Kostenträgerrechnung I
Bestandsveränderungen
Ein Betrieb stellt normalerweise innerhalb einer Periode nicht die gleiche Menge von Produkten her wie in der selben Periode verkauft werden. Verkauft ein Unternehmen weniger als es herstellt, dann wird die Ware eingelagert. Im Lager entsteht ein Mehrbestand. Wenn mehr Aufträge vorliegen als an hergestellter Ware bereit gestellt werden kann, dann wird die eingelagerte Ware wieder verkauft. Die Veränderung im Lager nennt man Bestandsveränderungen.
Die Material- und Fertigungskosten und somit auch die Herstellkosten, wie sie bisher definiert wurden, beziehen sich auf die Menge, die in einem Abrechnungszeitraum bearbeitet worden ist. Die Höhe der Verwaltungs- und vor allem auch der Vertriebsgemeinkosten hängt jedoch von der in einem Abrechnungszeitraum verkauften Menge ab. Deshalb wird der Begriff der Herstellkosten im Folgenden genauer definiert.
Berücksichtigung der Bestandsveränderungen
Unternehmen führen normalerweise zwei unterschiedliche Lager: Eines für unfertige Erzeugnisse (UE) und eines für fertige Erzeugnisse (FE).
Die bisherigen Herstellkosten werden in Herstellkosten der Abrechnungsperiode (HKA) umbenannt. Sie beinhalten alle in dieser Periode angefallenen Kosten der Produktion, unabhängig davon, ob die bearbeiteten Produkte alle fertig gestellt oder verkauft wurden.
Berücksichtigt man ausgehend von den HKA die Bestandsveränderungen im Lager für unfertige Erzeugnisse (BVUE), so erhält man die Herstellkosten der Fertigerzeugnisse (HKFE), die sich auf die in dieser Abrechnungsperiode tatsächlich fertig gestellten Produkte beziehen, unabhängig davon, ob diese fertigen, verkaufsfähigen Produkte verkauft wurden oder nicht.
Im nächsten Schritt berücksichtigt man die Bestandsveränderungen im Lager für Fertigerzeugnisse (BVFE) und erhält somit die Herstellkosten des Umsatzes (HKU). Dies sind die Herstellkosten aller tatsächlich verkauften Produkte.
| HKA | Herstellkosten der Abrechnungsperiode | Kosten für die Bearbeitung aller Produkte. Dabei ist es unerheblich, ob die Produkte nur einen oder zwei oder mehrere Bearbeitungsschritte erfahren haben. Es spielt auch keine Rolle, ob die Produkte mit der Rohstoffentnahme begonnen wurden oder ob an einem Halbfabrikat weiter gearbeitet wurde. |
| HKFE | Herstellkosten der fertigen Erzeugnisse |
Kosten für alle Produkte, die so weit fertig gestellt wurden, dass man sie bereits verkaufen könnte. |
| HKU | Herstellkosten des Umsatzes |
Kosten aller tatsächlich verkauften Erzeugnisse. |
Hat ein Unternehmen weniger Produkte verkauft als es fertig gestellt hat, so wird die überschüssige Menge ins Lager der Fertigerzeugnisse verbracht. In diesem Lager ist eine Bestandsmehrung zu verzeichnen. Aus diesem Grund müssen die Herstellkosten für Fertigerzeugnisse, die sich auf die fertig gestellte Menge beziehen, größer sein als die Herstellkosten des Umsatzes, die sich auf die verkaufte Menge beziehen. Man muss also Bestandsmehrungen subtrahieren, um von den Herstellkosten für Fertigerzeugnissen rechnerisch zu den Herstellkosten des Umsatzes zu gelangen.
Umgekehrt ist bei einer Bestandsminderung der Lagerendbestand kleiner als der Lageranfangsbestand. Das Unternehmen hat vom Lager weg verkauft, die fertig gestellte Menge ist kleiner als die verkaufte Menge. Die Herstellkosten für Fertigerzeugnisse sind also kleiner als die Herstellkosten des Umsatzes. Bestandsminderungen müssen addiert werden, um von der Herstellkosten für Fertigerzeugnissen rechnerisch zu den Herstellkosten des Umsatzes zu gelangen.
Analoges gilt für die Beziehung zwischen Herstellkosten der Abrechnungsperiode und Herstellkosten für Fertigerzeugnisse bei den unfertigen Erzeugnissen.
| HKA | Herstellkosten der Abrechnungsperiode |
| +/- BVUE | Bestandsveränderungen bei den unfertigen Erzeugnissen |
| HKFE | Herstellkosten der fertigen Erzeugnisse |
| +/- BVFE | Bestandsveränderungen bei den fertigen Erzeugnissen |
| HKU | Herstellkosten des Umsatzes |
Beispiel
Die BOS AG fertigt das Produkt A. Pro Stück fallen Herstellkosten in Höhe von 30,00 € an, die Herstellkosten der Abrechnungsperiode belaufen sich auf 14.284,40 €. Die Zuschlagssätze betragen fünf Prozent für die Verwaltung und zehn Prozent für den Vertrieb.
Aus dem Lager wurde Material in Höhe von 1.315,60 € entnommen. Von den fertig gestellten 520 Stück konnten 10 Stück nicht verkauft werden.
Das Produkt A wird zu 48,00 € netto veräußert.
