Preisbildung auf dem vollkommenen Markt

Angebot und Nachfrage

Das Verhalten von Angebot und Nachfrage auf Preisänderungen wurde bisher einzeln untersucht. Der Preis bildet sich aus dem Zusammenwirken beider Faktoren. Folgende Darlegungen gelten für die Bedingungen des vollkommenen Marktes, der z.B. an der Wertpapierbörse gegeben ist. Die Wertpapierhändler erhalten von den Käufern und Verkäufern Kauf- oder Verkaufsaufträge. Dabei können Käufer und Verkäufer ihre Aufträge limitieren. Ein Käufer könnte den Börsenmakler beauftragen, ein bestimmtes Wertpapier zu höchstens 72,00 € pro Stück zu kaufen. Sollte der Kurs an diesem Tag höher sein, wird der Auftrag nicht ausgeführt. Ein Verkäufer kann den Börsenmakler beauftragen, ein Wertpapier zu mindestens 71,00 € zu verkaufen. Ist der Kurs am Verkaufstag niedriger, wird der Auftrag nicht ausgeführt. Werden die Kauf- und Verkaufsaufträge nicht limitiert, so werden die zum Kauf nachgefragten Wertpapiere „billigst“ und die zum Verkauf angebotenen Wertpapiere „bestens“, d.h. zu dem am Abschlusstag gültigen Kurs gekauft oder verkauft.

Bei einem Wertpapierhändler laufen folgende Aufträge ein:

Kaufaufträge (Nachfrage)  Verkaufsaufträge (Angebot)
Käufer A: 50 Stück billigst Verkäufer F: 30 Stück bestens
Käufer B: 45 Stück zu 71,00 € höchstens Verkäufer G: 45 Stück zu 71,00 € mindestens
Käufer C: 20 Stück zu 72,00 € höchstens Verkäufer H: 65 Stück zu 72,00 € mindestens
Käufer D: 40 Stück zu 73,00 € höchstens Verkäufer I: 120 Stück zu 73,00 € mindestens
Käufer E:  30 Stück zu 74,00 € höchstens Verkäufer J: 140 Stück zu 74,00 € mindestens

Der Makler hat nun die Aufgabe festzustellen, bei welchem Kurs der höchste Umsatz erzielt werden kann. Dazu muss festgestellt werden, welche Umsätze bei den einzelnen Preisen möglich sind:

Mögliche Preise Durchführbare Kaufaufträge
(in Stück)
Durchführbare Verkaufsaufträge
(in Stück)
Umsatz
(mögliche Menge · Preis)
70,00 €  50 + 45 + 20 + 40 + 30 = 185  30  30 · 70,00 = 2.100,00 €
71,00 €  50 + 45 + 20 + 40 + 30 = 185  30 + 45 = 75  75 · 71,00 = 5.325,00 €
72,00 €  50 + 20 + 40 + 30 = 140  30 + 45 + 65 = 140  140 · 72,00 = 10.080,00 €
73,00 €  50 + 40 + 30 = 120  30 + 45 + 65 + 120 = 260  120 · 73,00 = 8.760,00 €
74,00 €  50 + 30 = 80  30 + 45 + 65 + 120 + 140 = 400  80 · 74,00 = 5.920,00 €

In diesem Beispiel beträgt der vom Makler festgesetzte Preis 72,00 €,  weil hier die angebotene Menge der nachgefragten Menge entspricht. Man spricht vom Gleichgewichtspreis. Zu beachten ist, dass die Anbieter, die einen höheren Preis erzielen wollten, und die Nachfrager, die nur einen geringeren Preis bezahlen wollten, leer ausgehen.

Nachfragerrente (Konsumentenrente): Es gibt Käufer, die mehr ausgegeben hätten als den zustande gekommenen Preis. Die Konsumentenrente stellt als Ersparnis die Differenz zwischen der maximalen Zahlungsbereitschaft und dem tatsächlichen Preis dar.

