Offenmarktpolitik II

Emission von Schuldverschreibungen

Bei den bisherigen Betrachtungen war es erforderlich, dass die Geschäftsbanken im Besitz von Wertpapieren waren, die sie der Zentralbank befristet oder definitiv zur Erhöhung der Überschussreserve übergeben konnten. Bei der Herausgabe von Schuldverschreibungen durch die Zentralbank ist dies nicht erforderlich: Die Zentralbank tritt als Schuldner der Wertpapiere auf. Die Wertpapiere werden in abgezinster Form an die Geschäftsbanken abgegeben – der Ausgabekurs der Wertpapiere von beispielsweise 98 % liegt unter dem Rücknahmekurs von 100 %. Gibt die Zentralbank Schuldverschreibungen an die Geschäftsbanken ab, so sinkt die Überschussreserve der Kreditinstitute. Da die Geldmenge sinkt, steigt der Zins; die Kreditnachfrage wird sinken.

Bei Rücknahme der Schuldverschreibungen spielt sich der umgekehrte Vorgang ab: Die Überschussreserve erhöht sich wieder, der Zins sinkt; die Kreditnachfrage wird sich also erhöhen. Ist die Laufzeit der Schuldverschreibungen vorher festgelegt und erfolgt die Rücknahme der Wertpapiere zu einem Zeitpunkt, an dem die Geldmenge (noch) zu hoch ist, müssen seitens der Zentralbank weitere Maßnahmen ergriffen werden, um die Geldmenge zu verringern. Dafür kommen alle geldpolitischen Instrumente in Frage.

Emission von Schuldverschreibungen Rücknahme von Schuldverschreibungen

Überschussreserve fällt

Überschussreserve steigt

Geldschöpfungspotenzial der Banken verringert sich Geldschöpfungspotenzial der Banken erhöht sich
Zinsen steigen; Inflation wird bekämpft Zinsen sinken
Kreditnachfrage sinkt Kreditnachfrage steigt
Konjunktur wird gebremst Konjunktur wird angekurbelt
Die Zentralbank gibt eine Schuldverschreibung in Höhe von 20 Mio. € heraus,
Ausgabekurs 98 %, Laufzeit 3 Monate.
 Wie hoch ist der Ausgabekurs in Euro?  98 % von 20 Mio. € = 19.600.000,00 €
 Wie hoch sind die Zinsen in Form des Disagios?  20.000.000,00 € – 19.600.000,00 € = 400.000,00 €
 Wie hoch ist die Effektivverzinsung?
 p = Z · 100 · 360 = 400.000 · 100 · 360  = 8,16 %
K · t 19.600.000,00 · 90
Damit die Geschäftsbanken das Angebot annehmen, muss der Marktzins unter 8,16 % liegen.

Hereinnahme von Termineinlagen

Nimmt die Zentralbank von den Geschäftsbanken Termineinlagen an, sinkt die Überschussreserve. Da die Geldmenge sinkt, geht der Zinssatz in die Höhe, während die Kreditnachfrage sinkt. Bei Rückgabe der Termineinlagen fließt den Geschäftsbanken Liquidität zu, die den Zins nach unten drückt. Die Nachfrage nach Krediten steigt.

Überblick über die Transaktionsformen der Offenmarktgeschäfte

Nach der Zielsetzung der Offenmarktgeschäfte stehen der Zentralbank verschiedene Instrumente zur Verfügung. Als Hauptrefinanzierungsinstrument dienen die befristeten Geschäfte in wöchentlichem Abstand mit einer Laufzeit von 14 Tagen. Ihnen kommt bei der Liquiditätssteuerung der Geschäftsbanken eine Schlüsselrolle zu. Die befristeten Transaktionen dienen als längerfristige Refinanzierungsgeschäfte. Sie werden monatlich mit einer Laufzeit von drei Monaten durchgeführt. Von Fall zu Fall erfolgen Feinsteuerungsoperationen, um unerwartet auftretende Liquiditätsschwankungen auszugleichen. Dazu dienen in erster Linie die befristeten Aktionen, aber auch die definitiven Geschäfte, die Devisenswapgeschäfte und die Termineinlagen. Strukturelle Maßnahmen haben das Ziel, die Liquiditätssituation grundlegend zu beeinflussen. Als Instrumente dienen die Emission von Schuldverschreibungen, befristete Transaktionen und definitive Geschäfte.

 Bezeichnung Liquiditätsbereitstellung Liquiditätsabschöpfung Laufzeit Rhythmus
Hauptrefinanzierungs-
instrument
befristete Geschäfte zwei Wochen wöchentlich
Längerfristige
Refinanzierungs-
geschäfte
befristete Geschäfte drei Monate monatlich
Feinsteuerungs-
operationen
befristete Geschäfte

Devisenswaps

definitive Käufe

Devisenswaps

Termineinlagen

befristete Geschäfte

definitive Geschäfte

variabel unregelmäßig
Strukturelle
Operationen
befristete Geschäfte

definitive Geschäfte

Schuldverschreibungen

definitive Geschäfte

variabel regelmäßig und unregelmäßig

Offenmarktpolitik II: Übung

Entscheiden Sie, ob die folgenden Aussagen richtig oder falsch sind.

