Optimaler Bestellzeitpunkt

Situation:

In den letzten Monaten kam es in der FAHRRADWELT AG immer wieder zu Problemen mit der pünktlichen Lieferung des Rohstoffs A-1278. Dies soll in Zukunft optimiert werden. Sie sollen nach einem geeigneten Ansatz suchen, den künftigen Bedarf optimal zu planen. Dazu informieren Sie sich zunächst über verschiedene Lagermodelle.

Lagermodelle

Eine Aufgabe der Materialwirtschaft ist die rechtzeitige Bereitstellung der für die Produktion erforderlichen Materialien. Grundsätzlich ist dazu die Kenntnis des Verbrauches notwendig.

Häufig verlaufen die Bestände nicht linear fallend, weil sich der Verbrauch der Güter nicht gleichmäßig vollzieht. In diesem Fall wird die Planung der Beschaffung erschwert, aber auch nicht gerade unmöglich gemacht. Im neben stehenden Bild ist der Lagerbestand jeweils nach etwa acht Tagen verbraucht. Das würde also für das Unternehmen bedeuten, dass in etwa einmal wöchentlich – unter Einhaltung der jeweiligen Lieferfrist – bestellt werden sollte, damit der Produktionsablauf reibungslos funktionieren kann.

Allerdings ist eine solche Zeitdisposition nicht ratsam, weil schon die geringste Lieferverzögerung zu einem Produktionsstillstand führen würde. Deshalb legen sich Unternehmen einen eisernen Bestand (=Sicherheitsbestand) an.

Wir gehen im Folgenden von einem idealtypischen Verbrauchsverlauf aus. Der Verbrauch erfolgt linear fallend, das heißt pro Zeiteinheit wird immer genau die gleiche Menge von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen für die Produktion aus dem Lager entnommen und eingesetzt.
Behandelt wird das Bestellpunktverfahren – hier wird die Bestellung bei Erreichen eines gewissen Bestandes ausgelöst.

Bestellpunktverfahren

Beim Bestellpunktverfahren werden die für die Produktion benötigten Materialien dann bestellt, wenn der Bestand auf einen gewissen Punkt gesunken ist.

Die wichtigsten Begriffe finden Sie hier erläutert:

Eiserner Bestand/Sicherheitsbestand/
Mindestbestand:
Der Eiserne Bestand (=Sicherheitsbestand) soll gewährleisten, dass auch weiter gefertigt werden kann, wenn die Lieferzeit überschritten wird. So wird vermieden, dass zum Beispiel Löhne und Gehälter weiter gezahlt werden müssen, ohne dass produziert werden kann. Zu bedenken ist auch, dass eventuelle eigene Lieferverpflichtungen nicht eingehalten werden können, wenn die Produktion still steht.

Eiserner Bestand = Tagesbedarf · Sicherheitszuschlag in Tagen

Meldebestand: Er sollte so hoch angesetzt werden, dass der eiserne Bestand nicht angegriffen wird.

Meldebestand = Eiserner Bestand + (Tagesbedarf · Lieferzeit)

Bestellzeitpunkt: Der Bestellzeitpunkt ist erreicht, wenn der Meldebestand erreicht ist.
Bestellintervall: Das Bestellintervall ist das Intervall, welches bei gleichmäßigem, also konstantem Verbrauch, zwischen den einzelnen Bestellpunkten liegt.

Die Berechnung erfolgt z.B. über zwei Schritte:

Anzahl der Bestellungen = Jahresverbrauch : (optimale) Bestellmenge

Bestellintervall = Anzahl der Arbeitstage pro Geschäftsjahr : Anzahl der Bestellungen

oder

Bestellintervall = Beschaffungszeit + ((Höchstbestand-Meldebestand): Ø Tagesverbrauch)

Höchstbestand: Die Festlegung des Höchstbestands ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Er ist davon abhängig, welche Lagermöglichkeiten Vorort vorliegen oder wie z.B. die Lager- und Beschaffungskosten ausfallen.

Höchstbestand = eiserner Bestand + Bestellmenge

Kommen wir zu unserer Ausgangssituation zurück.

Die FAHRRADWELT AG verbraucht täglich 30 kg des Rohstoffes A-1278. Der Verbrauch erfolgt demzufolge linear. Als eiserner Bestand (=Sicherheitsbestand) ist der Bedarf von vier Tagen ausreichend. Die Beschaffungsdauer beträgt sieben Tage. Die maximale Menge, die eingelagert werden kann beträgt 660 kg. Diese Kapazität wird durch Neubestellungen stets erreicht. Die grafische und rechnerische Auswertung zeigt folgende Ergebnisse:

Der eiserne Bestand beträgt 120 Kilogramm. Am elften Tag muss die Bestellung ausgelöst werden, damit die Ware unter der Beachtung von sieben Tagen Lieferzeit am 18. Tag eintrifft. Zum Bestellzeitpunkt sind noch 330 Kilogramm auf Lager.

Optimaler Bestellzeitpunkt: Aufgaben

Testen Sie Ihr Wissen an folgenden Beispielen:

Aufgaben:

1 Erläutern Sie, weshalb Unternehmen einen eisernen Bestand benötigen.

2 Erläutern Sie, was man unter einem idealtypischen Verbrauchsverlauf versteht.

3 Die BOS AG verbraucht pro Tag 50 Stück eines Werkstoffes. Als eiserner Bestand wurden 300 Stück festgelegt. Die Lieferzeit beträgt fünf Tage. Der Höchstbestand beträgt 700 Stück.