Anbieterrente (Produzentenrente): Manche Verkäufer erhalten durch den ermittelten Gleichgewichtspreis mehr als sie ursprünglich für den Verkauf einnehmen wollten. Die Produzentenrente stellt einen zusätzlichen Erlös dar.

Der Gleichgewichtspreis ergibt sich aus der Schnittstelle zwischen der Angebots- und der Nachfragekurve. Liegt der Preis über 72,00 €, so wollen die Anbieter mehr verkaufen, als die Konsumenten gewillt sind zu kaufen. Das Ergebnis ist ein Angebotsüberhang. Bei einem niedrigeren Preis als 72,00 € entsteht auf dem Markt eine Fehlmenge, die dann durch ein Ansteigen der Preise ausgeglichen wird. Bei einem Preis von 72,00 € entstehen weder Fehlmengen noch Angebotsüberhänge. Der Konsument, der 40 Stück zu höchstens 73,00 € kaufen wollte,  erzielt eine Konsumentenrente von 40 * (73 – 72) = 40,00 €. Der Anbieter, der bereit war 45 Stück zu 71,00 € zu verkaufen, erzielt damit eine Produzentenrente von 45 * (72 – 71) = 45,00 €.

Preisbildung auf dem vollkommenen Markt: Aufgaben

Testen Sie Ihr Wissen an folgenden Beispielen:

An der Wertpapierbörse gehen folgende Aufträge für die X-Aktie ein:

Käufer Nachgefragte Menge Kurswunsch (höchstens) Verkäufer Angebotene Menge Kurswunsch (mindestens)
A 30 billigst F 40 bestens
B 6 34,00 € G 14 31,00 €
C 8 33,00 € H 12 32,00 €
D 22 32,00 € I 25 33,00 €
E 14 31,00 € J 30 34,00 €

Aufgaben:

1 Ermitteln Sie rechnerisch den Gleichgewichtspreis.

2 In welcher Höhe erzielen die Marktteilnehmer B, E, G und I welche Art von „Rente“?

3 Erklären Sie, weshalb sich der Preis auf dem vollkommenen Markt im Schnittpunkt von Angebot und Nachfrage einpendelt. Erklären Sie, was passiert, wenn sich der Marktpreis als zu hoch oder zu niedrig erweist.

Lösungen

Kurs Angebot Nachfrage Umsatz in Stück
31,00 € 40 + 14 = 54 30 + 6 + 8 + 22 + 14 = 80 54
32,00 € 40 + 14 + 12 = 66 30 + 6 + 8 + 22 = 66 66
33,00 € 40 + 14 + 12 + 25  = 91 30 + 6 + 8 = 44 44
34,00 € 40 + 14 + 12 + 25 + 30 = 121 30 + 6 = 36 36

Der Gleichgewichtspreis beträgt 32,00 €.

Der Marktteilnehmer B erhält eine Konsumentenrente von 12,00 €. Er kauft sechs Stück mit einer Konsumentenrente von 2,00 € pro Stück.
Der Marktteilnehmer E geht leer aus. Sein Kaufswunsch wird nicht berücksichtigt, weil er einen niedrigeren als den Gleichgewichtspreis zahlen wollte.
Der Marktteilnehmer G erzielt eine Produzentenrente von 14,00 €. Er verkauft 14 Stück mit einer Produzentenrente von 1,00 € pro Stück.
Der Marktteilnehmer I geht leer aus. Sein Verkaufswunsch wird nicht berücksichtigt, weil er einen höheren als den Gleichgewichtspreis erzielen wollte.

Der Gleichgewichtspreis pendelt sich im Schnittpunkt von Angebot und Nachfrage ein, weil dort die umsetzbare Menge am größten ist.
Liegt der Preis über dem Gleichgewichtspreis, entsteht ein Angebotsüberhang. Der Wettbewerb zwischen den Anbietern führt zu einer Verringerung des Preises bis zum Gleichgewichtspreis.
Bei einem zu niedrigen Gleichgewichtspreis kommt es zu einer Fehlmenge an Gütern. Die Konkurrenz zwischen den Käufern führt zu einem Preisanstieg bis der Gleichgewichtspreis erreicht ist.