Arbeitsauftrag: Klicken Sie die richtige Lösung an.

Offenmarktpolitik II: Aufgaben

Testen Sie Ihr Wissen an folgenden Beispielen:

Aufgaben:

1 Welches Ziel verfolgt die EZB mit der Emission von Schuldverschreibungen?

2 Welche Gefahr besteht bei der Rücknahme der Schuldverschreibungen durch die EZB? Was kann die EZB gegen diese Gefahr tun?

3 Welches Ziel verfolgt die EZB mit Devisenswapgeschäften?

4 Welche Absicht verfolgt die EZB mit der Hereinnahme von Termineinlagen?

5. Analysieren Sie die untenstehende Karikatur:

Quelle: Paolo Calleri; https://de.toonpool.com/cartoons/Verbraten_199381, aufgerufen am 01.06.2023

Lösungen

Die Emission von Schuldverschreibungen wird bei einem Liquiditätsüberschuss eingesetzt. Geldmenge und Kreditangebot sinken. Der Zins steigt.

Wenn nach wie vor ein Liquiditätsüberschuss besteht, erhöht sich durch die Rücknahme der Schuldverschreibungen die Geldmenge noch stärker. Es müssen weitere Maßnahmen getroffen werden, z.B. die Emission neuer Schuldverschreibungen.

Die EZB will die Geldmenge beeinflussen.
Durch Devisenkäufe wird ein Liquiditätsabfluss ins Ausland gestoppt.
Nimmt die Zentralbank die Devisen zu schlechteren Konditionen als es außerhalb des Euro-Währungsgebietes üblich ist, so fließt das Geld ins Ausland ab. Die inländische Geldmenge sinkt.

Die Geldmenge soll gesenkt werden.

Denken Sie daran, dass die Analyse von Karikaturen mithilfe der 2BIH-Methode gelöst werden sollte:

  1. BESCHREIBUNG
  2. BEDEUTUNG ZUORDNEN
  3. INTERPRETIEREN
  4. HINTERGRUND

z.B.

Beschreibung:

In der Karikatur von Paolo Calleri ist ein Mann dargestellt, der einen Drehspieß dreht, auf dem ein Sparschwein über dem Feuer gegrillt wird. Auf dem Spieß steht der Begriff Zinssenkung und auf dem Sparschwein Spareinlagen. Auf dem Anzug des Mannes steht der Begriff EZB und er äußert sich, während er den Drehspieß dreht, dass er die Konjunktur doch mal ankurbeln will, indem er den Spieß „Zinssenkung“ dreht.

Bedeutung

Der Mann im Anzug stellt den ehemaligen EZB-Direktor Mario Draghi dar, der für die Europäische Zentralbank steht. Das Sparschwein symbolisiert die Spareinlagen stellvertretend für alle Spareinlagen der Anleger, die anscheinend verbraten werden. Der Grillspieß steht für die Zinssenkung der Leitzinsen.

Interpretation

Der Karikaturist verweist hier auf das Problem, dass bei einer Senkung der Leitzinsen, um die Konjunktur anzukurbeln, indirekt auch die Spareinlagen der Anleger betroffen sind. Diese zum Wohle der Konjunkturbelebung verbraten werden und demzufolge immer niedriger werden. Die Rendite von Spareinlagen wird somit also direkt von den Leitzinsen der EZB beeinflusst.

Hintergrund:

Der Leitzins ist der Zinssatz, zu dem Geschäftsbanken Geld von der Zentralbank leihen können. Die Zentralbank setzt den Leitzins als Instrument der Geldpolitik ein, um die wirtschaftliche Aktivität zu beeinflussen. In Zeiten einer Rezession greifen die Zentralbanken sehr häufig zu dem Instrument einer Zinssenkung, um die Konjunktur anzukurbeln. Wenn die Zentralbank die Leitzinsen senkt, so wie in der Karikatur angesprochen, wird es für Geschäftsbanken billiger, sich Geld von der Zentralbank zu leihen. Geschäftsbanken geben in der Regel die gesunkenen Zinsen im Rahmen von Krediten an Unternehmen und Verbraucher weiter. Dadurch steigen die Investitionen und der Konsum. Die Wirtschaft wird belebt.

Sinken die Leitzinsen, sinkt in der Regel auch die Verzinsung von Spareinlagen bei Banken. Das bedeutet für den Sparer, dass er niedrigere Zinsen auf seine Einlagen erhalten wird. Sparen wird somit uninteressanter. Sparer schauen sich möglicherweise nach Alternativen um, die eine höhere Rendite versprechen wie bspw. festverzinsliche Wertpapiere etc. Dies könnte zu einer Verlangsamung des Wachstums von Spareinlagen führen.

Es ist jedoch hier anzumerken, dass die Höhe des Sparens nicht ausschließlich von der Höhe der Zinsen abhängig ist, sondern auch andere Bedingungen wie individuelles Sparverhalten, Inflation etc. das Sparen und somit die Höhe der Spareinlagen beeinflussen.