3.1 Berechnen Sie den Meldebestand und den Meldetermin, wenn der eiserne Bestand am 28.03. erreicht wird.

3.2 Stellen Sie die Situation vom 20.03. bis zum 30.03. grafisch dar.

4 Für einen Werkstoff liegt folgende Situation vor (Bestand in Stück, Zeit in Tagen; eigene Darstellung des Unternehmens):

4.1 Interpretieren Sie das hier vorliegende Diagramm und ermitteln Sie rechnerisch bei Ihren Ausführungen den Tagesverbrauch sowie die Höhe des eisernen Bestandes. OPERATOR: Interpretieren 

4.2 Wie viele Tage Lieferverzögerung könnte mit dem eisernen Bestand überbrückt werden?

5 Der Produktionsplan der BOS-AG sieht einen täglichen Verbrauch des Hilfsstoffes CS 1000 von 480 kg vor. Die durchschnittliche Beschaffungszeit für den Hilfsstoff beträgt fünf Tage, wobei es aufgrund von Lieferschwierigkeiten des Zulieferers schon vorgekommen ist, dass die Lieferung sieben Tage auf sich warten ließ. Dieser Tatsache wird durch einen eisernen Bestand in erforderlicher Höhe Rechnung getragen.

5.1 Berechnen Sie den Lagerbestand, bei dem die BOS-AG den Hilfsstoff CS 1000 erneut bestellen muss, um die Produktion jederzeit aufrecht erhalten zu können.

5.2 Erstellen Sie eine Skizze (nicht maßstabsgetreu) des geplanten Verlaufs. Achten Sie auf korrekte Beschriftung Ihrer Zeichnung und kennzeichnen Sie den Meldebestand und die Lieferzeit.

Lösungen

Der eiserne Bestand ist notwendig, weil man Lieferengpässe oder andere Schwierigkeiten berücksichtigen muss. Steht die Produktion still, fallen weiterhin die fixen Kosten an.

Ein idealtypischer Verbrauchsverlauf setzt voraus, dass innerhalb einer Zeiteinheit stets die gleiche Menge an Material verbraucht wird. Der Lagerbestand des Materials sinkt linear.

Meldebestand:
Eiserner Bestand + (Lieferzeit · Tagesverbrauch)
300 Stück + (5 Tage · 50 Stück/Tag) = 550 Stück
Bestelltermin:
28.03. – 5 Tage = 23.03.

Bestand:

Für die Analyse oder Interpretation von Statistiken, Diagramme oder Tabellen wird die sogenannte 2BI-Methode verwendet. Diese besteht aus drei Schritten:

  1. Basisinformationen:  Angaben zu Inhalt bzw. Gegenstand des Schaubildes oder der Tabelle werden zunächst wiedergegeben.
  2. Beschreibung: Die dargestellten Informationen werden in einem zweiten Schritt beschrieben.
  3. Interpretation: Die Informationen der vorliegenden Statistik, des Diagramms oder der Tabelle werden vor dem Hintergrund der Fragestellung interpretiert.

Basisinformationen: 

Hier liegt ein Liniendiagramm vor, das den Bestand des Werkstoffs in Stück über eine gewisse Zeit darstellt. Die x-Achse stellt die Zeit in Tagen dar; die y-Achse den Bestand des Werkstoffs in Stück. Die Darstellung erfolgt über 9 Tage und der Bestand geht bis zu einem Wert von 2.500 Stück. Das Diagramm wurde von dem Beispielunternehmen selbst erstellt (Quelle).

Beschreibung:

Dargestellt ist hier der Verbrauch eines Werkstoffs im Verlauf der Zeit. Die Linie startet bei einem Anfangsbestand von 2.000 Stück. Der niedrigste Bestand wird am 7. Tag erreicht. Dann erfolgt wieder eine neue Lieferung des Werkstoffs, so dass der Bestand wieder auf 2.000 Stück steigt. Die Linie zeigt anschließend den Verbrauch des Werkstoffs für weitere zwei Tage. Es ist ersichtlich, dass jeden Tag der Bestand des Werkstoffs sinkt.

Interpretation:

Dargestellt ist hier eine grafische Darstellung des Bestellpunktverfahrens inklusive des eisernen Bestands und des Höchstbestands. Das Liniendiagramm zeigt den linearen Verbrauch des Werkstoffs über 9 Tage. Am 5. Tag wird ein Bestand von 1.000 Stück erreicht. Daraus ergibt sich ein Tagesverbrauch von insgesamt 200 Stück [(2.000-1.000)/5 = 200 Stück]. Der eiserne Bestand wird am 7. Tag erreicht und hat eine Höhe von 600 Stück. Dies ergibt sich daraus, dass am 5. Tag noch 1.000 Stück auf Lager sind, am 6. und am 7. Tag noch einmal 200 Stück verbraucht werden.

Alternativ: Anfangsbestand – (Tagesverbrauch · Tage)
2.000 Stück – (200 Stück · 7 Stück/Tag) = 600 Stück

Am 7. Tag erfolgt dann eine Lieferung, die 1.400 Stück umfasst, sodass der Höchstbestand von 2.000 Stück (600 + 1400) wieder erreicht wird. Danach werden wieder pro Tag 200 Stück verbraucht. Unterstellt ist hier also ein kontinuierlicher Tagesverbrauch von 200 Stück.

Die Darstellung dient demzufolge also Informationsquelle zum Nachvollziehen des Bestandes sowie des Erreichens des eisernen Bestandes des Werkstoffs.

Mit dem eisernen Bestand könnten drei Tage überbrückt werden (3 Tage · 200 Stück/Tag).

Eiserner Bestand: 2 · 480 kg = 960 kg
Meldebestand = 960 + 5 · 480 kg = 3.360 kg