine Speicherpflicht geben wird, dass Ihr Fingerabdruck dennoch in Ihrem Personalausweis gespeichert wird?

Zur Statistik 

(Quelle: de.statista.com, 19.03.23)

Lösung

Erwarteter Aufbau:

Die Schülerinnen und Schüler sollen ihre Ausführungen mit einem Basissatz und einer nachvollziehbaren Einleitung mit Themafrage beginnen.

Im Hauptteil soll dialektisch je ein Argument schlüssig mit Behauptung, Begründung, einem geeigneten Beispiel, falls möglich auch mit Folgerung und Rückführung ausgeführt werden. Hierbei sollen die beigefügten Materialien sowie eigenen Ideen sinnvoll einbezogen werden.

In einer Art Synthese soll basierend auf dem stärksten Argument Stellung bezogen werden und ein abschließender Kompromiss oder Zukunftsausblick o.ä. gegeben werden.

Die beigefügten Materialien sollen an geeigneter Stelle verwendet und durch eigene Gedanken ergänzt werden.

Lösung

Inhalt: Mögliche Argumente

Pro

z.B. Erleichterung der Aufklärung von Verbrechen (digital gespeicherte Fingerabdrücke würden Verfahren beschleunigen)

Contra

z.B. hohe Anfälligkeit für Missbrauch durch Hacker (Identitätsklau)

Lösung mit Argumentationsstruktur

Analyse der Struktur

Der Kommentar „Schlimme Finger“ von Heribert Prantl ist am 19. April 2018 in der „Süddeutschen Zeitung“ erschienen und thematisiert die Nachteile einer digitalen Speicherung von personenbezogenen Daten wie dem Fingerabdruck.

Einleitung Teil 1: Basissatz mit allen Angaben zum Text, wie z.B. Autor/in, Titel mit Untertitel etc.

In Deutschland wird das Thema „Datenschutz“ im Allgemeinen großgeschrieben. So zeigt eine Befragung aus dem Jahr 2018, dass die Bevölkerung sich sehr uneinig ist in Bezug auf die Frage, ob ihr Fingerabdruck auf dem Personalausweis gespeichert werden soll.

Einleitung Teil 2: Hinführung zum eigentlichen Thema (Verwendung Material 3)

Daher stellt sich die Frage, ob die digitale Speicherung des Fingerabdrucks grundsätzlich sinnvoll ist.

Einleitung Teil 3: Themafrage (Hinweis: Idealerweise nicht als direkte, sondern indirekte Frage formulieren!)

Zum einen muss man erwähnen, dass jede Form von digitaler Speicherung anfällig für Missbrauch ist, da Hacker so die Identität einer Person klauen oder austauschen könnten. Würde dieser digital gespeicherte Fingerabdruck einer anderen Person zugeordnet, könnte die Person beispielsweise unbemerkt untertauchen und es wäre vermutlich recht schwierig, sie wieder auszufinden.

Hauptteil: Contra- Argument (Verwendung Material 2)

Zum anderen ist aber auch klar, dass gerade bei der Verbrechensbekämpfung oder auch der Terrorprävention die digitale Erfassung von Personenmerkmalen wie dem Fingerabdruck oder sogar der DNA zu einer rascheren Aufklärung von Straftaten führt. Denn wenn an einem Tatort gesammeltes Material wie Fingerabdrücke von der Polizei nur noch mit der vorhandenen Datenbank abgeglichen werden muss, könnte der Kreis der Tatverdächtigen rasch recht klein werden. Bei einem Einbruch beispielsweise kann die Polizei den Täter anhand vorhandener Fingerabdrücke in der Wohnung schnell identifizieren. Auf lange Sicht könnte dies sogar dazu führen, dass weniger Verbrechen begangen werden und die digitale Erfassung von personenbezogenen Merkmalen würde die Sicherheit aller fördern.

Hauptteil: Pro-Argument

Gerade weil unsere Welt immer häufiger von Anschlägen erschüttert wird, bringt eine digitale Erfassung des Fingerabdrucks mehr Vorteile als Nachteile mit sich, um Verbrechen einerseits schneller aufklären, andererseits vielleicht sogar verhindern zu können.

Schluss Teil 1: Eigene Meinung

Auch wenn man ein räumen muss, dass diese Erfassung tatsächlich dazu führt, dass man als Bürger noch gläserner wird, da dann nicht nur Kauf- oder Nutzungsverhalten in sozialen Medien nachvollziehbar wird, sondern eben auch der räumliche Verbleib eines Jeden leicht festgestellt werden kann. Um das Sicherheitsbedürfnis der Menschen zu befriedigen, müsste dies dann in Kauf genommen werden.

Schluss Teil 2: Kompromissvorschlag (Verwendung Material 1)

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