Ermittlung der Selbstkosten und des Betriebsergebnisses unter Berücksichtigung der Bestandsveränderungen:
| pro Stück | gesamt | ||
| HKA | 30,00 € | 14.284,40 € | |
| BVUE | + 1.315,60 € | Minderbestand (MiB) | |
| HKFE | 30,00 € | 15.600,00 € | 520 Stück fertig gestellt |
| BVFE | – 300,00 € | 10 Stück auf Lager gelegt; Mehrbestand (MeB) | |
| HKU | 30,00 € | 15.300,00 € | 510 Stück verkauft |
| VwGK 5 % | 1,50 € | 765,00 € | “ |
| VtGK 10 % | 3,00 € | 1.530,00 € | “ |
| SK | 34,50 € | 17.595,00 € | “ |
| NVE | 48,00 € | 24.480,00 € | “ |
| BE | 13,50 € | 6.885,00 € | “ |
Es gelten folgende Zusammenhänge:
HKFE = HKStück · hergestellte Menge
HKU = HKStück · verkaufte Menge
BVFE = HKStück · Bestandsveränderung im Lager für Fertigwaren in Stück
Diese Formeln lassen sich nicht auf HKA und BVUE anwenden, da sich hinter diesen Begriffen auch unfertige Produkte verbergen, deren Fertigstellungsgrad und damit die bis dahin entstandenen Kosten unterschiedlich sind. Eine Multiplikation von Stückwerten mit Euro-Beträgen ergibt in diesem Bereich keinen betriebswirtschafltichen Sinn. Erst ab den HKFE kann man Mengenwerte mit Stückwerten sinnvoll multiplizieren.
Die Herstellkosten pro Stück kann man folglich auf verschiedene Weisen berechnen:
| HKStück | = | HKFE hergestellte Menge |
= | HKU verkaufte Menge |
= | BVFE BVFE in Stück |
Durch die Einbeziehung der Bestandsveränderungen in das Kalkulationsschema ändert sich die Berechnungsgrundlage für den Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkostenzuschlagssatz. Die Formeln lauten nun wie folgt:
| VwGKZS = | VwGK · 100 HKU |
VtGKZS = | VtGK · 100 HKU |
Die Zuschlagsgrundlage sind nun die Herstellkosten des Umsatzes, da sich alle Werte ab den HKU auf die verkaufte Menge beziehen
Kostenträgerrechnung I: Aufgaben
Testen Sie Ihr Wissen an folgenden Beispielen:
Aufgaben:
1 Erläutern Sie, warum Bestandsveränderungen berücksichtigt werden müssen.
2 Begründen Sie, warum Bestandsmehrungen subtrahiert werden, um von den Herstellkosten für Fertigerzeugnisse zu den Herstellkosten des Umsatzes zu gelangen.
3 Ein Industriebetrieb kalkuliert die Selbstkosten des Produkts A. Pro Stück fallen dabei Kosten für Fertigungsmaterial in Höhe von 64,00 €, für Löhne in Höhe von 90,00 € an. Die Zuschlagssätze lauten: Material 15 %, Fertigung 60 %, Verwaltung 5 %, Vertrieb 10 %. In dem abgelaufenen Monat wurde Fertigungsmaterial in Höhe von insgesamt 32.000,00 € und Fertigungslöhne in Höhe von 48.600,00 € ausgezahlt.
Aus dem Fertigerzeugnislager wurden 20 Stück entnommen. Die Umsatzerlöse betragen 285,00 €/Stück. Das Erzeugnis A wird in einer Spezialverpackung ausgeliefert, die mit 1,36 € pro Stück in die Kalkulation einfließt. Im abgelaufenen Monat fallen dafür insgesamt 816,00 € an.
Berechnen Sie Art und Höhe der Bestandsveränderungen bei den unfertigen Erzeugnissen sowie das Betriebsergebnis.
4 Erstellen Sie aus den folgenden Angaben eine Kalkulation (Fertigungsmaterial bis Betriebsergebnis).
| FM | 40.000,00 € | Verteilungsschlüssel: | |||
| FL | 68.000,00 € | Gehälter | Gehaltslisten | ||
| BVUE MiB | 11.024,00 € | Miete | qm | ||
| BVFE MeB | 9.824,00 € | Abschreibung | Anlagekartei | ||
| Umsatzerlöse | 220.000,00 € | Heizung | Thermomessung | ||

5 Ein Unternehmen ermittelt für die Produktion eines Bauteils am Ende des Monats folgende Zuschlagssätze:
Material 30 %, Fertigung 200 %, Verwaltung/Vertrieb ?
Damit alle Aufträge erfüllt werden können, müssen vier Bauteile aus dem Lager entnommen werden.
| pro Stück | gesamt | |
| FM | 1.790,00 € | 165.000,00 € |
| FL | ? | 110.000,00 € |
| BE | 306,00 € | 25.704,00 € |
| HKA | 6.119,00 € | ? |
| Erlöse | 6.991,00 € | ? |
| SEKV | 76,48 | 6.424,32 € |
Berechnen Sie Art und Höhe der Bestandsveränderungen bei unfertigen Erzeugnissen sowie den Verwaltungs-/Vertriebsgemeinkostenzuschlagssatz.
6 Berechnen Sie die Zuschlagssätze je Kostenstelle sowie die Selbstkosten.
| MGK | 164.020,00 € | FM | 1.366.833,32 € | ||
| FGK | 480.180,00 € | FL | 393.590,16 € | ||
| VwGK | 226.960,00 € | Anfangsbestand FE | 117.200,00 € | ||
| VtGK | 87.560,00 € | Schlussbestand FE | 90.200,00 € | ||
| Anfangsbestand UE | 37.600,00 € | ||||
| Schlussbestand UE | 48.800,00 € | ||||
